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Im Schatten des großen Bruders Google

Als Google Autos durch Deutschland schickte, um Fotos für seinen Straßenbilderdienst zu schießen, regte sich das ganze Land auf. Derzeit sind ähnliche Autos unterwegs, die für das Microsoft-Pendant "Streetside" fotografieren. Widerstand regt sich kaum, obschon am 30.September die Einspruchsfrist abläuft.

Philip Banse im Gespräch mit Ursula Mense | 27.09.2011
    Ursula Mense: Wenn man bei Google "Streetside" eingibt, erfährt man einiges über das eher unbekannte Pendant zu "Streetview" von Google. Mehr Sinn macht es natürlich "Streetside" über Bing zu goog.., ääh nein, das müsste ja eigentlich neudeutsch "bingen" heißen, oder so ähnlich. Aber das dürfte sich noch nicht so schnell durchsetzen. Tatsache ist: Streetside ist bei Bing von Microsoft das, was Streetview bei Google ist. Nur, so scheint es - weniger umstritten. Denn als Google Autos durch Deutschland schickte, um Fotos für seinen Straßenbilderdienst zu schießen, regte sich bald das ganze Land auf. Jetzt fahren ähnlich aussehende Autos durch die Gegend und keiner guckt hin. Am 30.September läuft die Frist aus, bis zu der man Einspruch erheben kann, gegen – zum Beispiel das eigene Haus im Netz. Was genau ist Streetside?

    Philip Banse: Streetside ist ein Produkt von Microsoft, das Straßenansichten in 3D zeigt, also letztlich genau wie Streetview von Google: Man ruft die Karte von Microsofts Suchmaschine Bing auf und kann sich dann in die Straße rein versetzen und sich umsehen, als stünde man eben mitten auf dieser Straße. Streetside von Microsoft gibt es derzeit in den USA, aber es soll eben bis November, Dezember auch in Deutschland kommen.

    Mense: Wie ist der Stand bei Streetside im Augenblick? Schon alles abfotografiert?

    Banse: Nein, seit Mai fahren Autos durch deutsche Städte, fotografieren die Häuserfassaden vieler deutscher Städte. Diese Autos sollen noch ein Jahr lang durch Deutschland fahren, aber schon Ende des Jahres will Microsoft erste Bilder von deutschen Fassaden in Streetside veröffentlichen.

    Mense: Deshalb ist der Stichtag der 30.9. Wer kann denn nun überhaupt wo und bis wann Einspruch erheben und wie geht das?

    Banse: Widerspruch vor der Veröffentlichung einlegen kann man bis zum 30.9., also bis Freitag. Um sein Haus, seine Wohnung unkenntlichen machen zu lassen, muss man ein Formular von Microsoft ausfüllen. Dieses Formular gibt es zum einen im Internet unter:

    Das Widerspruchsformular von Microsoft gegen Streetside im Internet

    Man kann sich das Formular aber auch zuschicken lassen. Dazu muss ein Brief mit Rückadresse geschickt werden an:

    Microsoft Deutschland GmbH
    Widerspruch Bing Maps Streetside
    Postfach 101033
    80084 München

    Vor einem Monat waren gut 40.000 Einsprüche eingegangen – das ist nur ein Bruchteil der weit über 200.000 Einsprüche, die bei Google wegen Streetview eingegangen waren.

    Mense: Der Unterschied ist beträchtlich, die Zahlen sprechen für sich. Wie kommt das?

    Banse: Mehrere Gründe. Zum einen ist Microsoft nicht das Feindbild wie die vermeintliche Datenkrake Google. Markus Beckedahl von der "Digitalen Gesellschaft", einem Verein, der sich für Bürgerrechte im Netz einsetzt, sagt aber, die Deutschen hätten durch Google Streetview einfach gemerkt, dass es mehr Vor- als Nachteile bringt, wenn alle Straßen im Internet begehbar sind:

    "Viele haben gesehen, dass diese Art, Realität im Internet abzubilden, Straßenzüge in 3D zu zeigen, auch einen praktischen Vorteil hat, etwa, wenn man ein Hotel für den Urlaub sucht. Und deswegen gibt es jetzt beim Nachzügler Microsoft Streetside weniger Aufregung."

    Das will auch Microsoft in Studien herausgefunden haben.

    Mense: Sollten Bing und Streetside nun doch allmählich bekannter werden und immer mehr User auch nach dem 30.9. finden: Haben die dann Pech gehabt oder können die auch später noch Einspruch erheben?

    Banse: Ja, das ist nach der Veröffentlichung im Internet jederzeit möglich. Gesichter, Nummernschilder, Gewaltszenen und Nackte sollen automatisch von einer Software auf den Bildern erkannt und unkenntlich gemacht werden. Wer darüber hinaus Dinge unkenntlich machen will, hat es nicht schwer, sagt Thomas Baumgärtner von Mircosoft:

    "Die Leute gehen einfach auf das Objekt drauf, sodass sie es sehen. Dann klicken sie auf ein kleines Fragezeichen im Bild und es öffnet sich ein Fenster, dort gibt es einen Dialog "Problem melden". Dort kann man mit der Maus dann direkt auf das Objekt ein rotes Rechteck zeichnen, das man in Größe und Form verändern kann. So kann man genau den Bereich markieren, den man verpixelt, unkenntlich gemacht haben möchte. Dann wird eine Email geöffnet und da schreibt man einfach rein: Bitte verpixeln. Das Einzige, was wir da haben wollen, ist eine Email-Adresse für Rückfragen. Ansonsten braucht sich da niemand identifizieren."

    Drei bis vier Tage Bearbeitungszeit brauche man, um solche Einsprüche nach der Veröffentlichung zu berücksichtigen. Es kann also jeder verpixeln lassen, was er will. Microsoft rechnet damit, dass es Konflikte geben wird - etwa zwischen dem Pizzabäcker im Erdgeschoss, der auf Streetside zu sehen sein will, und dem Mieter im ersten Stock. In einem solchen Fall will Microsoft die beiden Parteien zusammen bringen und vorschlagen: Pizzeria bleibt sichtbar, erster Stock wird verpixelt.

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