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Industrieverband Agrar IVA
Glyphosatnutzung in Deutschland geht zurück

Das Europäischen Parlament stimmte für einen Sonderausschuss, der die Zulassung von Glyphosat und die generelle Zulassung von Pestiziden in der EU untersuchen soll. Jetzt stellte der Industrieverband Agrar IVA in Berlin die tatsächlichen Verkaufszahlen von Pflanzenschutzmitteln in Deutschland vor.

Von Daniela Siebert | 19.01.2018
    Ein Traktor bringt Glyphosat auf einem Feld in Niedersachsen aus
    Ein Traktor bringt Glyphosat auf einem Feld in Niedersachsen aus. Das Pestizid dient zur Unkrautbekämpfung. (picture alliance/ dpa/ Steven Lüdtke)
    Laut Industrieverband Agrar, IVA, sank der Umsatz der verkauften Pflanzenschutzmittel 2017 um rund zwei Prozent - im Vergleich zum Jahr davor. Die Gründe für den Rückgang sieht Helmut Schramm, Präsident des IVA und zugleich Geschäftsführer von Bayer Crop Science, vor allem in der Witterung: Der Winter sei mild gewesen, der Frühling kam spät und dann folgten Fröste und Hagel, die etliche Pflanzen stark schädigten, teilweise bis hin zum Totalausfall der Ernte.
    "Der Krankheitsdruck im Getreide war im Vergleich zum langjährigen Mittel eher gering. Wo keine Obst mehr am Baum hängt, braucht es auch keinen Schutz, wo kein Pilzbefall ist, muss auch nicht bekämpft werden."
    Dringend änderungsbedürftig findet der Industrieverband die Zulassungsprozedur von Pflanzenschutzmitteln in Deutschland. Daran seien vier verschiedene Behörden beteiligt, unter anderem das Umweltbundesamt. Die europaweit vorgesehene Bearbeitungsdauer für Anträge von bis zu zwölf Monaten werde permanent überschritten. Deshalb wünscht sich der IVA von der nächsten Bundesregierung eine Reform:
    "Die wissenschaftliche Risikobewertung für alle Fachbereiche muss unter einem Dach zusammengefasst werden. Diese Institution muss wissenschaftlich basiert und politisch unabhängig arbeiten."
    Nur noch 2.700 Tonnen
    Das Bundeslandwirtschaftsministerium soll am Ende über die Zulassungen entscheiden. Besonderes Augenmerk in der Jahresbilanz des IVA bekamen Produkte mit dem Wirkstoff Glyphosat. Auch hier sind die Zahlen rückläufig. Nur noch 2.700 Tonnen des Totalherbizids seien letztes Jahr ausgebracht worden meldet der IVA. Glyphosat mache hierzulande bloß drei Prozent der verkauften Pflanzenschutzmittel aus. Auch zwischen zwei Bepflanzungen werde es immer weniger verwendet, bilanziert Burkhard Kleffmann, der für den IVA die Trends bei Bauern und großen Agrarunternehmern analysiert:
    "Man hat die Ernte gehabt, zum Beispiel Wintergerste, man möchte Raps aussäen und dann nutzt man die Gelegenheit in der Zwischenzeit für einen "reinen Tisch" zu sorgen, damit man die Aussaat entsprechend pfluglos durchführen kann. Dafür ist der Einsatz von Glyphosat einfach notwendig und trotzdem ist der Trend in den letzten Jahren ohnehin schon sehr rückläufig gewesen."
    Auch bei der Krautabtötung im Kartoffelacker werde fast kein Glyphosat mehr eingesetzt, so Kleffmann. Eine Vorerntebehandlung auf Getreidefeldern komme nur noch auf 30.000 Hektar vor.
    Für diese Entwicklung weg vom Glyphosat sieht Burkhard Kleffmann verschiedene Gründe: die Witterung, einen bewussteren Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, einen Strukturwandel hin zu Betrieben, die besonders sparsam arbeiten, außerdem eine verbesserte Agrartechnik.
    Die gesundheitliche Gefahr, die Glyphosat für die Landwirte bedeuten könnte, sieht IVA-Präsident Helmut Schramm nicht. Sogar unter Verweis auf die Internationale Krebsforschungsagentur, IARC.
    "Die von einer theoretischen Gefahr ausgeht, und sagt es könnte krebsgefährdend sein. Aber in der gleichen Größenordnung wäre dann rohes Fleisch zu sehen, einige Wurstarten, Schichtarbeit, und und und. Also das ist keine Bewertung, wie wir sie akzeptieren können, weil der Landwirt das Produkt ganz anders anwendet."
    Die tatsächlich erfassten Daten
    Diese Aussage trifft allerdings in mehreren Punkten nicht zu: Die IARC hatte nicht rohes, sondern rotes Fleisch klassifiziert. Und es ebenso wie Glyphosat als "wahrscheinlich krebserregend für den Menschen" eingestuft.
    Zum andern hatte die IARC ihre Hochstufung des Totalherbizides unter anderem auf tatsächlich erfasste Daten über Krebsvorkommen bei Landwirten gestützt. Vor diesem Hintergrund prozessieren in den USA mittlerweile zahlreiche Landwirte gegen Monsanto.
    Sehr von Glyphosat überzeugt äußerten sich gestern auch die beiden EU-Kommissare Hogan und Andriukaitis in Berlin. Die EU sei bereit, wenig riskante Pestizide zu fördern, auch biologische und neu entwickelte. Der für Landwirtschaft zuständige Kommissar Phil Hogan verwies auf europäische Unterstützung für die Nationalstaaten bei der Suche nach Alternativen.
    "Ab 2020 werden wir Fördermittel für diese Fragestellung ausschütten, wenn sich jemand dafür bewirbt. Bislang haben wir ja keine Alternative zu Glyphosat. Die Mitgliedsstaaten müssen uns jetzt Alternativen aufzeigen, falls dieses Produkt in Zukunft verboten werden soll."