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Im Schließfach der Welt

Einst Hafen für das eine oder andere ausländische Vermögen, kämpft die Schweiz um den guten Ruf ihres Bankensystems. Das Bankengeheimnis ist zum Synonym für dunkle Geldgeschäfte geworden - und selbst die Banker bekommen Gewissensbisse.

Von Tom Schimmeck | 31.08.2012
    "Also das ist eine Münzprägetechnik, wie sie so bis ins 16. Jahrhundert benutzt wurde. Wir haben hier einen Schrötling, eine Rondelle, die legt man hier rein. Runterlassen Festmachen."

    Geld war immer da. In den Vitrinen des Zürcher "Moneymuseum" kann man bestaunen, was auf Erden schon alles als Zahlungsmittel galt: Muscheln, Schnecken, Perlen, Zähne von Walen und Hunden, Patronen, Speere, Kakaobohnen, Teeziegel, Salz und vieles mehr.

    "Mit dem Hammer einmal feste in die Mitte drauf. Und dann haben sie hier einen Groschen von Zürich aus dem 16. Jahrhundert."

    Fragt sich, welches Gewicht das in der Schweiz geparkte Auslandsvermögen wohl in Zürcher Groschen auf die Waage bringen würde. Es wird auf über zwei Billionen – also 2000 Milliarden – Franken geschätzt.

    "Deutschland fordert, fordert, fordert, und die Schweiz darf jetzt nicht mehr weiter nachgeben."

    "Das beste wäre, wenn das Abkommen nicht zustände käme."

    "Das Nachbarland wäre gut beraten, diese Chance zu nützen."

    Die offizielle Schweiz gibt sich empört. Über all die bösen ausländischen Mächte, die der Schweiz und ihrem Bankgeheimnis an den Kragen wollen. Die größte Partei im Parlament, die rechtspopulistische SVP, hält Abkommen ohnehin für Verrat. Doch wie sollen andere Staaten ohne ein Reglement mit der Schweiz an Abgaben ihrer Steuerflüchtlinge kommen?

    "Das ist nicht unsere Sorge. Das ist nicht unsere Sorge! Der Staat muss schauen, dass er ein Verhältnis hat zu dem Bürger, dass er die Steuern bezahlt."

    Der Rechtspopulist Christoph Blocher, Spiritus rector der SVP.

    "Wir setzen auf die Länderkammer in Deutschland, weil die sagen ja wenigstens: Sie wollen es nicht."

    All die scharfe Rhetorik kann nicht überdecken, dass die Selbstzweifel in der Schweiz wachsen. Mühsam und oft widerwillig hat die Nation ihre historische Rolle als Geldversteck aufgearbeitet.

    "Hitler war verrückt, aber doch nicht so verrückt, seinen eigenen Bankier anzugreifen."

    Seit Jahren steht nun die Neuzeit auf dem Lehrplan. Man spürt: Die Geduld der Welt mit den Offshore-Geldspeichern geht zu Ende. Die versteckten Reichtümer sind so enorm, dass vielen Regierungen der Kragen platzt. Zumal in Zeiten knapper Kassen. Der Druck, prophezeit Oswald Grübel - Ex-Chef beider Schweizer Großbanken UBS und Credit Suisse - wird weiter wachsen.


    "Angesichts einer sich entwickelnden Wirtschaftskrise kommt dieser Druck und wird sich dieser Druck erhöhen. Weil dann ist Steuerhinterziehen verpönt. In einem boomenden, wachsenden Markt ist das eine andere Sache, da wird es weniger wichtig angesehen, weil man beschäftigt ist und alle verdienen Geld."

    Der Schweiz dämmert: So geht es nicht weiter. Selbst in der Schweiz habe das Banker-Image enorm gelitten, sagt Sabina Gasser vom Bankenpersonalverband in Zürich:

    "Bis vor Kurzem war eigentlich der Bankier in der Schweiz ein sehr angesehener Berufsstand. Es wurde von der Gesellschaft auch irgendwo getragen, auch das Bankgeheimnis. Das hat sich jetzt in den letzten Monaten oder zwei, drei Jahren wirklich massiv sehr verändert und da sehen sich die Bankiers schon mit einer neuen Situation konfrontiert."

    Das Schweizer Bankkonto ist zum Synonym für dunkle Geldgeschäfte geworden. Egal, ob in Pakistan der Premier gefeuert oder in den USA Wahlkampf geführt wird, der schlimmste Vorwurf lautet: Da hat einer ein Konto in der Schweiz.

    "... it's just what you'd expect from a guy who had a swiss bank account."

    Man will jetzt sauber sein. Die Regierung propagiert eine "Weißgeldstrategie". Sie weiß: Sie kann die Restwelt nicht ewig hinhalten. Auch in Frankreich, Italien, ja selbst in Indien ist Steuerflucht ein Thema. Einige Banken haben, gegen alle heiligen Prinzipien, Unterlagen über ihre Kunden an US-Behörden weitergegeben. Die Banker lähmt der Konflikt. Der ewige Lärm ist schlecht fürs Geschäft. Schon gibt es Stellenstreichungen. Pessimistische Prognosen rechnen mit bis zu 20.000 Entlassungen im Schweizer Bankwesen. Die Bankangestellten beginnen, zu zweifeln. Sogar an der wunderbaren Bonuskultur, sagt Sabina Gasser:

    "Am Anfang findet man das ja auch noch toll, wenn man selber davon profitiert. Aber jetzt, je länger, je mehr, merke ich auch, dass die Mitarbeiter da nicht mehr bereit sind, dafür zu stehen, weil sie es wirklich auch nicht mehr vertreten können."

    Für böses Blut unter den Bankiers sorgt der Umstand, dass ihre Chefs nun auch die Namen von 11.000 ihrer Bank-Mitarbeitern an die US-Behörden gemeldet haben. Weshalb Bankangestellte nun zittern. Viele reisen seither nicht mehr. Aus Angst vor Verhör und Verhaftung. Die Oase wird zum Gefängnis.

    "Das eine ist natürlich in die USA. Da raten wir schon in vielen Fällen eigentlich davon ab, wenn jetzt wirklich US-Kunden auch betreut wurden. Und je nach Fall gibt's natürlich auch die Reisebeschränkung sogar, dass man die Schweiz eigentlich besser gar nicht mehr verlassen soll."