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In Armut

Das bundesdeutsche Recht sieht seit 1977 bei einer Scheidung einen Versorgungsausgleich zwischen den Ehepartnern vor. In der DDR war das anders. Mit der Folge, dass schätzungsweise 350.000 im Osten geschiedene Frauen heute ihr Alter in Armut verbringen müssen.

Von Blanka Weber | 14.02.2013
    Altersbach ist ein beschaulicher Ort in Südthüringen, die schmale Straße schlängelt sich durch die verschneite Winterlandschaft. Rechts und links stehen kleine Häuser, dahinter sind Wiesen und Wald. Hier wohnt Edith Holland. Die 77-Jährige trägt eine weiße Schürze, die blond-grauen Haare liegen in Locken um den Kopf, sie lacht und scherzt mit einer Bekannten aus ihrem Ort:

    "Die sagen immer, naja in deinem Alter bist du noch ganz gut."

    Die rüstige Rentnerin sitzt in ihrem kleinen Wohnzimmer, Häkeldeckchen liegen über der Sofalehne. Vor sich auf dem Tisch hat sie Briefe aus dem Bundeskanzleramt und Zeitungsartikel mit ihrem Foto. Edith Hollandt, die sich zu DDR-Zeit hat scheiden lassen, ist mittlerweile eine Anlaufstelle für Frauen in derselben Situation:

    "Geschieden in den 70er-, 80er-Jahren. In der DDR. Und die hatten so viele Probleme. Also, die haben ja noch viel weniger. Ich hab 760, durch die kleinen Aufstockungen, das ist alles, sonst hab ich nichts. Manche, die haben 500 bis 600 und müssen noch Miete bezahlen."

    Immer mehr Frauen rufen bei ihr an und erzählen vom gleichen Schicksal: nämlich geschieden und arm, weil die Rentenberechnung Ost die Kindererziehungsjahre nicht anrechnet – und wenn, dann so minimal, dass nur winzige Euro-Beträge herauskommen. Zu wenig, um der Altersarmut zu entkommen, sagt Edith Hollandt:

    "Wir werden nicht anerkannt, finde ich."

    Grund dafür ist das unterschiedliche Scheidungsrecht. Seit 1977 sieht das bundesdeutsche Recht einen Versorgungsausgleich für Ex-Ehepartner vor. Wenn zum Beispiel der Mann arbeiten ging, die Frau jedoch wegen der Kinder für Jahre zu Hause blieb. Im DDR-Recht galt das nicht, hier endete mit der Scheidung die wirtschaftliche Verantwortung für den ehemaligen Partner. Geschiedene Frauen erhielten über den Ex-Mann keine Ansprüche auf spätere Rente. Sie konnten freiwillig in eine Sozialversicherung einzahlen, so wie es Edith Hollandt tat. Drei DDR-Mark zahlte sie pro Monat ein, kümmerte sich um die beiden Kinder und arbeitete stundenweise im elterlichen Friseursalon.

    "Wir haben alle tüchtig gearbeitet dazwischen immer."

    Bei Edith Hollandt kommen mit der Ausbildung etwa 40 Arbeitsjahre zusammen als Friseurin, Verkäuferin, später Verkaufsstellen-Leiterin. Sie war Buchhalterin und verdiente ein paar Mark hinzu in der Produktion eines Werkzeugkombinates. 1990 ging sie mit 55 Jahren in den Vorruhestand. Nach dem Rentenrecht der DDR wurden nur die letzten 20 Arbeitsjahre für die Berechnung der Rente einbezogen. Doch da gab es Lücken, wegen der Kindererziehungszeiten. Auch die eingezahlten Beiträge, die in der DDR für eine kleine Rente ausgereicht hätten, waren jetzt kaum noch etwas wert. Einen fairen Rentenausgleich gibt es für Frauen wie sie nicht, sagt sie heute verbittert:

    "Es tut sich nichts. Man hat uns eben praktisch vergessen."

    Knackpunkt bei der Gesetzesangleichung Ost an West im Jahr 1991 ist der Vertrauensschutz für Männer. Das heißt, die ehemaligen Ehepartner zahlen bis ans Lebensende für Ex-Partnerinnen nichts. Auch eine Unterhaltsersatzleistung beim Tod des Ex-Ehepartners – die sogenannte Geschiedenenwitwenrente - ist nicht vorgesehen. Der neu geregelte Versorgungsausgleich tritt erst in Kraft für Ehen, die nach 1992 geschieden wurden. Frauen wie Edith Hollandt profitieren nicht davon. Eine Situation, die auch Thüringens Sozialministerin Heike Taubert von der SPD als unbefriedigend einschätzt. Eine Bundesratsinitiative hatte bislang keinen Erfolg:

    "Wir hatten das schon mal gemacht. Aber eine Bundesratsinitiative bringt uns insofern nicht so sehr viel. Bisher hat die Bundesregierung das abgelehnt. Das heißt, jede Bundesratsinitiative wird wieder abgeschmettert werden. Es müssen am Ende Mehrheiten im Bundestag vorhanden sein, die das Thema 'DDR geschiedene Frauen' aufnehmen, aber auch die Ost-West-Rentenangleichung und die ehrlich wollen, dass es endlich eine abschließende Regelung gibt."

    Ihre Partei, die SPD, so Heike Taubert, wolle eine Angleichung der Ost-West-Renten. Ein geplanter 500-Millionen-Euro Fonds könnte auch für diese Frauen genutzt werden. Doch hohe Erwartungen dürfe man nicht haben. Edith Hollandt blättert in einem Antwortschreiben aus dem Bundeskanzleramt. Die Worte sind niederschmetternd für sie, weil es keine neuen Regelungen geben soll:

    "Also das wäre nicht vorgesehen, uns irgendwas praktisch … Das ist nicht untern Tisch gefallen – wie ich mich ausgedrückt hätte – oder man hätte uns nicht vergessen. Es ist nicht vorgesehen. Wir müssen praktisch mit dem zufrieden sein, was wir bekommen."

    Auch wenn das Bundesverfassungsgericht 2009 die Beschwerde der Frauen nicht angenommen hat, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte beschäftigt sich derzeit mit dem Fall. Doch das kann dauern, sagen die Initiatorinnen. Edith Hollandt aus Altersbach will auch weitermachen und Klarheit haben, warum sich niemand ernsthaft für die Lage der DDR-geschiedenen Frauen einsetzt:

    "Es ist auch für die Gedanken gut, dass man nicht so voll und ganz verkalkt, es ist ja schon bald der Fall."