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Indie-Rockband Palace
Träume und melancholische Gedankenspiele

Die Indie-Rock-Band Palace versteckt sich nicht hinter verzerrten Gitarren. Im Gegenteil: Ihr Sound ist klar und aufgeräumt, die Melodien von Palace strahlen Wärme aus. Musik von schlichter Schönheit.

Von Paul Baskerille | 28.05.2017
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    Die Band Palace wurde 2014 gegründet. (Dominic Louth)
    Diese Sendung können Sie nach Ausstrahlung sieben Tage nachhören.
    Musik "It’s over"
    Wenn man von Blitzerfolg spricht, denkt man meistens an junge Pop- Sternchen, die extrem kommerziell ausgerichtet arbeiten. Die Musik von Palace ist zwar melodisch, aber mit Sicherheit kein Chartfutter für die Kids. Die Band existiert erst seit 2014, hat bereits zwei EPs veröffentlicht. Das Album erschien im November 2016. Die Gruppe hat sehr früh viel Anerkennung bekommen. Die junge Indie–Folk-Blues-Pop Band scheint bisher vom Erfolg und Glück gesegnet zu sein. Dazu der Palace Sänger, Textschreiber und Gitarrist Leo Wyndham:
    Leo: "Um ganz ehrlich zu sein, ich glaube, ja. Viele Bands haben uns mal darauf angesprochen, und uns nach Rat gefragt, wie sie am besten vorgehen sollen. Wir mussten uns nämlich nicht groß anstrengen, um entdeckt zu werden. Wir haben nicht mal Demos an Labels verschickt. Vier Monate nach der Bandgründung, ist die Bookingagentin Claire auf uns aufmerksam geworden. Unser zweiter Auftritt war in einer riesigen Halle, der Bush Hall in London Dort spielten wir im Vorprogramm für Smashing Pumpkins. Wir haben es bisher leicht gehabt. Ich bin sicher, dass es nicht immer so sein wird. Wir versuchen unser Glück nicht als selbstverständlich anzunehmen. Momentan sind die Rahmenbedingen einfach gut."
    Musik "Lost in the night”
    Palace sind vier Londoner, die sich seit ihrer Schulzeit kennen: Rupert Turner (Gitarre), Matt Hodges (Drums), Will Dory (Bass), und Leo Wynham, der sich als der Kopf der Gruppe versteht. Das Debütalbum "So long forever" ist energiegeladener, als die beiden EPs. Das Tempo ist eher gestiegen. Ihre Gesten sind größer geworden. Die Gitarren klingen forscher, die Rhythmus-Sektion bleibt dennoch dezent.
    Rupert: "Wir klingen nun etwas präsenter. Ja, wir wollten etwas mehr Dynamik anstreben. Besonders die erste EP war sehr sanft und gelassen. Nichts Explosives war dabei. Wir hatten das Gefühl, mehr Höhen und Tiefen in der Musik haben zu wollen. Wir klangen früher schon sehr freundlich."
    Leo: "Wir sind aggressiver geworden. Wir sind jetzt bessere Musiker, nun kommt eine Dynamik bei uns zum Tragen. Das ist ein großes Thema für uns. Man lernt das volle Dynamikprogramm effektiv durchzuziehen, und baut subtile Einheiten mit ‚rein, und hofft das Publikum auf die emotionale Reise mitnehmen zu können. Es macht viel Spaß herum zu experimentieren. Für uns ist der Sound zwar grundsätzlich der Gleiche geblieben, aber er ist größer und energiegeladener. Es handelt sich schon um denselben funkelnden, glitzernden Palace Gitarrensound, der den Kern des Ganzen bildet."
    Musik "Break the silence"
    Palace hat sich in England schon längst den Ruf als aufregende Live-Band erarbeitet. Sie wünschen sich eine enge Bindung zu ihrem Publikum und wollen eine Art "spirituelle" Nähe aufbauen. Dazu möchten sie besonders intensive Konzerte spielen.
    "Wir haben uns immer danach gesehnt, dem Publikum sehr viel geben zu können, und dann eine entsprechende starke Resonanz zu bekommen. Die Songs aus der Anfangszeit lieben wir zwar, aber die Lieder sind vergleichsweise monoton. Nun haben wir Stücke, die emotional direkt und ohne Umschweife rüberkommen. Es macht Spaß zuzuschauen, wie ein Publikum darauf abfährt...wie die Köpfe sich bewegen. Das inspiriert uns sehr. Das Stück "Have Faith" ist ein Beispiel für dieses für uns etwas neue Gebiet. Der Titel ist kraftvoll, steckt voller Energie. Man muss fast unfreiwillig dazu wippen. Es ist etwas rockig und heavy. Das ist schließlich die Art von Musik, mit der wir aufgewachsen sind. Wenn wir es live spielen, ist das Publikum richtig voll dabei."
