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Im Kampf gegen den Rechtsextremismus

Ende des Jahres 2000 hatte die rot-grüne Bundesregierung entschieden, den Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit und rechtsextremistische Gewalt nicht mehr ausschließlich Polizei und Verfassungsschutz zu überlassen. Sie entwickelte ein neuartiges Aktionskonzept, mit dem seither fast 5000 zivilgesellschaftliche Initiativen und Vereine in ganz Deutschland finanziert wurden.

Von Dorothea Jung | 25.11.2006
    "Es war ein Sonntag im Jahr 2001, 23 Uhr; Ich bin zur U-Bahn 5, Richtung Alexanderplatz. Kaum betrete ich die Treppen, begegne ich drei jungen Leuten, einer Frau und zwei Männern. Und dann: "Ey, dieser Bimbo hier, was will der hier überhaupt!" Ich sag: "Lass mich in Ruh gehen, weil meine Bahn kommt!" Und in dem Moment, der haut mir ins Gesicht. Und seine Freundin will mich mit der Flasche schlagen, so richtig ins Gesicht. Die Frau war besoffen, und die Flasche fällt nach unten. Und was hätte passieren können, wenn ich die auf den Kopf gekriegt hätte, ja?"

    Mouasse Minrage aus Mozambique ist noch mal davongekommen. Der Berliner Krankentransportfahrer verlor bei dem Überfall auf dem U-Bahnhof seine Uhr, aber nicht sein Leben. Der 42-Jährige machte keine Schlagzeilen wie seine Landsleute Jorge Gomondai in Dresden oder Alberto Adriano in Dessau, die bei rassistischen Übergriffen starben. Aber auch Mouasse Minrage hatte Todesangst.

    "Du bist in dem Moment Außenseiter, weil du anders aussiehst als Heinz. Auch wenn du krepierst, du bist in dem Moment auf Deutsch gesagt ein Arsch. Also: Für uns Ausländer, die andere Hautfarbe haben in Deutschland, ist es sehr, sehr gefährlich."

    Rassistische Gewalt in Deutschland. Nach Erkenntnissen der Bundesregierung nimmt sie zu. Für die ersten acht Monate dieses Jahres notiert die Statistik 20 Prozent mehr fremdenfeindlich motivierte und rechtsextremistische Straftaten als im Vorjahr. Zugenommen haben ebenfalls genehmigte Aufmärsche und Kundgebungen von Neonazis und der NPD.

    Geben wir unsere Heimat auf, so geben wir uns selber auf. Wir, die NPD, fordern den Erhalt unserer Kultur und Lebensart ...

    So klang es beispielsweise im Frühjahr dieses Jahres aus einem Lautsprecherwagen der NPD in Berlin Pankow. Dort nutzten im Stadtteil Heinersdorf Nationaldemokraten den Protest von Bürgern gegen den Bau einer Moschee für ihre Propaganda. Mit dabei: der Berliner NPD-Chef, Eckart Bräuniger.

    "Wir wollen keine Baugenehmigungen für Moscheen in Deutschland, wir wollen Heimführungsgesetze für Besucher dieser Einrichtungen, die es ermöglichen, die Ausländer wieder in die Herkunftsländer zurückzuführen."

    Mit derartigen Parolen schafften die Nationaldemokraten bei den Berliner Wahlen am 17. September den Einzug in vier Bezirksverordneten-Versammlungen. Und in Mecklenburg-Vorpommern zogen sie sogar ins Landesparlament ein. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla kommentierte diese Wahlen in einer Pressemitteilung. Darin griff er die Aktionsprogramme gegen Rechtsextremismus an, die von der rot-grünen Bundesregierung auf den Weg gebracht worden waren. Zitat:

    Es stellt sich angesichts des Wahlergebnisses der NPD tatsächlich die Frage, ob die unter Rot-Grün eingeführten Programme überhaupt die gewünschte Wirkung hatten. Alles, was Rot-Grün lieb war, muss noch lange nicht effektiv im Kampf gegen Extremismus sein.

    Rückblick: Ende 2000 hatte die rot-grüne Bundesregierung entschieden, den Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit und rechtsextremistische Gewalt nicht mehr ausschließlich Polizei und Verfassungsschutz zu überlassen. Die damalige Bundesregierung entwickelte ein neuartiges Aktionskonzept, so Roland Roth, Politologieprofessor in Magdeburg.

