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Im großen Stil am Fiskus vorbei

Steuerhinterziehung ist in Italien weit verbreitet, sowohl beim Kleinverdiener als auch beim Großunternehmer. Das Modeunternehmen Dolce e Gabbana muss jetzt eine dreistellige Millionenstrafe für Steuervergehen zahlen. Die Kunden sehen es gelassen.

Von Karl Hoffmann | 08.04.2013
    Zu sizilianischer Volksmusik präsentieren prachtvoll gebaute Jünglinge die neueste Sommerkollektion der berühmten Modeschöpfer Dolce und Gabbana. Italienische Mode für Leute mit viel Geld. Das wiederum, kaum eingenommen, oft genug illegal ins Ausland verbracht wird. So jedenfalls das Mailänder Berufungsgericht, das den prominenten Schneidern gerade eine saftige Strafe von 343,3 Millionen Euro aufgebrummt hat. Für nicht in Italien versteuerte Gewinne. Gewaltige Steuersätze verleiten vor allem die Superreichen regelmäßig zu komplizierten Finanztransaktionen. Die Steuerfahnder durchschauen die nur mit Mühen. Nicht nur im Falle Dolce e Gabbana.

    Seit dem 13. März klebt im berühmten Juweliergeschäft Bulgari in der Nobeleinkaufsstraße Via Condotti in Rom der Kuckuck. Der weltweit drittgrößte Juwelier soll zwischen 2006 und 2011, bevor ein französischer Modekonzern die italienische Nobelmarke übernahm, etwa drei Milliarden Euro Umsatz nicht ordnungsgemäß versteuert haben. Mindestens 46 Millionen Euro will nun das römische Finanzamt erstattet bekommen und hat deshalb vorsorglich Bankkonten und Immobilien beschlagnahmt, inklusive das edle Ladengeschäft in Rom. Für die Kunden aber längst kein Grund, die möglichen Steuersünder mit einem Verkaufsboykott zu belegen.

    "Wenn mir die Sachen gefallen und ich genügend Geld habe, werde ich mir diese Sachen trotzdem kaufen. Und im Übrigen: Wer hat nicht schon einmal Steuern hinterzogen? Wer bei uns eine saubere Weste hat, war nur schlau genug, sich nicht erwischen zu lassen. In Italien fehlt es nun mal am sozialen Bewusstsein. Das hat sich bei uns so eingebürgert. Man betrügt den Staat, so gut es geht."

    Während viele kleinere Händler wegen der Krise inzwischen pleitegegangenen sind – seit Jahresbeginn haben in Italien mehr als 30.000 Läden dichtgemacht – sind die Alta-Moda-Geschäfte der oberen Preisklasse trotz der Vorwürfe gigantischer Steuerhinterziehung nach wie vor gut besucht.

    "Natürlich ist das nicht in Ordnung"," sagt die Verkäuferin.

    ""Und kommen nun weniger Kunden?"

    "Ich glaube nicht. Die Leute interessiert das nicht."

    Frage an eine Kundin:

    "Würden sie als Kundin nun die Marke wechseln, nachdem solche Betrügereien bekannt geworden sind?"

    "Ist das auch gesichert? Gibt es da schon Urteile?" lautet die erstaunliche Gegenfrage. "Was soll ich ihnen sagen?"

    "Nun, ob Sie das peinlich finden zum Beispiel."

    Da kommt die Verkäuferin zu Hilfe:

    "Natürlich nagen viele Menschen in diesem Land inzwischen am Hungertuch, aber müssen wir hier über solche unangenehme Dinge diskutieren?"

    Inzwischen vergeht kaum ein Tag, an dem nicht neue Fälle von gigantischen Steuerforderungen bekannt werden. Über Tochterfirmen in Luxemburg hatte dagegen der italienische Textilhersteller Marzotto den Verkauf der Modemarke Valentino für knapp 2 einhalb Milliarden Euro getätigt und dabei 61 Millionen Euro Steuern auf den Reingewinn gespart. Auch die will das italienische Finanzamt jetzt zurückhaben und hat deshalb schon mal Appartements, Villen und sogar ein Schloss beschlagnahmt. Unerhört, diese Steuertrickser, schimpft Emanuele Del Ros, ein kleiner Ladenbesitzer in Mittelitalien. Eine Misswirtschaft, an der seiner Meinung nach aber vor allem die Politiker schuld sind:

    "Natürlich ist eines unserer größten Probleme die Steuerhinterziehung. Vor allem große Firmen sollten ordnungsgemäß ihre Steuern bezahlen. Aber die Politiker müssen mit gutem Beispiel vorangehen. Gut, wir kleinen Händler müssen unseren Beitrag leisten genauso wie Dolce e Gabbana. Aber erst mal müssen die Politiker auf einen Teil ihrer Gehälter verzichten und all ihre finanziellen Verhältnisse offenlegen."

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