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Immunforschung
Mobbing unter Rhesusaffen und die Folgen

Sozialer Druck beeinflusst das Immunsystem. Zumindest bei Rhesusmakaken-Weibchen. Das haben britische Forscher herausgefunden. Je nach Status waren die Tiere an- oder unanfälliger für Krankheitserreger. Eine Beobachtung, die mit Blick auf den Menschen einige interessante Fragen aufwirft.

Von Christine Westerhaus | 25.11.2016
    Zwei Rhesusaffen (Macaca mulatta) mit ihren Jungen sitzen auf einer Mauer, wobei sich das eine Tier der Fellpflege des anderen widmet, aufgenommen am 24.09.2007 in Kathmandu, der Hauptstadt von Nepal. Im Hinduismus, der Hauptreligion in Nepal, wird der Rhesusaffe als heiliges Tier verehrt.
    Zwei Rhesusaffen (Macaca mulatta) mit ihren Jungen sitzen auf einer Mauer. (picture alliance / dpa / Jan Woitas)
    Als Neuankömmlinge haben es Rhesusaffen-Weibchen schwer unter Artgenossen. Sie müssen sich ihren Platz in der sozialen Gruppe erst erkämpfen, werden häufiger von anderen Individuen benachteiligt und ihr Fell nur selten gepflegt.
    Jenny Tung und ihre Kollegen von der Duke University in Durham wollten herausfinden, ob dieser soziale Stress auch die Gesundheit der Tiere beeinflusst. Deshalb haben sie den Rang von Rhesusmakaken-Weibchen experimentell beeinflusst, indem sie die Tiere in neue Gruppen umgesetzt haben. Dadurch bekamen ehemals ranghohe Weibchen einen niedrigeren Status, während andere Tiere in der Hierarchie aufstiegen:
    "Wir haben in diesem Experiment gesehen, dass die Immunzellen der Tiere anders auf Krankheitserreger reagierten, wenn die Weibchen einen hohen Rang in der Gruppe hatten, als wenn sie in der Hierarchie ganz unten standen. War ihr sozialer Status niedrig, war die Reaktion viel stärker und von Entzündungsreaktionen geprägt.
    Das ist interessant, denn hier sehen wir Parallelen zum Menschen. Denn auch bei ihnen gibt es Hinweise darauf, dass Individuen mit geringerem sozialen und ökonomischen Status häufiger Krankheiten entwickeln, in denen Entzündungsreaktionen eine Rolle spielen."
    Dem Experiment lag die Frage zugrunde, ob sich der soziale Rang direkt auf das Immunsystem auswirken kann. Viele Studien hätten zwar bereits gezeigt, dass chronischer sozialer Stress beim Menschen zu Bluthochdruck und anderen Gesundheitsproblemen führen kann. Doch die Zusammenhänge seien unklar, meint Jenny Tung:
    "Es ist schwierig zu beurteilen, ob soziale Unterdrückung eher zu riskanterem Verhalten führt oder ob ein schlechterer Gesundheitszustand bedingt, dass sich jemand sozial unter Druck gesetzt fühlt. Bei den Rhesusaffen-Weibchen ändern wir aber ja zuerst den sozialen Rang und sehen dann diese unterschiedlichen Reaktionen darauf. Deswegen sind wir sicher, dass die Unterschiede wirklich eine Folge des sozialen Drucks sind."
    Zwei Rhesusaffen (Macaca mulatta) mit ihren Jungen sitzen auf einer Mauer, wobei sich das eine Tier der Fellpflege des anderen widmet, aufgenommen am 24.09.2007 in Kathmandu, der Hauptstadt von Nepal. Im Hinduismus, der Hauptreligion in Nepal, wird der Rhesusaffe als heiliges Tier verehrt.
    Das Immunsystem von Rhesusaffen wird durch einen unteren sozialen Status negativ beeinträchtigt (picture alliance / dpa / Jan Woitas)
    Die Untersuchung von Tung und ihren Kollegen hat aber nicht nur gezeigt, dass der Rang von Rhesusaffen-Weibchen ihr Immunsystem beeinflusst. Die Forscher konnten auch nachweisen, dass sich dieser Effekt wieder umkehrt, wenn sich die soziale Stellung der Weibchen innerhalb der Gruppe veränderte.
    Immunologischen Folgen eines sozialen Abstiegs bei Affen umkehrbar
    Nach einem Jahr ordneten die Forscher die Gruppen neu. Ranghohe Weibchen wurden in neue Gruppen umgesetzt, wodurch sich ihr Status verschlechterte. Tiere mit einem niedrigen Status stiegen in der Hierarchie auf. Dabei beobachteten die Forscher, dass sich die Reaktion der Immunzellen parallel zum sozialen Status der Weibchen veränderte, berichtet Jenny Tung:
    "Unser Experiment war so angelegt, dass Weibchen mit einem niedrigen Status nach einer gewissen Zeit einen höheren Rang in der Gruppe erreichten. Dieser Aufstieg in der Hierarchie wirkte sich auch auf die Reaktion der Immunzellen aus. Das zeigt, dass es Spielraum gibt, dass es also möglich ist, die negativen Effekte eines niedrigen Rangs bei erwachsenen Weibchen wieder umzukehren. Zumindest wenn es um das Immunsystem geht."
    Sollten sich die Ergebnisse auf den Menschen übertragen lassen, hieße das, dass die immunologischen Folgen eines sozialen Abstiegs umkehrbar wären. Zwar biete sich nur für die Wenigsten die Möglichkeit, auf der Karriereleiter hochzuklettern, meint Jenny Tung. Doch ein starker Rückhalt in der Familie, im Sportverein oder im Freundeskreis könne den sozialen Druck am Arbeitsplatz ausgleichen:
    "Soziale Anerkennung und Integration, Bindungen - all das gleicht die Nachteile eines niedrigen Status möglicherweise aus. Unsere Ergebnisse und auch die Resultate anderer Studien weisen darauf hin, dass soziale Bindungen dabei wirklich hilfreich sind."