    "Das Neue an den Maßnahmen ist die Vorstellung, dass nicht der Staat alleine gefordert ist, repressiv oder wie auch immer, sondern dass es darauf ankommt, zivilgesellschaftliche Akteure, Bürgergruppen, Initiativen zu unterstützen und dafür Programme aufzulegen, indem man versucht, praktische Erfahrungen mit gelebter Demokratie zu stärken. "

    Die Bundesregierung finanzierte seit 2001 fast 5000 zivilgesellschaftliche Initiativen und Vereine in ganz Deutschland. Da das Haushaltsrecht des Bundes nur eine Anschubförderung von Modellprojekten in Ländern und Kommunen erlaubt, war das Geld von vornherein auf fünf Jahre begrenzt. Das heißt: Gerade in dem Moment, wo der Rechtsextremismus Stärke zeigt, würde die Bundesfinanzierung für Projekte, die ihn bekämpfen, eigentlich enden. Geschwind versicherte Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen denn auch unmittelbar nach der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern:

    "19 Millionen Euro stehen im Haushalt, wir setzen also konsequent den Kampf gegen Rechtsextremismus fort."

    Kurze Zeit später erhöhte die heutige Bundesregierung die Fördersumme sogar. Mit nun 24 Millionen Euro will sie ein neues Aktionsprogramm gegen Rechtsextremismus starten. Es soll Erfahrungen berücksichtigen, die mit dem alten Programm gemacht wurden. - Welche Erfahrungen sind das? Wie sah der Kampf der Zivilgesellschaft gegen Rechtsextremismus in den vergangenen Jahren aus? Vereinfacht gesagt kann man die zahlreichen Projekte in drei Kategorien einteilen.

    Erstens: Projekte, die den Schwerpunkt auf interkulturelles Lernen legen oder im weitesten Sinne mit politischer Bildung zu tun haben.
    Zweitens: Projekte, die Kommunen und Initiativen vor Ort bei ihrem Engagement gegen Rechts beraten.
    Und drittens: Projekte, die Opfern fremdenfeindlicher Angriffe mit Rat und Tat zur Seite stehen.


    Mouasse Minrage, der Berliner aus Mozambique, konnte zum Beispiel nach dem Überfall Hilfe finden, weil es in Berlin Kreuzberg eine geförderte Opferberatungsstelle namens 'Reach out' gibt.

    "Ich konnte nicht schlafen, ich habe diese Alpträume. Bin manchmal in der Nacht aufgestanden; das hat mir immer Wut gemacht. Und ich war in Umschulung auch noch. Mein Lehrer, der sagte: "Heh - Minrage, schlaf nicht! Hier sind Sie zum Lernen, nicht zum Schlafen!" Ich konnte aber nichts sagen; denn das war für mich peinlich. Keiner meiner Verwandten bis heute weiß das, nur die Reach out! "

    Beraterin Helga Seyb wusste, was zu tun ist: Sie begleitete Mouasse Minrage zur Polizei, vermittelte eine Anwältin, stellte Anträge nach dem Opferentschädigungsgesetz beim Landesversorgungsamt und - hörte zu.

    "Alle Leute, denen so was passiert, müssen, um das verarbeiten zu können, mit Leuten sich unterhalten, die erst mal keine Zweifel haben daran, dass das passiert ist; die auch nicht diskutieren: "Hättest du nicht", wie es die Polizei gesagt hat: "hauen Sie denen einfach eine"; ne, aber er sagt natürlich zu Recht: "Dann hätte ich da gestanden, ich als Mann, der aus Mozambique kommt, schwarz, hätte einen deutschen weißen Jugendlichen und noch dazu vielleicht eine Frau die ja auch Angreiferin war, umgehauen. Dann hätte ich sehen wollen, wie diese Gesellschaft dann und die Polizei vor allen Dingen auch damit umgeht."

    Opferberatungsstellen wie Reach out wurden in allen wissenschaftlichen Gutachten über die Projekte der rot-grünen Bundesregierung mehrheitlich positiv bewertet. Doch das bedeutet keine Bestandsgarantie für ihre Arbeit. Zwar hat Ursula von der Leyen unter dem Eindruck von Gewaltstatistik und NPD-Wahlerfolgen die Finanzierung der Projekte bis Mitte 2007 vorübergehend verlängert - aber das sei nur eine Galgenfrist, kritisiert Reach-Out-Geschäftsführerin Sabine Seyb.