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    Palace hat sich in England schon längst den Ruf als aufregende Live-Band erarbeitet. (Dominic Louth)
    Musik "Have the faith"
    Leo erzählte gerade, dass sie eher mit rockiger und heavy Musik aufgewachsen sind - und der eigene Sound entwickelt sich auch in diese Richtung.
    Rupert: "Vielleicht. In der Anfangszeit haben wir uns davor gescheut, Musik zu machen, die etwas heavy war. Aber dann haben wir bemerkt, dass es uns doch Spaß macht. Also fingen wir damit an."
    Leo: "Dann wurden die Verstärker aufgedreht, es gab endlose Soli im Studio! Ich denke, dass wenn eine Band noch dabei ist, Fuß zu fassen, nimmt sie erstmal nur winzige Schritte. Man gewinnt an Selbstbewusstsein, verliert seine Angst, und spielt irgendwann dann doch so laut, wie man es wirklich möchte. Es war früher die reine Nervosität, die uns daran gehindert hat. Jetzt fühlen wir uns befreit."
    Musik "Live well"
    Oft veröffentlichen junge Bands erst ein Kurzalbum mit nur einer Handvoll Stücke, bevor das erste richtige Album erscheint. Das besteht dann oft größtenteils aus den beiden EPs, und die Fans sind unter Umständen unzufrieden. Sie haben auf mehr neue Songs gehofft. Palace wollten nicht in diese Falle tappen. Nur ein Song vom Debütalbum war vorher überhaupt erhältlich: "Bitter". Und zwar in einer komplett anderen Version.
    Leo: "Wir wollten mutig genug sein, um den Fans neue Songs zu geben. Wir haben es beobachtet, wie andere Bands alte Stücke nochmal bearbeiten, um das erste Album hinzukriegen. Letztendlich kommt gar nicht viel Neues dabei heraus. Wir schreiben viel, und daher fiel uns der Schritt nicht schwer, neue Titel zu komponieren. "Bitter" war die Ausnahme, die die Regel bestätigt. Ehrlich gesagt, mochten wir die Originalversion gar nicht. Überhaupt ist es anstrengend, wenn wir alte Songs hören. Im Nachhinein erkennen wir so viele Fehler. Mein Gesang gefällt mir nicht, alles klingt so zusammengestückelt. Einerseits sind die Aufnahmen toll, weil sie so ursprünglich klingen, aber es war uns ein Bedürfnis dem Lied "Bitter" ein neues Leben zu geben, damit wir eine Version hätten, auf der wir uns nicht alle fünf Sekunden verhauen, und auf der ich nicht falsch singe. Ich singe natürlich heutzutage gar nicht mehr falsch, in Wirklichkeit passiert es viel häufiger, als es sein sollte. Ich gebe mir aber Mühe."
    Musik "Bitter"
    Der Sound ist klar und aufgeräumt. Palace versteckt sich nicht hinter verzerrten Gitarren. Im Gegenteil: Ihr Sound basiert auf verschnörkelter Gitarrenarbeit, auf warmem Gesang und auf pulsierendem Schlagzeug.
    Leo: "Unsere Musik verlangt eine Genauigkeit in der Umsetzung. Die Gitarrenparts sind sehr komplex. Wenn man das nicht richtig hinkriegt, klingt es furchtbar. Überhaupt darf es nicht chaotisch zugehen. Alles muss akkurat umgesetzt werden. Ansonsten gibt es nicht die erwünschte Wirkung. Es ist ein natürlicher Prozess, dass man musikalisch kompetenter wird. "
    Musik "Holy Smoke"
    Die Melodien von Palace strahlen Wärme aus. Die Musik ist von schlichter Schönheit.
    Rupert: "Es reizt uns sehr, Musik zu machen, die man als schön bezeichnen kann. Wir verwenden immer das Wort "sphärisch", um unser künstlerisches Ziel zu erklären. Die Begriffe sphärisch und schön gehen Hand in Hand. Man soll sich als Hörer vertiefen können, und Schönheit in der Musik finden."
    Leo: "Ist lustig eigentlich. Wir denken nicht als Ausgangspunkt ganz bewusst darüber nach, dass wir Schönheit anstreben", aber wenn ich es mir überlege: es macht Sinn. Genau das ist es, was wir erreichen wollen. Unsere Art zu spielen, ist auch romantisch, das spielt sich aber alles unbewusst ab."
