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Immunsystem von Schwangeren
Frühgeburten rechtzeitig erkennen

Oftmals lösen Veränderungen im Immunsystem einer Schwangeren Fehl- oder Frühgeburten aus. US-Forscher haben nun bei einem Experiment gemessen, wie sich das Immunsystem im Laufe der Schwangerschaft verändert. Abweichungen könnten auf eine drohende Fehlgeburt hinweisen - und möglicherweise hinausgezögert werden.

Von Christine Westerhaus | 04.09.2017
    Eine schwangere Frau steht am Meer und hält sich den Bauch
    Ziel ist es, zu verstehen, wie sich das Immunsystem im Laufe einer Schwangerschaft verändert (dpa / Bodo Marks)
    Bei den meisten Frauen dauert es 40 Wochen, bis aus einer befruchteten Eizelle ein kleiner Mensch geworden ist. Bei jeder zehnten Schwangeren kommt das Baby jedoch zu früh auf die Welt - mit möglichen Konsequenzen für das restliche Leben. Bisher haben Ärzte kaum Möglichkeiten, eine drohende Frühgeburt zu erkennen und damit möglicherweise hinauszuzögern. Doch Brice Gaudilliere und sein Kollege Nima Aghaeepour sind nun einer Methode auf der Spur gekommen, mit der sich die Gefahr möglicherweise rechtzeitig erkennen lässt.
    "Eine Frühgeburt ist die häufigste Todesursache bei Kindern auf der ganzen Welt. Unser Ziel war es deshalb, zu verstehen, wie sich das Immunsystem im Laufe einer normalen Schwangerschaft verändert und was bei Frauen passiert, die eine Frühgeburt haben. Gleichzeitig wollten wir herausfinden, ob wir an den immunologischen Veränderungen möglicherweise ablesen können, ob eine Frau ihr Kind zu früh auf die Welt bringen wird."
    Komplettes Bild des Immunsystem erzeugt
    Die Forscher von der Stanford University haben 20 Frauen über den gesamten Verlauf der Schwangerschaft regelmäßig Blutproben entnommen und die darin enthaltenen Immunzellen und Zytokine gemessen, also spezielle Botenstoffe, die die körpereigene Abwehr regulieren. Bisher war es nur möglich, die Konzentration einzelner Immunzellen in einer Blutprobe zu messen. Doch nun ist es den Forschern erstmals gelungen, ein komplettes Abbild des Immunsystems in den unterschiedlichen Phasen der Schwangerschaft zu erzeugen. Dabei beobachteten die Forscher, dass sich die Konzentration vieler Immunzellen im Verlauf der Schwangerschaft kontinuierlich änderte. Und zwar bei allen Schwangeren in einem ähnlichen Muster.
    "Unsere Idee war, eine Art Schwangerschaftsuhr zu erstellen. Also eine Chronologie, mit der sich das Immunsystem im Laufe der Schwangerschaft verändert. Das ist nie zuvor gemacht worden. Und nun ist es erstmals möglich, anhand der gemessenen Immunwerte in einer Blutprobe abzulesen, in welcher Schwangerschaftswoche sich die Frauen befinden."
    Reaktion des Immunsystems auf Schwangerschaft
    Oftmals ist das Immunsystem Schuld an einer Fehl- oder Frühgeburt. Möglicherweise können Ärzte an der Schwangerschaftsuhr also in Zukunft ablesen, wenn sich eine Frühgeburt ankündigt. Falls die gemessenen Werte von der normalen "Geburtsuhr" abweichen, könnte das ein Warnsignal sein, so Nima Aghaeepour, Erstautor der Studie.
    "Wenn wir erstmal wissen, wie sich das Immunsystem normalerweise während unter der Schwangerschaft verhält, können wir Störungen in der körpereigenen Abwehr viel leichter erkennen. Dann können wir eventuell verhindern, dass ein Baby zu früh auf die Welt kommt. Zumindest wäre es eine Möglichkeit, eine drohende Frühgeburt zu diagnostizieren."
    Langfristig suchen die Forscher aber nach einer Möglichkeit, rechtzeitig eingreifen zu können, wenn die immunologische Schwangerschaftsuhr eine Fehlgeburt anzeigt.
    "Das ist der spannendste Aspekt: Wir wollen herausfinden, ob sich das Risiko für eine Frühgeburt möglicherweise über das Immunsystem beeinflussen lässt. Die Idee ist die gleiche, wie bei der Immuntherapie gegen Tumorzellen, bei der Immunzellen beigebracht wird, Krebszellen anzugreifen. Sobald wir verstanden haben, wie das Immunsystem im Normalfall auf eine Schwangerschaft reagiert, könnten wir eingreifen und es auf den richtigen Kurs bringen, wenn Störungen auftreten."
    Bevor Forscher das Immunsystem einer Schwangeren umprogrammieren dürfen, müssen sie jedoch noch viele offene Fragen klären. Im nächsten Schritt wollen Gaudilliere und sein Kollege die Schwangerschaftsuhr genauer eichen und dazu an die 1000 Frauen untersuchen, die allesamt guter Hoffnung sind.