    "Beratungsfälle erstrecken sich bei uns teilweise über mehrere Jahre, das hängt damit zusammen, wann werden Prozesse für die beteiligten Täter eröffnet; wann müssen die Opfer vor Gericht aussagen und so weiter und so fort; - und wir dann mit dreijährigen Beratungszeiten zu tun haben, ist natürlich ein halbes Jahr Verlängerung keine Perspektive - weder für uns als die Beratungsstelle noch für die Opfer. "

    Ursprünglich hatte die rot-grüne Bundesregierung Regierung den Plan, dass die Länder und Kommunen Zug um Zug in die Finanzierung der Projekte einsteigen. Nach fünf Jahren, wenn die Bundesförderung ausgelaufen ist, sollten sie dann das Überleben der Projekte sichern, die sich bewährt haben. Doch dieser Plan ist gescheitert, urteilt Roland Roth aus Magdeburg. Der Politikwissenschaftler hat etliche Projekte des rot-grünen Aktionsprogramms begutachtet. Vor allem konservative Landesregierungen haben sich seiner Meinung nach nur ungern an der Förderung der Projekte beteiligt.

    "Wir haben bei konservativen Regierungen das Problem, dass sie schon Angst haben, dass der Kampf gegen rechts, wie es dann heißt, einer ist, der sie auch mit berührt. Und dass natürlich diese Aktivitäten gegen rechts eher von linker Seite betrieben werden, so dass so eine Regierung Angst hat, sie fördern den politischen Gegner."

    Doch der Mangel an finanziellem Engagement war keinesfalls auf konservativ regierte Länder beschränkt. Das rot-rot-regierte Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel - also das Land, das jetzt die NPD im Parlament sitzen hat - stieg erst 2003 in die Projektförderung ein, nachdem die Regierung Schröder eine Ko-Finanzierung der Länder zur Voraussetzung für Projektmittel gemacht hatte. Bis heute steuert Mecklenburg-Vorpommern gerade mal ein Fünftel des Geldes bei. Zum Vergleich: Das Land Berlin liegt zur Zeit bei 50 Prozent. Aus den Tabellen mit den Fördersummen der einzelnen Projekte, die dem Deutschen Bundestag vorlagen, gehen zwei Erkenntnisse hervor: Dass die Projekte gegen Rechtsextremismus vor dem finanziellen Aus stehen, hat viel mit der mangelnden Bereitschaft der Landesregierungen zu tun, Gelder auch dann zu bewilligen, wenn der Bund nichts mehr dazu gibt. Und die Finanzierungsbereitschaft der Landesregierungen hatte nur selten mit der Qualität der Projekte zu tun.

    Blicken wir noch einmal nach Berlin Pankow. Dort schürt die NPD einen Konflikt zwischen der islamischen Ahmadia-Gemeinde, die im Pankower Ortsteil Heinersdorf eine Moschee bauen will, und vielen Bürgern im Kiez.

    "Ick meine, es ja besser, wenn sie ihre Moschee da haben, wo sie wohnen, nicht? Ich finde, die gehört da nicht hin! Das sind doch alles kleine Häuser, hübsche Häuser, die verlieren doch alle an Wert, wenn da so 'ne Moschee hinkommt. Wir sind hier Deutsche, und wir möchten auch Deutsche bleiben, und mit dem Islam möchten wir nichts zu tun haben. Also, ich hab nichts gegen Ausländer oder so, aber, ich find so: Pankow ist so das einzigste Viertel so, wo halt nicht so viel sind, und die Kriminalität auch nicht so viel ist, deswegen find ich jetzt nicht, dass hier unbedingt in Pankow noch ne Moschee her muss. "

    "Nachdem es auf einer Bürgerversammlung zu tumultartigen Szenen gekommen war, haben wir uns eingeschaltet", erzählt Ann Sophie Susen vom Berliner Beratungsprojekt "Ostkreuz". Zunächst habe das Beratungsteam nach Heinersdorfer Bürgern gesucht, die den Moscheebau nicht vehement ablehnen.

