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Indonesien
Bürgermeisterin will Rotlichtviertel schließen

"Dolly" ist ein Rotlicht-Viertel in Surabaya, der zweitgrößten Stadt Indonesiens, das geschlossen werden soll. Surabayas Bürgermeisterin Tri Rismaharini, kurz Bu Risma, hat diese Schließung bereits verkündet, so ganz vollzogen ist sie allerdings noch nicht. Das liegt vor allem am anhaltenden Widerstand der Prostituierten und Zuhälter. Es gibt viele Menschen, die im Viertel Dolly gut von den Freiern leben.

Von Udo Schmidt | 28.06.2014
    Indonesische Prostituierte sitzen in einem Hotel und verstecken ihre Köpfe hinter Zeitungen.
    Prostituierte im Rotlichtviertel "Dolly" in der indonesischen Stadt Surabaya wehren sich gegen die Schließung ihres Viertels. (picture alliance / dpa / Fully Handoko)
    Die indonesische Nationalhymne, mit Leidenschaft vorgetragen - mitten im Rotlicht-Viertel von Surabaya, der zweitgrößten Stadt Indonesiens.
    Dieses Rotlichtviertel, von allen Dolly genannt, soll geschlossen werden. Surabayas Bürgermeisterin Tri Rismaharini, kurz Bu Risma, hat diese Schließung bereits verkündet, so ganz vollzogen ist sie allerdings noch nicht, was vor allem am anhaltenden Widerstand der Prostituierten, Zuhälter, aller Menschen, die im Viertel Dolly gut von den Freiern leben, liegt. Saputro, Spitzname Pokemon, hat die Proteste in den vergangenen Wochen mit organisiert. Er hat nichts direkt mit der Prostitution zu tun, aber er lebt trotzdem von ihr. Er betreibt einen kleinen Coffeeshop - und er verkauft T-Shirts, schwarz, mit den weiß gezeichneten Umrissen einer nackten Frau auf der Brust. Die T-Shirts verkaufen sich gut, meint Pokemon. Aber nur, solange im Rotlicht-Viertel Betrieb ist.,
    "Dolly ist wirklich eine historische Stätte, die muss erhalten werden, es gibt das Viertel seit fünfzig Jahren. Wenn Dolly geschlossen wird, ohne dass die Bewohner gefragt und tausende Existenzen vernichtet werden, dann werden wir kämpfen."
    Es geht's ums Überleben, das sagen alle hier im Rotlichtviertel. Also haben sich hunderte Prostituierte im Herzen von Dolly versammelt und proben den Aufstand. Sie wollen sich nicht vertreiben lassen, sie fürchten um ihre Existenz - deshalb tragen sie eine eigene Unabhängigkeitserklärung vor, angelehnt an die Indonesiens.
    Rotlichtviertel existiert seit Jahrzehnten
    Marwa ist neunundzwanzig und lebt und arbeitet in einem der kleinen, heruntergekommen Bordelle. Ein hellblaues Plüschecksofa ziert den Raum, in dem die Frauen ihre Dienste anbieten, ein Sofa, dem man ansieht, dass es schon sehr, sehr lange dort steht.
    "Das ist nicht mein Traum-Job, aber ich brauche das Geld, um meine Familie zu versorgen, und wenn, das hier jetzt alles geschlossen wird, dann werde ich kämpfen."
    Surabayas Bürgermeisterin Bu Risma, von den Einwohnern der Stadt wegen ihrer handfesten Art geliebt, hat sich nach einigem Zögern an das heiße Eisen gewagt, das Rotlichtviertel, das seit Jahrzehnten das Leben in der Altstadt Surabayas prägt zu schließen:
    "Das ist eine lange Geschichte. Anfangs hielt ich es für keine Lösung. Dolly zu schließen. In meinem ersten Jahr als Bürgermeisterin kamen zwanzig muslimische geistliche Führer zu mir und baten um die Schließung. Ich habe damals abgelehnt, weil ich für die Frauen, die Prostituieren keine Jobs hatte."
    Kurz-Fortbildungen für Prostituierte
    Also organisiert die Stadt jetzt Kurz-Fortbildungen und bietet Geld an - und Bu Risma macht Dolly dicht. Drei Tage sollen die Frauen nun auf das Leben danach vorbereitet werden, außerdem ist allen eine Entschädigung von 5 Millionen Rupien, gut dreihundert Euro angeboten worden, sagt Deddy Sosialisto, der die Hilfen für die Prostituierten koordiniert.
    "Die Auszahlung folgt jetzt auf die Ankündigung, dass Dolly geschlossen wird. Mit dem Geld können die Prostituierten und die Zuhälter einen Neubeginn finanzieren. Alle bekommen auch einen medizinischen Check angeboten, auch einen HIV-Test."
    13 Millionen Rupien, umgerechnet knapp 800 Euro, verdienen die Frauen in guten Monaten im Rotlichtviertel - da sind fünf Millionen als Grundstock für eine neue Existenz nicht viel. Und die meisten Frauen, sagt die Ärztin Esthy Yuliana, zu der die Prostituierten regelmäßig kommen, hätten nichts gelernt, seien kaum zur Schule gegangen - man könne sie nicht in nur drei Tagen auf ein neues Leben vorbereiten:
    "Als Frau und Indonesierin bin ich für die Schließung des Viertels, als Ärztin bin ich dagegen. Die Frauen sind ungebildet, die meisten können nicht einmal ihren Namen schreiben, sie leben unter schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen. Wenn man ihnen fünf Millionen Rupien gibt und sonst nicht viel bietet, dann machen sie irgendwo anders weiter, in ihren Dörfern, im Verborgenen, und wir können nichts mehr für sie tun, es gibt keine Kontrolle mehr."
    Prostitution ein Teil der Gesellschaft
    Mit der Schließung, sollte sie denn wirklich durchgesetzt werden, ist das Thema Prostitution nicht beendet - aber das muslimische Land Indonesien hat mit dem angekündigten Ende Dollys eine Debatte am Hals, die offen zu führen viele kaum wagen. Die führenden Köpfe der muslimischen Ulama-Gemeinschaft von Ost-Java geben sich im Gespräch verständnisvoll und aufgeschlossen, beim Thema Prostitution hört das Verständnis allerdings auf.Kyai Abdusshomad Buchori leitet die Ulama East-Java.
    "Prostitution verletzt die elementaren Regeln des Zusammenlebens in Indonesien bei denen der Islam eine große Rolle spielt. Prostitution ist kein Beruf, keine Arbeit, es ist moralisch verwerflich, eine Sünde, und es ist illegal. Wir begrüßen natürlich die Schließung, vor allem auch, um die junge Generation davor zu bewahren, mit Prostitution in Berührung zu kommen."
    Pokemon, der Kaffee und T-Shirtverkäufer sieht das - naturgemäß anders. Keine Frau wolle wirklich Prostituierte sein, es gebe immer ökonomische Gründe, aber so sei es nun einmal, sagt er:
    "Natürlich ist Prostitution ein Teil der Gesellschaft, aber wir hier wollen eben auch ein Teil der Gemeinschaft in Surabaya sein. Wir sind keine schlechten Menschen, wir fordern Gleichheit mit allen anderen."