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Informationen aus der Asche
Erkenntnisse aus Skelettresten von Feuerbestattungen

Feuerbestattungen gab es schon vor Tausenden Jahren. Archäologen konnten aus den verbrannten sterblichen Resten bislang nur wenige Erkenntnisse gewinnen. Doch neue und immer feinere chemische Methoden könnten nun einige verloren geglaubte Informationen wieder ans Licht bringen.

Von Michael Stang | 02.09.2016
    Ein Sarg wird in die Glut des Ofens im Krematorium geschoben. Der Vorgang wird von den Mitarbeitern liebevoll und respektvoll begleitet.
    Feuerbestattung ist damals wie heute eine verbreitete Bestattungsmethode (dpa picture alliance / Sandra Gätke)
    Stoßen Archäologen bei einer Ausgrabung auf die Überreste einer Feuerbestattung, geben die verbrannten Knochenreste kaum noch Informationen preis. Bei drei Schienbeinen ist lediglich klar, dass die sterblichen Überreste von mindestens zwei Personen vorliegen. Das war es auch schon an Erkenntnisgewinn - zumindest bis vor ein paar Jahren.
    Heute gibt es vielversprechende Methoden, allen voran die stabilen Isotopenanalysen. Aber die Problemliste sei dennoch weiter lang, sagt Christophe Snoeck von der Freien Universität Brüssel:
    "Zuerst muss man überhaupt verbrannte Knochenstücke finden, mit denen man arbeiten kann, denn sie sind sehr fragil. Das sind die Folgen der Hitze, so ein Feuer kann 900 Grad Celsius heiß gewesen sein. Man kann eigentlich nie sagen, ob der Knochen von einem Mann oder einer Frau stammt. Und dann sind die Proben im Laufe der Zeit oft kontaminiert."
    Die Verunreinigung kann einmal durch das Erdreich geschehen, was bei den Analysen im Labor zu widersprüchlichen Ergebnissen führt. Nach tausenden Jahren kann der Knochen wie ein Schwamm bestimmte Stoffe aus dem Boden aufgesaugt haben. Manche Fehler kann man ausschließen, so der belgische Forscher, aber leider nicht alle:
    "Wenn man einen Knochen verbrennt, vermischt sich der Kohlenstoff der Knochen mit dem Kohlenstoff des Holzes, das man zum Feuermachen verwendet. Ist das Holz viel älter als der Leichnam, zeigen die verbrannten Knochen später bei einer Radiokarbondatierung ein viel höheres Alter an als es tatsächlich der Fall war."
    Büroklammern in der Urne
    Damit sei es möglich, einen Knochen um 4000 Jahre altern zu lassen. Trotz solcher Probleme sei die Forschung vorangekommen - so weit, dass Archäologen mitunter sogar bei aktuellen Kriminalfällen helfen, berichtet Sebastian Wärmländer von der Universität Stockholm. Kollegen aus Kalifornien, die mit dem schwedischen Chemiker mehrfach zusammen gearbeitet hatten, waren von einem Anwalt um Hilfe gebeten worden, dessen Mandantin ein seltsames Erlebnis hatte:
    "Eine Frau wollte die Urne mit der Asche ihres verstorbenen Mannes beim Bestatter abholen und wurde zunächst mit dem Hinweis auf Probleme abgewiesen. Später erhielt sie die Urne. Die Frau wurde skeptisch, öffnete das Gefäß, sah hinein und wurde stutzig, weil sie ungewöhnliche Dinge entdeckte."
    Der seltsame Inhalt landete bei Sebastian Wärmländer und seinen Kollegen im Labor:
    "Wir haben viele Sachen entdeckt, zunächst Steine, dann Büroklammern und auch Dinge, die wie verbrannte Knochen aussahen. Unsere chemischen Analysen bestätigten das auch. Aber leider können wir nicht wirklich sagen, ob es sich hierbei um menschliche oder tierische Knochen handelt."
    Über Strontium-Isotope auf die Heimat des verbrannten Menschen schließen
    Ob es sich bei der Asche tatsächlich um die Überreste des verstorbenen Gatten handelte, konnte nicht geklärt werden. Unabhängig von solchen kuriosen Einzelfällen lassen sich anhand verbrannter Knochen aber sehr wohl ordentliche Daten gewinnen, so Christophe Snoeck aus Brüssel. Anhand verschiedener Isotope - unterschiedlich schweren Atomen desselben Elements, etwa von Kohlenstoff, Sauerstoff oder Stickstoff - lässt sich die Vergangenheit teilweise rekonstruieren:
    "Die besten Ergebnisse liefern mittlerweile Strontium-Isotope. Mit guten Vergleichsdaten kann man nachweisen, ob die Menschen in den Gräbern in ihrer Heimat bestattet wurden oder von weit weg kamen. Und das können wir auch an kremierten Knochen nachweisen."
    25 Milligramm verbrannter Knochen reichen aus, um gute Ergebnisse zu erzielen. Das gelang Christophe Snoeck bei einer Studie in Nordirland:
    "Die Ausgrabung von Ballynahatty brachte interessante Ergebnisse. Wir hatten vier Skelette untersucht, die normal bestattet waren und drei feuerbestattete. Dabei sahen wir mithilfe der Strontiumanalysen, dass die Menschen, die feuerbestattet waren, überwiegend Nahrung aus dem Süden gegessen hatten, während die anderen meist Nahrung aus dem Norden zu sich genommen hatten."
    Mithilfe einer Strontiumanalyse hätte vielleicht auch geklärt werden können, ob die Asche aus der Urne in den USA von einem Lebewesen stammt, das in den letzten Jahren vor seinem Tod in Kalifornien gelebt hatte oder nicht.