    "Daraufhin haben wir dann mit denen zusammen überlegt, dass man eben einen Gesprächskreis vielleicht mal anbieten könnte, da haben wir dann auch Vertreter der Bürgerinitiative gegen den Moscheebau eingeladen sowie Vertreter der Ahmadia-Gemeinde. Und dann in regelmäßigen Abständen sind wir in diesen Runden zusammengekommen, um die einzelnen Themen, was die Bürger vor Ort an Vorbehalten, Befürchtungen haben, zu diskutieren und dabei auch Vorbehalte und Vorurteile abzubauen. "

    Über den genauen Inhalt der Gespräche wurde Stillschweigen vereinbart; mittelfristiges Ziel ist, den Beteiligten ein differenziertes Verständnis von der Haltung der jeweiligen Gegenseite zu ermöglichen. Langfristiges Ziel: Verhindern, dass die NPD aus den Vorurteilen der Bürger weiterhin Kapital schlägt. - Das mobile Beratungsteam Ostkreuz wird nicht nur von sich aus aktiv, manchmal werden die Sozialarbeiter und Pädagogen auch gerufen. Im Berliner Bezirk Lichtenberg zum Beispiel hatten Neonazis das Gebiet um den S-Bahnhof zur "No-Go-Area" für Punker und Ausländer erklärt. Daniel Tietze, Bezirksverordneter der PDS Lichtenberg, berichtet, daraufhin hätten Bezirksverordnete aus allen demokratischen Parteien beschlossen, den Sachverstand des mobilen Beratungsteams Ostkreuz zu nutzen. Gemeinsam mit dem Team entwickelte die Kommune Strategien für die Problemzonen im Viertel.

    "Der Vorplatz des Einkaufszentrums ist umgestaltet worden, es war für die meisten nicht mehr möglich, sich auf irgendwelche Bänke hinzupflanzen; die dunklen Bereiche des Vorplatzes sind geräumt worden, auf der anderen Seite gab es halt von den jungen Leuten selbst organisierte Veranstaltungen, in dem sie ihre Erfahrungen, die sie dort erlebt haben als Opfer sowie auch ihre eigenen Vorstellungen von Leben darstellen konnten. Und das hat den jungen Leuten natürlich auch den Rücken gestärkt, in diesem Gebiet zu bleiben und dort Präsenz zu zeigen. "

    Mobile Beratungsteams schnitten in den Evaluationsberichten der Modell-Projekte ebenfalls in aller Regel gut ab, sagt Projektgutachter Roland Roth.

    "Diese Stoßrichtung, Zivilgesellschaft zu starten und zu aktivieren, war richtig. Sie haben natürlich einen Knackpunkt: Wie steht's eigentlich mit den Institutionen, ziehen die mit? Und da ist unser Eindruck, dass die Institutionen oft nicht mitziehen, und da ist vieles im Argen."

    Ohne Verwaltungen und Behörden, die mit den zivilgesellschaftlichen Initiativen und Vereinen an einem Strang ziehen, kann der Kampf gegen Rechtsextremismus nicht erfolgreich geführt werden, sagt Roland Roth. Der Politikwissenschaftler nennt ein Beispiel:

    "Wenn Sie mit einer, in einer Runde mit Asylbewerbern über ihre Erfahrungen diskutieren, wo sie Angst haben, Opfer zu werden, dann werden Sie nicht an erster Stelle rechts orientierte Jugendgruppen genannt bekommen, sondern die Ausländerbehörde. Unsere Erfahrung ist, dass diese institutionelle Achillesferse, wie demokratisch sind unsere Institutionen, dass dies eigentlich die große Frage ist und dass man daran weiter arbeiten muss. "

    Ein Urteil, das sich mit kleinen Unterschieden auch auf die dritte Kategorie der Projekte des rot-grünen Aktionsprogramms anwenden lässt - die interkulturellen Lern- und Begegnungsprojekte.

    Ortswechsel: ein Klassenzimmer im brandenburgischen Schwanebeck. Schüler und Schülerinnen der achten Klasse haben sich im Kreis aufgestellt und üben Tanzschritte. Ilhan Emirli feuert die Jugendlichen an.

    "Das ist ein Kreistanz, die auch von Israel bis Griechenland getanzt werden. Und sie werden natürlich bei den Feierlichkeiten wie Hochzeiten usw. getanzt. "

    Ilhan Emirli kommt aus der Türkei und arbeitet als Streetworker in Berlin. Der 40-Jährige wurde der Klasse von einem interkulturellen Begegnungsprojekt vermittelt. Nach dem Tanz mit den Schülern diskutiert die Klasse mit Ilhan Emirli über Musikgeschmack, Anpassung und Toleranz.

