Dienstag, 23. April 2024

Archiv


Im Spannungsfeld von Datenschutz und Sicherheit

Internet.- Innenminister Thomas de Maizière hat heute zu einer Diskussionsveranstaltung eingeladen, bei der es um die Perspektiven deutscher Netzpolitik ging. Neue Gesetze brauche es für ein besseres und sichereres Internet kaum, erklärte der Minister sinngemäß.

Von Mario Dobovisek | 22.06.2010
    Internet-Nachhilfe gab es seit Jahresbeginn für den Bundesinnenminister – auf vier Treffen mit netzpolitischen Experten. Am Ende bleibt die Erkenntnis - ohne das Internet geht es nicht. Lange genug habe die Politik das weltweite Gewebe ignoriert, unterschätzt und bloß bestaunt, so Thomas de Maizière.

    "Ich denke die Zeit des Staunens über das Internet muss jetzt vorbei sein."

    Handeln will der CDU-Politiker, spricht von einem neuen Ordnungsrahmen der Netzpolitik. Im Spannungsfeld von Datenschutz und Sicherheit. Neue Gesetze braucht es dazu kaum, betont de Maizière.

    "Wo Regelungslücken bestehen, können wir häufig Analogien bilden, um auf die Wertung des bestehenden Rechts zurückzugreifen. Wir müssen unsere Rechtsordnung wegen des Internets nicht komplett neu erfinden."

    Mit Augenmaß solle die Politik die digitale Welt regulieren – entwicklungsoffen und technikneutral. Nicht allein gemünzt auf einzelne Technologien wie etwa das Internet. An der Vorratsdatenspeicherung hält der Minister jedoch fest, der Wegfall von gespeicherten Verbindungsdaten würde eine zu große Lücke in die Gefahrenabwehr reißen, warnt der Minister. Jeder Nutzer soll am Ende im Internet erkennbar sein.

    "Eine schrankenlose Anonymität kann es auch im Internet nicht geben. Deshalb brauchen wir eine vernünftige Balance zwischen Anonymität und Identifizierbarkeit."

    Kritik übt Constanze Kurz vom Chaos Computer Club. Das Internet basiere auf dem Grundsatz von Freiheit und Anonymität:

    "Wenn ich morgens mein Haus verlasse und mich in den öffentlichen Raum begebe, dann kann ich dies anonym tun. Warum sollte es im Netz anders sein? Das heißt, es bleibt eine Forderung, die Vorratsdatenspeicherung endlich in den Orkus der Geschichte zu werfen."

    Mehr Aufklärung fordert der Minister, etwa im Umgang mit persönlichen Daten in Foren und sozialen Netzwerken wie Facebook oder StudiVZ. Klatsch und Tratsch offline am Kaffeetisch seien zunächst nichts anderes als online im Internet. Doch was einmal im Netz landet, das bleibt – möglicherweise für immer. Dem Netz das Vergessen beibringen, das will Thomas de Maizière.

    "Ziel wäre ein digitales Radiergummi oder ein Verfallsdatum, das ich an meine Daten anbringen kann."

    Jeder Nutzer soll über seine Daten bestimmen können. Eine Forderung, die der Bundesdatenschutz-Beauftragte Peter Schaar ausdrücklich begrüßt.

    "Wir müssen versuchen, einem Medium, das auf die Ewigkeit angelegt ist, trotzdem menschliche Züge zu verpassen."

    Nämlich das Vergessen.

    Das Internet vergleicht de Maizière inzwischen mit Wasser und Strom – die Politik müsse deshalb eine Grundversorgung aller Bürger sicherstellen. Den staatlichen Einfluss will de Maizière auf ein Mindestmaß beschränken. Dennoch erwägt er eine Erlaubnispflicht oder Verbote für bestimmte unseriöse Onlinedienste wie anonyme Kreditvermittler. Die Internetanbieter will er stärker in die Pflicht nehmen – sie sollen haften, etwa für das Verbreiten von Computer-Viren. Der Branchenverband Bitkom lobt die 14 netzpolitischen Thesen (PDF-Dokument) des Innenministers als allerersten strategischen Ansatz der Bundesregierung. Bitkom-Geschäftsführer Bernhard Rohleder warnt jedoch vor Alleingängen:

    "Wenn wir anfangen, Unternehmen in Deutschland und auch Verbraucher in Deutschland Regularien zu unterziehen, die sie im internationalen Wettbewerb behindern, dann wird es heißen, dass die Unternehmen ins Ausland ausweichen. Das kann nicht Sinn und Zweck der Internetpolitik sein."

    Hand in Hand mit seinen internationalen Partnern will Innenminister de Maizière vorgehen, dennoch, so unterstreicht er, könnte ein starker Datenschutz in Deutschland am Ende auch ein Standortvorteil sein.