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In Süditalien knechten Bauern illegale Einwanderer

Bei den südeuropäischen Gemüse- und Früchteproduzenten ist gerade Hochsaison, billig landet die Ware dann in den Supermarktregalen. Möglich wird das auch durch Zehntausende illegale Einwanderer, die für Hungerlöhne auf den Feldern schuften.

Von Nadja Fischer | 12.07.2010
    Die Europäische Union will in dieser Woche ein Papier vorlegen, mit dem mehr Rechte für Saisonarbeiter gefordert werden. Auf den Früchte- und Gemüseplantagen bei Neapel herrscht zurzeit Hochbetrieb: Es ist Erntezeit für Tomaten, Auberginen und Melonen, die auch nach Deutschland exportiert werden. Was Viele nicht wissen: Das Obst und Gemüse aus Südeuropa landet nur dank Ausbeutung 10 000er illegaler Einwanderer auf unsern Tellern. Nadja Fischer berichtet.

    Abram Yabre geht mit zügigen Schritten über einen Feldweg, der zwischen Plantagen mit mannshohen, grünen Stauden durchführt. Nicht nur Obst und Gemüse, auch Tabak wird in Caserta angebaut, das 25 Kilometer von Neapel liegt. Die Ernte steht kurz bevor. Auch der 25-jährige Abram, der aus der Elfenbeinküste stammt, arbeitet häufig auf diesen Feldern - für gerade mal 20 Euro am Tag.

    "Sie treiben Dich an, sagen, Du bist nicht auf dem Feld, um zu schlafen. Wir arbeiten manchmal bis tief in die Nacht - weit mehr als 12 Stunden. Doch mehr Geld gibt es nicht. Trotzdem musst Du alles geben. Sonst wirst Du tags darauf nicht mehr zur Arbeit geholt."

    Abram Yabre kam vor zwei Jahren als Bootsflüchtling in Lampedusa an, auf jener südlichsten Insel Italiens, die berühmt wurde, weil dort zehntausende Flüchtlinge aus Afrika gelandet waren. Abram hatte seine Heimat, die Elfenbeinküste, wegen des Bürgerkriegs verlassen. Er war vier Jahre lang unterwegs und erlebte die Reise als einzigen Albtraum. Doch die Hoffnung auf ein menschenwürdiges Leben in Italien zerschlug sich schnell: Abrams Asylantrag wurde abgelehnt. Er legte Widerspruch ein und wartet nun auf das nächste Urteil. Ohne Aufenthaltsbewilligung aber bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich mit schlecht bezahlter Schwarzarbeit über Wasser zu halten.

    Auf einem Feld wässert ein freundlicher, alter Bauer seine Tabak-Pflanzen. So stellt man sich keinen vor, der Menschen ausbeutet. Doch auch Salvatore Sabatino lässt illegale Immigranten zu Dumpingpreisen auf seinen Plantagen arbeiten - und spricht erstaunlich offen darüber.

    "Wir verdienen ja selber nichts mehr. Alles wird teurer: Der Dünger kostet heute dreimal so viel wie noch vor zwei Jahren. Und von der EU erhalten wir ab diesem Jahr für den Tabakanbau keine Subventionen mehr. Schwierig ist das, sehr schwierig. Ein Geschäft machen nur noch die Händler."

    Und dann, beklagt sich der Kleinbauer, käme immer wieder die Polizei vorbei und lasse ihn Strafe zahlen - weil er Einwanderer an der Steuer vorbei arbeiten lasse.

    Heisst das, Ihr müsst Angst haben, wenn Ihr uns Immigranten zur Arbeit holt, fragt Abram den alten Bauern. Es geht nicht anders, meint der und fügt hinzu: Ein Italiener rührt für weniger als 50 Euro pro Tag keinen Finger mehr. Wenn Ihr Immigranten nicht wäret, hätten wir die Tabakproduktion wohl schon lange eingestellt.

    Auch auf den Feldern der "azienda agricola Barra" arbeiten Einwanderer. Doch Ferdinando Barra gibt sich weniger gesprächig. Erst nach zweimaligem Nachhaken ist er bereit, über sein Unternehmen zu sprechen - und über seine Schwierigkeiten. Barra produziert Erdbeeren, Spargel, Lattich und Kohlrabi und beliefert viele Supermärkte im Ausland - auch deutsche. Auf die Supermärkte ist Barra gar nicht gut zu sprechen:

    "Sie rufen jede Woche an und fragen nach meinen Angeboten. Dann telefonieren sie nach Spanien oder Griechenland. Wer zum tiefsten Preis anbietet, erhält den Zuschlag. Wir in Italien können nicht mithalten - alleine schon wegen der hohen Steuern. Ich versuche, so billig wie möglich zu produzieren. Aber wenn die Früchte reif sind, muss ich verkaufen. Also gehe ich runter mit dem Preis. Aber ab einem gewissen Punkt lohnt es sich für uns nicht mal mehr, die Früchte zu ernten."

    Supermärkte, die Bauern unter Druck setzen. Bauern, die illegale Einwanderer knechten. Alltag in Caserta. Alltag in ganz Süditalien. Nur ab und zu gerät diese Situation aus den Fugen. Wie vor einem halben Jahr im kalabrischen Rosarno, als Italiener Jagd auf afrikanische Tagelöhner machten und diese sich gegen die rassistischen Angriffe wehrten. Auch Abram arbeitete damals auf den Orangenplantagen von Rosarno und wurde von wütenden Italienern mit Baseballrackets zusammengeschlagen. Der Schock sitzt bis heute tief. "In Rosarno sei das wahre Gesicht von Italien zum Vorschein gekommen", sagt er.