    "Musik, sagen wir. Phillip. Wenn ich mich an dir anpassen soll, welche Musik soll ich dann hören? Rap-Musik und so. Und du? Alles. Ich suche eine Orientierung - an wen soll ich mich anpassen - an dir? Wegen der Musik, da muss der Ausländer sich doch nicht anpassen. Ist ja sein Leben. Da haben wir Deutschen nichts drin zu entscheiden."

    Ilhan Emirli dient der Klasse als Spezialist für Migrationsfragen: Interessiert befragen ihn die Schüler nach seinen Erlebnissen als Einwanderer. Und er fragt sie nach ihren Erfahrungen mit Migranten. Das ist das Konzept dieses Projektes. Es nennt sich "Moderne Zeitzeugen - Besuche im anderen Leben".

    "Es handelt sich dabei um ein Austauschprojekt zwischen Brandenburger Jugendlichen und Menschen mit Migrationshintergrund, die in Berlin leben. In Brandenburg ist ein Migrantenanteil von, glaub ich, unter zwei Prozent; das heißt, Begegnung findet ganz selten statt. Und es war die Idee, man sollte diese Begegnung ermöglichen. "

    Allison Schmidt managt das Projekt. Sie kommt aus den USA und lebt seit zehn Jahren in Deutschland. Allison Schmidt freut sich über das Interesse der Jugendlichen aus Schwanebeck. Das sei keinesfalls die Regel, sagt sie. Obwohl die Projektmanagerin an jede interessierte Schule in Brandenburg immer ausführliches Vorbereitungsmaterial verschickt, müssen die eingeladenen Experten in vielen Klassen bei Null anfangen.

    "Wenn man ankommt mit einem Spezialisten, der aus Israel kommt, und viele Familien von ihm umgebracht wurden in Polen und Ungarn und so weiter, und der stellt fest: Holocaust ist kein Begriff, das macht einen einfach total traurig. Und wie behandelt man den Holocaust innerhalb von einer Stunde oder drei Stunden? Das heißt: Wir sind davon ausgegangen, dass bestimmte Sachen in der Schule einfach unterrichtet worden sind, und das war überhaupt nicht der Fall. "

    Auch für Allison Schmidts Projekt "Moderne Zeitzeugen- Besuche im anderen Leben" gilt, was man in den Gutachten über alle geförderten Projekte lesen kann: Die Aktivitäten waren um so erfolgreicher, je besser sie in vorhandene Strukturen eingebettet waren und je intensiver sich die Institutionen daran beteiligt haben. Das betont auch Christdemokrat Hermann Kues, der Staatssekretär im Bundesfamilienministerium.

    "Man kann nachweisen, dass sich dort Aktivitäten entwickeln, in den konkreten Orten, in den konkreten Stadtteilen, wenn dort auch diese Projekte mitgetragen werden. Also, diese Projekte, die von oben eingeflogen werden, die nicht verankert sind, die tun sich schwer, man kann des weiteren feststellen, dass es 'ne Qualifizierung gegeben hat, das heißt, dass Menschen befähigt worden sind, mit Radikalismus umzugehen. "

    Das neue Programm gegen Rechtsextremismus hat drei Schwerpunkte. Ein Teil der Gelder wird wie bisher in überregionale Modellprojekte fließen. Aus einem zweiten Topf soll ein bundesweit agierendes mobiles Beratungsteam finanziert werden. Hier soll der in den letzten fünf Jahren entwickelte Sachverstand der bestehenden Teams einen Platz haben. Die Teams werden sowohl für die Opferberatung zuständig sein als auch für das Coaching von Kommunen und Behörden. Mit dem größten Anteil des Geldes schließlich zieht die Bundesregierung eine Konsequenz aus den Erfahrungen der auslaufenden Projekte: Mit diesem Geld werden nämlich allein Projekte finanziert, die im Rahmen eines lokalen Aktionsplanes agieren. Antragsteller sind dann nicht allein zivilgesellschaftliche Gruppen - sondern lokale Ausschüsse, in denen Vertreter der Kommunen und der Initiativen sitzen. Was nach Meinung von Fachleuten nur dann funktionieren wird, wenn in den Kommunen Lokalpolitiker das Sagen haben, die sich als Teil der Lösung begreifen und nicht Teil des Problems sind.