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Immobilie ist nicht gleich Immobilie

Grundstücke in Deutschland werden immer noch nach Einheitswerten aus dem vorigen Jahrhundert besteuert. Der Bundesfinanzhof hat dies in kritisiert und eine Neuregelung angemahnt. Das hat Auswirkungen für Immobilienbesitzer, Mieter – und für die Kommunen.

Von Constanze Hacke | 12.08.2010
    Grundsteuer bezahlt in Deutschland eigentlich jeder: der Hausbesitzer direkt an die Stadt, der Mieter über die Umlage der Betriebskosten an seinen Vermieter. Die Grundlage für die Grundsteuer ist allerdings ziemlich verstaubt: Die sogenannten Einheitswerte, und damit die Basis der Berechnung, stammen im Westen aus dem Jahr 1964, in Ostdeutschland werden sogar Zahlen von 1935 herangezogen. Das ist nicht realitätsgerecht, entschied nun der Bundesfinanzhof. Mehr noch: Das oberste deutsche Finanzgericht stört sich an der gesamten Systematik der derzeitigen Grundstücksbewertung. Der Kölner Steuerberater Robert Spitzner erläutert die Kritikpunkte des Gerichts:

    "Der Ansatzpunkt des BFH liegt in mehreren Punkten: Erstens, die Bautechnik ist eine andere als jetzt im Jahre 2010. Es gibt mittlerweile Gebäudearten, Herstellungsformen, die es damals gar nicht gab. Insofern habe ich da erhebliche Probleme zurückzurechnen. Und das Ganze berücksichtigt in keinster Weise innerhalb einer Gemeinde die Veränderung der Werte. Wenn ich jetzt mal Köln als Beispiel heranziehe, egal, in welchem Stadtteil ich mich befinde: Der Wert der Immobilie hat nichts damit zu tun, wie ist das Umfeld. Das ist von einem Verkehrswert natürlich absolut weit entfernt."

    Der Bundesfinanzhof hat nun eine Reform daher dringend angemahnt und einen Warnschuss in Richtung Gesetzgeber abgegeben, was die Einheitswertbescheide nach dem 1. Januar 2007 anbetrifft. Dabei müssten die Einheitswerte eigentlich schon jetzt alle sechs Jahre regelmäßig aktualisiert werden. Dazu sind die Finanzämter schon rein personell gar nicht in der Lage. Jetzt jedoch könnte der Gesetzgeber gezwungen sein zu handeln. Mit Konsequenzen für Immobilienbesitzer und Mieter gleichermaßen, wie Robert Spitzner erklärt:

    "Das eine ist die Lage des Grundstückes, und wie dieser tatsächliche Wert berücksichtigt wird und auf jeden Fall das Alter eines Grundstückes. Bislang gibt es keine Möglichkeit, einen Altersabschlag vorzunehmen – heißt auch, wie viel Geld wurde im Verlauf der Zeit in dieses Gebäude reingesteckt. Wenn das umgesetzt würde, würde das bedeuten, dass Gebäude, die niedrigerpreisig sind, im Endeffekt auch mit einem niedrigeren Maß an Grundsteuer besteuert werden müssten – und neuere Gebäude müssten mit mehr Grundsteuer belastet werden."

    Die Finanzminister von Bund und Ländern wollen sich im Herbst mit der Grundsteuer beschäftigen. Das heißt aber trotzdem noch nicht, dass sich die Höhe der Grundsteuer für den Einzelnen künftig erheblich ändern wird. Denn die Grundsteuer wird in zwei Stufen erhoben: Erst ermitteln die Finanzämter die jetzt als zu niedrig kritisierten Einheitswerte. Dann multipliziert jede Kommune diesen Wert mit ihrem Hebesatz, der von Stadt zu Stadt unterschiedlich ist. Da die Städte und Gemeinden unter ständigen Geldsorgen leiden, ist mit einer generellen finanziellen Entlastung nicht zu rechnen. Jedoch könnte sich die Grundsteuerlast verschieben: Weg von älteren Immobilien hin zu neuwertigeren Grundstücken und Häusern. Robert Spitzner:

    "Dass die einzelnen Kommunen sicherlich dann darüber nachdenken, ob man dann im Zuge dieser Umstellung versuchen könnte, das Steueraufkommen zu erhöhen, das ist sicherlich außer Frage, das wird passieren. Allerdings kommt es dann darauf an, inwieweit sich das die Gemeinde erlauben kann. Denn die Grundsteuer gehört zu den Kosten, mit denen der Hauseigentümer oder der Mieter belastet ist. Da stellt sich die Frage, wie teuer ist Wohnen. Und wenn ich das Ganze zu teuer mache, dann sorge ich im Endeffekt für Wegzug."

    Mieter und Hausbesitzer müssen also künftig noch mehr darauf achten, was bei Immobilien als Grundregel gilt: Lage, Lage und noch mal Lage. Eines ist sicher: Das Mieten und Kaufen in besseren Gegenden dürfte bald noch teurer werden.