Archiv


Induzierte Stammzellen

Biologie. - In der Fachzeitschrift "Science" steht in einem Artikel der aktuellen Ausgabe genau beschrieben, wie die Forscher beim Rückprogrammieren der Körperzellen eines erwachsenen Menschen vorgegangen sind.

Von Volkart Wildermuth | 25.11.2007
    Oct4, Sox2, nanog, lin28, c-myc, klf4, hinter diesem Kauderwelsch verbirgt sich die moderne Version des Jungbrunnens. Diese Gene können die Lebensuhr von Hautzellen einer Erwachsenen wieder auf Null stellen, sie verwandeln sie quasi in embryonale Zellen. Das haben diese Woche zwei Forschergruppen aus Japan und den USA bewiesen. Die Details der Experimente sind unterschiedlich aber das Prinzip ist gleich: Schritt eins: eine Zelle eines Erwachsenen wird in der Zellkultur vermehrt, damit genug Rohstoff für die Experimente vorhanden ist. Folgt Schritt zwei. Mit Hilfe von Retroviren werden vier Jungbrunnengene in die Zellen verfrachtet berichtet Junying Yu vom Genom-Zentrum der Universität von Wisconsin. Yu:

    "”Wir bringen vier Gene in den Kern einer spezialisierten, ausgewachsenen Zelle. Die Gene fangen an zu arbeiten und steuern das Erbgut dieser Zelle in eine neue Richtung so dass sich die Identität der Zelle verändert.""

    Die Jungbrunnengene müssen den alten Zellkern reprogrammieren, spezialisierte Hautgene abschalten und dafür embryonale Erbanlagen aktivieren. Dann müssen die Forscher im dritten und letzten Schritt die wenigen Zellen aufspüren, die tatsächlich rückverwandelt wurden. Dazu kommen die Zellen in eine neue Umgebung, in der Hautzellen nur schlecht, embryonale Zellen aber umso besser wachsen. Nach einigen Tagen bangen Wartens konnte Junying Yu tatsächlich Zellen isolieren, die alle wichtigen Eigenschaften embryonaler Stammzellen zeigen: sie vermehren sich und sie können sich entwickeln. Yu:

    "”Die Zellen sind jetzt seit über vier Monaten in Kultur und sie hören nicht auf zu wachsen. Es ist uns auch gelungen, diese Zellen weiter zu entwickeln zum Beispiel in Nervengewebe oder in Muskelzellen.""

    Unbeschränkte Vermehrung und Entwicklungspotential in alle wichtigen Gewebetypen, im Labor sind die neuen Zellen praktisch nicht von embryonalen Stammzellen zu unterscheiden. Die neuen Zellen waren aber nie Teil eines Embryos, deshalb nennt Junying Yu die per Gentechnik verjüngten Zellen induzierte pluripotente Stammzellen, kurz iPS-Zellen. Genetisch gleichen sie den erwachsenen Zellen von denen sie abstammen, das bestätigt ein genetischer Fingerabdruck. Es hat also wirklich eine Verjüngung stattgefunden, die man bislang glaubte nur über den Weg des moralisch umstrittenen und technisch höchst komplizierten Klonens erreichen zu können. Die neue Methode dagegen ist, nachdem sie einmal gefunden ist, recht simpel, meint Mitautor James Thomson.

    "”Es ist relativ einfach, unsere Experimente in einem normalen molekularbiologischen Labor zu wiederholen. Es kostet auch nicht viel, deshalb werden sich mehr und mehr Forscher auf diese Feld wagen.""

    Dabei geht es vorerst um Grundlagenforschung. Wenn die Wissenschaftler iPS Zellen von Patienten herstellen, dann können sie die Entwicklung der Krankheit von Anfang an studieren und so neue Ansatzpunkte für die Therapie entdecken. Die iPS Zellen selbst als Reparaturtruppe in den Körper zu schicken, ist dagegen schwieriger. Die Retroviren, die als Fähre für die Jungbrunnengene eingesetzt werden, liefern ihre Fracht ungezielt im Erbgut ab, es ist durchaus möglich, dass sie dabei zufällig auch ein Krebsgen aktivieren. Dass es sich dabei nicht um eine bloß theoretische Befürchtung handelt, zeigen Gentherapiestudien, bei denen in seltenen Fällen Blutkrebs ausgelöst wurde. Hier ist also noch viel Forschungsarbeit zu tun. Die kann nun aber ohne moralische Bedenken betrieben werden. Die iPS-Zellen stammen nicht aus einem Embryo, und sie können auch keinen Embryo bilden, betont James Thomson, der vor rund zehn Jahren als erster menschliche embryonale Stammzellen isoliert hatte. Thomson:

    "”Obwohl diese Zellen ein bemerkenswertes Potential besitzen, fehlt ihnen die Struktur einen Embryo zu bilden. Selbst wenn man sie in eine Gebärmutter übertragen würde, es würde sich kein Baby bilden. Die neuen Zellen werden die moralische Debatte nicht sofort beenden, aber sie wird langsam aufhören. Ich bin davon überzeugt, dass mehr und mehr Laboratorien diese Strategie der Reprogrammierung verfolgen werden, statt Embryonen zu verwenden.""