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Immer mehr Stress am Arbeitsplatz

Termine, E-Mails, Anrufe: Immer mehr Arbeitnehmer klagen über steigende psychische Belastungen am Arbeitsplatz. Das geht aus dem jetzt vorgelegten Stressreport hervor. Arbeitgeber und Gewerkschaften streiten über Auswege aus der Misere.

Von Gerhard Schröder | 29.01.2013
    Der Stress am Arbeitsplatz nimmt zu. Jedenfalls empfinden das viele Beschäftigte so. 43 Prozent von ihnen gaben an, dass die psychischen Belastungen in den vergangenen beiden Jahren zugenommen haben. Das geht aus dem Stressreport 2012 hervor, den die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin heute vorgelegt hat. Ein wichtiger Stressfaktor ist dabei der große Termin- und Zeitdruck, unter dem viele arbeiten müssen. Jeder zweite Befragte klagte darüber. Knapp 60 Prozent sehen das gleichzeitige Erledigen von verschiedenen Aufgaben als Belastung an. Keine Seltenheit sind auch überlange Arbeitszeiten von 48 Stunden pro Woche und mehr. Auch das ein Faktor, der krank machen kann, sagte Isabel Rothe, die Präsidentin der Bundesanstalt:

    "Schlafstörungen, Nervosität, körperliche und emotionale Erschöpfung. Dass das ein Schwerpunkt sein muss für Gesundheitsförderung im Betrieb – solche überlangen Arbeitszeiten dauerhaft zu vermeiden – ist vor diesem Hintergrund sehr klar."

    Unter Stress am Arbeitsplatz leiden Beschäftigte in allen Branchen, in modernen IT-Betrieben wie in traditionellen Industriefirmen, Ingenieure wie einfache Arbeiter. Aber nach wie vor falle es vielen schwer, über Angstzustände und Schlaflosigkeit zu reden. Wir müssen das Thema aus der Tabuzone holen, müssen endlich darüber reden, sagte von der Leyen. Denn der Handlungsbedarf ist groß:

    "Wir haben eine zu geringe Zahl an Betrieben, die aktiv präventiv tätig ist. Nicht aus schlechter Absicht, sondern aus Unwissenheit und Hilflosigkeit: Was kann ich denn eigentlich tun?"

    Dabei verursacht Stress am Arbeitsplatz gewaltige Kosten. 59 Millionen Arbeitsstunden seien im vergangenen Jahr wegen psychischer Erkrankungen ausgefallen, 80 Prozent mehr als vor 15 Jahren. Kostenpunkt: sechs Milliarden Euro, so von der Leyen, nicht einberechnet seien dabei die Ausgaben für die medizinische Behandlung. Mit 41 Prozent sind psychische Erkrankungen inzwischen auch Ursache Nummer eins für Frühverrentungen. Höchste Zeit also, dass die Unternehmen das Thema ernst nehmen:

    "Das kostet richtig viel Geld. Und ein Unternehmen, das in sich schlecht aufgestellt ist – von den Abläufen aber auch vom Klima, wird auf die Dauer nicht überleben."

    Auch die Gewerkschaften drängen darauf, dass mehr getan wird gegen Stress am Arbeitsplatz. Sie fordern eine Anti-Stress-Verordnung der Bundesregierung, um die Arbeitgeber zu entschlossenerem Handeln zu bewegen. Daraus wird aber vorerst nichts, denn Bund, Arbeitgeber und Gewerkschaften konnten sich nicht auf eine gemeinsame Erklärung einigen. Eine Verordnung mache aber nur Sinn, wenn die Inhalte geklärt seien, sagte von der Leyen.

    "Nur den Namen darüber – Anti-Stress-Verordnung – und dann hat man das Thema gelöst, das ist es nicht! Sondern wir müssen tatsächlich – und mit wir meine ich Bund, Länder, Versicherungen aber auch Sozialpartner – gemeinsam den Inhalt klären, den es gegebenenfalls in einer Verordnung zu regeln gelte."

    Von der Leyen bedauerte das Scheitern, für das die Gewerkschaften die Arbeitgeber verantwortlich machten. Sie hätten den bereits fertig abgestimmten Entwurf durch massive Änderungsvorschläge platzen lassen, sagte IG-Metall-Vorstand Hans-Jürgen Urban.