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In der Abwärtsspirale der spanischen Wirtschaftskrise

Die Grenzstadt Miranda do Douro im Nordosten Portugals hat vom jahrelangen Boom im Nachbarland Spanien profitiert. Die dortige Wirtschaftskrise trifft den Ort nun besonders hart - und viele Einwohner fragen sich, ob es klug war, den Binnenmarkt so zu vernachlässigen.

Von Tilo Wagner | 06.09.2013
    Nuno Jordão steht in seinem Möbelgeschäft in Miranda do Douro und empfängt eine spanische Kleinfamilie. Der junge Portugiese spricht sehr gut Spanisch - in der Kleinstadt an der portugiesisch-spanischen Grenze gibt man sich Mühe, dass die Nachbarn aus dem Osten Iberiens sich wohlfühlen.

    Jordão: "Spanischkenntnisse sind wichtig, um das Vertrauen unserer Kunden zu Gewinn. Wir sind hier schließlich ganz im Nordosten Portugals. Unser Markt ist nicht in Portugal, sondern in Spanien."

    Nuno Jordãos Heimatstadt liegt in der Region "Trás-os-Montes" - wörtlich "Hinter den Bergen". In der abgelegenen Region spielte der Handel mit Spanien schon immer eine wichtige Rolle. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein verdienten sich viele portugiesische Familien ein Zubrot, indem sie Zucker und Kaffee über die Grenze schmuggelten. Der Boom kam mit dem Schengener Abkommen. 1995 fielen die Grenzkontrollen zwischen den beiden iberischen Staaten weg. Und Miranda do Douro wurde zum Schaufenster portugiesischer Produkte mit Exportpotential. Das sagt César João, Präsident des lokalen Unternehmerverbandes:

    "Miranda funktionierte wie ein 'Portugal-Laden' für Spanier. Außer den Lederwaren, die hier in der Region hergestellt wurden, kamen fast alle Produkte aus den Industriezentren im Nordwesten Portugals hierher. Also vor allem Textilien und später Möbel. Die Geschäftsleute hier bauten sehr gute Beziehungen zum produzierenden Gewerbe an der Küste aus. Und die Waren wurde von hier nach Spanien ausgeliefert."

    In der Fußgängerzone ist alles aufs spanische Publikum ausgerichtet
    Die Geschäfte siedelten sich an einem Hügel außerhalb der alten Stadtmauern an. In der Fußgängerzone zwischen den schlichten, dreistöckigen Neubauten ist alles aufs spanische Publikum ausgerichtet: Die Speisekarten sind zweisprachig und manch ein Möbelgeschäft verzichtet bei der Schaufensterwerbung gleich darauf, die spanischen Hinweise ins Portugiesisch zurück zu übersetzen. An einer Ladentür hängt eine Kochschürze mit einem bulligen Stiermotiv und den Namen berühmter Stierkampfarenen im Nachbarland.

    99 Prozent seiner Kunden kämen aus Spanien, sagt Augusto Pires, der in den 1980er-Jahren nach Frankreich ausgewandert war und vor über 20 Jahren zurück in seine Heimatstadt kam. Sein Textilgeschäft florierte zunächst. Doch seit drei Jahren herrscht Krise in Miranda do Douro. Erst schlitterte Portugal in die Rezession, und dann folgte das Nachbarland.

    "Wer hier Miete und Mitarbeiter bezahlen muss, der kommt jetzt nicht mal mehr auf seine Unkosten. Meine Textilprodukte haben vor allem spanische Arbeiterfamilien gekauft. Doch viele sind jetzt arbeitslos und kommen nicht mehr. Im Sommer war hier sonst immer alles rappelvoll, und jetzt? Halbleere Gassen!"

    Der Sparkurs, den die Regierung in Lissabon und Madrid durchsetzen, hat sich insbesondere auf das Konsumverhalten niedergeschlagen. Nach erheblichen Steuererhöhungen auf beiden Seiten der Grenze sind Portugiesen und Spanier sehr viel vorsichtiger geworden, wenn sie ihre Einkäufe tätigen.

    Das Schicksal der Stadt hängt von der Wirtschaftsentwicklung in Spanien ab
    Für Miranda do Douro ist die Krise auch eine Chance, um Wirtschaftsbereiche zu fördern, die nicht so stark vom Verkauf von Konsumgütern abhängen. Verbandspräsident César João glaubt, dass die Region ihr agrarwirtschaftliches Potential noch nicht ausgeschöpft hat und zudem mehr Touristen aus Portugal anlocken kann:

    "In den letzten Jahren hat die Regierung glücklicherweise versucht, strukturelle Probleme zu beseitigen. Mit dem Bau der neuen Schnellstraße ist der Weg in die Zentren in Nordportugal jetzt um eine Stunde kürzer. Dadurch kommen mehr portugiesische Touristen zu uns und gleichzeitig sind wir näher an unseren Geschäftspartner dran."

    César João macht sich jedoch keine Illusionen - das Schicksal von Miranda do Douro wird auch in Zukunft sehr stark von den wirtschaftlichen Entwicklungen des Nachbarlandes abhängen:

    "Miranda wird immer nach Spanien blicken. Das bleibt unser natürlicher Handelspartner. Und dafür gibt es einen Grund: Auch nach der Krise werden die Spanier weiterhin eine größere Kaufkraft besitzen als wir Portugiesen. Und es macht Sinn, dass wir uns dann vor allem in einem Markt positionieren, wo die Kaufkraft stärker ist."