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In Mali droht eine Hungersnot

Mali gehört zu den ärmsten Ländern der Welt, aber zum globalen CO2-Ausstoß trägt es nur kaum bei. Die Menschen in Mali leiden unter klimatischen Veränderungen: "Es regnet von Jahr zu Jahr weniger." Nach der zu kurzen Regenzeit werden die Getreidevorräte schnell aufgebraucht sein.

Von Michael Castritius | 10.12.2011
    Der Dorfälteste Birama Dembele weiß viel über das Klima im Süden Malis.

    "Auf Hundert schätzt er sein Alter. Demebele sitzt im Schatten eines gigantischen, weit ausladenden Palaverbaumes in der Mitte seines Dorfes Bagnagafata."

    Ja, als Kind habe er miterlebt, wie dieser Bana-Baum gepflanzt wurde.
    Heute ist er zentraler Treffpunkt der Ansiedlung. Drumherum gruppieren sich kleine, runde Lehmhütten mit spitzem Blätterdach zum Wohnen, noch kleinere zum Speichern von Getreide und Saatgut. Über globalen Klimawandel weiß der dürre Mann mit der ledernen Haut nichts, aber er beobachtet Veränderungen.

    ""Mein Leben lang habe ich es gemacht, wie es mein Vater sagte: Sieben Monate und sieben Tage nach der letzten Ernte musst du aussäen. Aber heute, wenn du dich daran hältst, bekommst du nichts mehr. Frühestens nach acht Monaten darfst du säen, weil der Regen so spät kommt. Ich bin nie zur Schule gegangen, verstehe das nicht, aber ich sehe: Alles hat sich verändert."

    Dabei liegt das Dorf von Birama Dembele im Süden Malis, Hunderte Kilometer von der Sahara und der darunterliegenden Sahelzone entfernt. Die Savanne hier, bestückt mit vereinzelten Bäumen, ist traditionell Agrarland. Barou Mamadou Coulibaly arbeitet für die Umweltorganisation "Stop Sahel", die den Bauern hilft, mit den Veränderungen klarzukommen. Die Sahelzone, sagt er, habe sich in den letzten 10 Jahren bereits um 200 Kilometer nach Süden ausgebreitet.

    "Es regnet von Jahr zu Jahr weniger. Und immer unregelmäßiger. Das heißt: Mal regnet es kaum, mal gibt es sintflutartige Niederschläge, die alles wegspülen. Durch den Klimawandel haben wir keine verlässlichen Vorhersagen mehr. Die Folgen: niedrigerer Ernteertrag und das Vieh verendet. Die Nahrungsmittelkrise, die wir sowieso schon hatten, verschärft sich enorm, die Leute essen immer schlechter."

    Zum Beispiel die Familie des Bauern Modiba Keita. Nur widerwillig führt er zu seinem Feld, auf dem die Hirse jetzt eigentlich in voller Pracht stehen sollte. Aber statt grüner Pflanzen knirschen vertrocknete Blätter und Halme unter den Füßen.

    Mickrig sind die Kolben, kleine, gelbe Hirsekörner tragen sie nur. Höchstens zwei Tonnen werde er in dieser Saison ernten können, statt der normalen acht Tonnen, schätzt Modiba Keita. Der 37-Jährige ist das Oberhaupt einer 80-köpfigen Großfamilie, darunter fast 50 Kinder.

    "Wir haben so hart gearbeitet, aber es kommt fast nichts dabei raus. Es hat viel zu spät und viel zu kurz geregnet. Angst macht mir das, nein, mehr als Angst: Ich bin sicher, dass wir im Frühjahr hungern müssen. Aber es ist Allahs Wille."

    Bauern wie Keita sind Jahr für Jahr abhängig von den Erträgen ihrer Felder. Reserven haben sie nicht. Mali gehört zu den zehn ärmsten Staaten der Welt. Zum globalen CO2-Ausstoß trägt das Land kaum bei, aber die Auswirkungen des Klimawandels sind schon jetzt existenziell. Und überall sichtbar: die 15-jährige Morissimo Diallo kann sich das Schulgeld nicht mehr leisten:

    "Nach der 5. Klasse musste ich aufhören, die Ernte ist zu schlecht. Es ist hart, wenn ich morgens meine Freundinnen zu Schule gehen sehe, dann mache ich mir Sorgen um die Zukunft. Am liebsten würde ich weggehen, woanders Geld verdienen, aber ich weiß nicht wohin."

    Der Schulbesuch kostet rund 75 Eurocent im Monat. Zuviel für Morissimo. Der Klimawandel verdirbt schon jetzt ihre Zukunft. Die Regierung Malis hat einen 60-Punkte-Plan erarbeitet: Anpassung an den Klimawandel. Der könnte durch einen weltweiten Fond finanziert werden: Über 100 Milliarden Dollar pro Jahr soll dieser "Green Climate Fund" einmal verfügen - aber erst ab 2020. Akut hilft das den Menschen in Mali nicht, nach der viel zu kurzen Regenzeit werden die Getreidevorräte in den kleinen Rundhütten schnell verbraucht sein, befürchtet Alamir Sinna Touré vom Umweltministerium.

    "Die Gefahr ist sehr groß, dass es in den nächsten Monaten eine Hungersnot gibt, in ganz Mali, aber vor allem im Norden. Denn die Regenzeit war wirklich katastrophal: nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für das Vieh. Menschen und Tiere werden nach Süden ziehen, wo es noch etwas mehr Wasser gibt, und das wird Konflikte heraufbeschwören."

    Noch mehr Konflikte und eine aufziehende Hungersnot in Westafrika: Nicht Gott-gewollt, sondern Mensch-gemacht.