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Im Berliner Politzirkus

Auch mit "Zettl" gelingt es Regisseur Helmut Dietl nicht, an seine beiden früheren Erfolge "Schtonk" und "Kir Royal" heranzukommen. Bully Herbig kutschiert als Chauffeur Zettl vornehme Herrschaften durch Berlin-Mitte und steigt später zum Chefredakteur auf, bleibt aber zu sehr im Rollenklischee stecken.

Von Josef Schnelle | 28.01.2012
    Warum wir eigentlich in Deutschland, dem Filmland von Ernst Lubitsch und Billy Wilder, keine politische Komödie drehen können, die zugleich jeden Lacher Wert ist und dennoch im Grunde ein ernstes Anliegen hat, darauf hat Helmut Dietl zwei überzeugende Antworten gegeben, die das Gegenteil bewiesen haben. Die eine war "Schtonk", die Geschichte der falschen Hitler-Tagebücher - der größte deutsche reale Medienskandal erzählt als Treppenwitz am Rande der braunen Szene. Die andere Antwort gab er mit der Fernsehserie "Kir Royal", in der Franz Xaver Kroetz als skrupelloser Klatschreporter Baby Schimmerlos durch die Münchner Bussi-Bussi-Gesellschaft irrt.

    An diese beiden legendären Erfolge ist Helmut Dietl mit seinen übrigen Filmen nie wieder herangekommen. Und weil die Münchner Szene in den letzten Jahren, wie er sagt, merklich ausgedünnt ist, nahm er sich nun Berlin vor, genauer Berlin Mitte, da wo es alle hinzieht, die mit Politik, Kultur und Boulevard etwas zu tun haben wollen.

    Der Dramatiker und Schauspieler Kroetz ahnte wohl, dass die Verpflanzung des Münchner Lotterlebens in die Hauptstadt nicht funktionieren würde und wollte als Hauptdarsteller nicht mehr mitmachen. So sicherte sich Dietl flugs anstelle seines Kir-Royal-Autors Patrik Süßkind den jungen Pop-Literaten Benjamin von Stuckrad-Barre als Drehbuchschreiber, der dem Film den Berlin-Touch geben sollte. Doch die meisten Dialoge klingen eher nach Bully Herbig.

    "Was haben Sie jetzt gesagt zu der Dame?"
    "Schick a Lift obi herunter, Susi, du Schlampen, du Chinesische, sonst beiß ich dich in deine Lotusblüte, deine süße."
    "Auf chinesisch?"
    "Ja klar."

    Natürlich klingt es nach Bully Herbig, denn den hat sich Dietl als Nachfolger für Baby Schimmerlos im Hauptstadtsumpf ausgesucht. Leider spielt Komödienblödel Bully Herbig immer nur eine Figur - sich selbst. Auch als Chauffeur Zettl, der anfangs die vornehmen Herrschaften durch Berlin nur kutschieren darf, bleibt Bully Herbig bei seinem hanswurstigen Rollenklischee von Winnetou bis zum Traumschiff Surprise.

    Doch Zettl will noch hoch hinaus, und er schafft es mit seiner Skrupellosigkeit auch, Chef einer neuen Online-Boulevardzeitung zu werden. Nicht zuletzt, weil er sich die meisten Gedanken um seine Gesichtsfarbe macht.
    "Muss das so braun sein?"
    "Das ist ein ganz zarter Cappuchino-Ton."
    "Kommt mir eher vor wie ein doppelter Expresso. Möchte nicht so ausschauen wie wenn ich im Bräunungsstudio gewesen wäre oder 14 Tage in Ibiza."
    "Nee, eine dat is schon wegen unserm Licht im Studio."
    "Ich möchte nicht aussehen wie Freizeit, aber auch nicht wie Superstress, verstehen Sie, was ich mein, Fräulein. Die Art von gesunder Gesichtsfarbe, vornehmer Blässe möchte ich haben, die Tatkraft und Durchsetzungsvermögen ausstrahlt, ohne dass es gleich in diesen arschgrauen Überarbeitungsteint abgleitet."

    Und dann gibt es noch Götz George als alkoholkranken Bundeskanzler, der ein bisschen an Harald Juhnke in seinen letzten Tagen erinnert. Auch Senta Berger und Dieter Hildebrandt sind wieder mit von der Partie. Damit es ein paar Sex-Szenen mehr gibt, stellt Dietl seinem Helden mit Karoline Herfurth ein weibliches Pendant namens Verena an die Seite. Sie soll mit frechem Gören-Jargon die weibliche Seite Berlins betonen.

    Doch all diese Ideen aus den Zettelkästen der Gagschreiber Dietl und Stuckrad-Barre fügen sich nicht zu einem überzeugenden Ganzen. Man kann zwar einige Male unter seinem Niveau lachen. Doch die Interesselosigkeit der Regie an den Figuren des Films, denen sie bei aller Gaudi auch ein bisschen Tiefe geben müsste, damit die Zuschauer sie mögen und verstehen könnten, treibt dem Film von Minute zu Minute die kräftigen Farben der Satire immer mehr aus.

    Zum mangelnden Spaß gesellt sich dann auch noch die ein fades visuelles Einerlei der Klischeebilder in dieser grob verunglückten Komödie. Am Ende hat dann doch Karoline Herfurth ein Einsehen und macht einen guten Vorschlag:

    "Können wir uns nicht einfach wieder anlügen, so wie früher?"