    Musik "Head above the water"
    Leo ist Mitte 20 und er schreibt die Texte der Band. Seine Eltern haben sich vor ein einigen Jahren scheiden lassen. Seine Großeltern starben-all das hat er in den Songtexten verarbeitet, deshalb heißt das Album so "So long forever" "Auf Wiedersehen für immer:"
    Leo: "Es war nicht bewusst als Konzeptalbum gedacht, aber ist im Grunde doch so geworden. Der rote Faden ist das Thema Verlust, wie man Abschied nimmt, und wie man im Leben trotzdem weitermachen muss. Der Song "So long forever" war diesbezüglich der perfekte Albumtitel. Der Titel fasst die Botschaft des Albums zusammen. Die Songs handeln von der Liebe, vom Tod, aber der Oberbegriff für alles ist Verlust. Es sind schon alles sehr persönliche Mitteilungen."
    Musik "So long forever"
    Leo Wyndham’s Stimme wirkt sehr sensibel, wenn er singt. Sein Gesang klingt unverdorben, fast wie ein Chorknabe.
    Leo: "Um ehrlich zu sein, habe ich nicht viel Gesangsunterricht genommen. Bevor wir die Band ins Leben riefen, hatte ich noch nie zuvor vor einem Publikum gesungen. Ich musste den Jungs im Studio vorsingen, und habe oft dabei einen roten Kopf bekommen. Als Jugendlicher habe ich mich sehr unbehaglich beim Gedanken gefühlt, in der Öffentlichkeit zu singen. Ich hatte auch nie Gitarre gespielt und gleichzeitig gesungen. Es war peinlich festzustellen, dass ich es nicht wirklich konnte. Die Bandkollegen haben mir aber Selbstvertrauen eingeflößt, und inzwischen fühle ich wohl in der Rolle. Aber nein, ein Chorknabe war ich nicht."
    Musik "So long forever"
    Seinen Gesangsunterricht nahm Leo im Fußballstadion auf der Tribüne. Dort sang er für seine Mannschaft Brighton & Hove Albion, die den Spitznamen "Seagulls" "Möwen" trägt.
    Leo: "Genau! Ich hatte mein Brighton & Hove Albion Schal um den Hals gewickelt, und habe dann im Sprechchor immer "Seagulls! Seagulls!", im Stadion gerufen. Das war meine einzige Gesangsübung. Meine Bandkollegen haben mir aber das Gefühl gegeben, ich würde es schaffen gut zu singen, und so erreichte ich irgendwann den Punkt, bei dem ich mich als Sänger sogar sehr wohl fühlen konnte. Es hat lange gedauert."
    Musik "Settle Down"
    Anderthalb Jahre war er panisch vor Angst, als es darum ging, auf der Bühne zu stehen, und vor einem Publikum singen zu müssen:
    Leo: "Ich habe als Jugendlicher heimlich Lieder für mich geschrieben, war aber zu eingeschüchtert, um irgendjemanden die Lieder vorzuspielen. Eines Tages hat mein Bruder, der auch eine Band hatte, heimlich ein Stück von mir auf meinem Laptop gehört. Es wurde auf seiner Bandhomepage gepostet. Die Resonanz war gut. Sie sagten alle: "Wir wussten nicht, dass du singen konntest". Ich wusste es auch nicht. Es war sehr rau und ungeschliffen aber ausbaufähig."
    Musik "I want what you’ve got"
    Das Cover des Albums "So long forever "ist ein Gemälde mit vier Figuren in betender Haltung. Schon bei diesem Anblick vermutet man eine nach innen gerichtete, meditative Platte, jenseits der oberflächlichen Popmusik.
    Leo: "Das Gemälde stammt von meinem Bruder Wilby, der ein großartiger Künstler ist. Er hat auch die Zeichnungen für die beiden EPs gemacht. Das Albumcoverbild ist ein riesiges Gemälde: zwei Meter mal zwei Meter. Es hat für uns keine unmittelbare religiöse Bedeutung, aber es hat schon was Spirituelles, und ergänzt die Musik auf effektive Weise. Unsere Musik ist introvertiert, geht in sich. Wir sind keine religiösen Typen, aber die Songs strahlen was Spirituelles aus. Das Albumcover ist dementsprechend abstrakt, bunt, sphärisch. Mein Bruder begleitet uns mit seiner wunderschönen ästhetischen Kunst. Viele Leute fühlen sich zu den Kunstwerken auf unseren Plattencovers hingezogen. Es ist so cool, dass die Leute uns nach den Shows wegen seiner Kunst ansprechen."
    Musik "Chase the light"