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Der Informationsfluss im Internet verändert die akademische Kommunikationswelt: Der virtuelle Gedankenaustausch wird dem herkömmlichen Publizieren vorgezogen. "Open Access"-Initiativen sichern das Niveau der elektronischen Publikationen und machen sie für jeden zugänglich. Zeitschriften im Netz bieten bereits kostenlos begutachtete Infos an. Diese Entwicklung könnte auch das Verlagswesen umkrempeln.

Von Mathias Schulenburg | 09.10.2005
    So wird es wohl geklungen haben, das Attentat auf Louis Philippe von 1835. Dutzende seiner Getreuen sanken in den Staub, der Bürgerkönig aber blieb unverletzt, richtete sich in seinen Steigbügeln auf und rief: "Ich bin noch da!" Die Nachricht wurde auch nach Berlin übermittelt, mit Flügeltelegraphen, Masten, an denen verstellbare Signalbretter befestigt waren, deren verschiedene Stellungen verschiedene Buchstaben darstellten.

    Die Buchstaben wurden von Beamten mit Fernrohren entziffert und wieder via Flügeltelegraph an die nächste Station weiter gegeben. In drei Tagen war die Nachricht da; die Übertragungsgeschwindigkeit: Ein Wort pro Minute.

    170 Jahre später fließt Information in einer Weise, die sich die Zeitgenossen Louis Philippes beim besten Willen nicht hätten vorstellen können. Das mittlere Management kann heute bei Schnittchen und Tomatensaft zehn Kilometer über dem Boden ins Internet; hierfür nehmen die Großraumflugzeuge der Lufthansa Kontakt mit einem Kommunikationssatelliten auf. Das Internet wiederum bietet Zugriff auf zahllose Informationsquellen, die immer gehaltvoller und wichtiger werden.

    Der Trend heißt "Open Access", "Freier Zugang", worunter tatsächlich zu verstehen sei, dass künftig jedem Menschen mit einer Internetverbindung gute Informationen zur Verfügung stehen sollten, versichert Elmar Mittler, Direktor der gewichtigen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen:
    "Es ist wirklich so, und deshalb ist das zum Beispiel im Bereich der Medizin im vergangenen Jahr in den Vereinigten Staaten ganz massiv diskutiert worden, dass, wenn der Staat oder irgendwelche sonstigen Fördereinrichtungen, wenn die Geld für wissenschaftliche Förderungen geben, dann muss dafür gesorgt sein, so war die Argumentation, dass diese Ergebnisse jedem Arzt, aber auch jedem Patienten im Zweifelsfall frei zugänglich sind.

    Der muss da dran kommen können, und nicht dreißig Dollar oder so etwas bezahlen, um jetzt irgend einen Aufsatz kriegen zu können, und aus diesem Grunde ist es also jetzt in der Vereinigten Staaten so, dass öffentlich geförderte medizinische Forschung spätestens nach einem halben Jahr in einen allgemein zugänglichen Server hinein gegeben werden soll, auch wenn der Aufsatz sonst in einer zu bezahlenden Zeitschrift sich befindet.

    Da ist ein gewisser Schutz für die Verleger, wenn da so ein halbes Jahr gegeben ist, weil für die Wissenschaftler selbst ist es natürlich absolut notwendig, das Allerneueste immer gleich zu haben, also man wird die Zeitschrift deshalb nicht abbestellen, aber in einem angemessenen Zeitraum ist gewährleistet, dass jeder darauf zugreifen kann."

    Für den medizinischen Sektor stehen auch in Deutschland bereits "Open Access"-Quellen zur Verfügung, eine davon nennt Michael Schopen, Leiter der Abteilung für Medizinische Information beim Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information in Köln:

    "Es gibt eine elektronische Zeitschrift, das GMS-German Medical Science, die herausgegeben wird von der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften in Deutschland, es ist ein Projekt, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird und zusammen mit der deutschen Zentralbibliothek für Medizin und dem Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information durchgeführt wird."

    Zur Qualitätssicherung durchläuft auch die elektronische Zeitschrift das übliche Begutachtungsverfahren:

    "Das heißt, zwei voneinander unabhängige Gutachter erhalten den Beitrag des Autors, ohne den Autor zu kennen, der Autor erhält das Gutachten zurück, ohne die Gutachter zu kennen und hat dann die Auflagen der Gutachter in seiner Arbeit umzusetzen und danach wird die Arbeit akzeptiert. Der Vorteil des online-Prozessierens ist, dass die Zeit, die für die Begutachtung erforderlich ist relativ kurz ist verglichen mit Print-Journals, und in der Regel ist ein solcher Begutachtungsprozess innerhalb von vier bis sechs Wochen durchgezogen."

    Da weder Autoren noch Gutachter bezahlt werden müssen und ein Server beim Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information ohnehin betrieben wird, sind die für die elektronische Medizinzeitschrift anfallenden Kosten gering.

    "Die wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften haben den entscheidenden Vorteil, dass sie eine Alternative zu den steigenden Kosten, Subskriptionskosten für ihre Zeitschriften haben und dass sie halt ein schnelleres, transparenteres Publikationsverfahren haben und einen uneingeschränkten Zugriff auf die Artikel.

    Dazu kommt, dass der Autor selber nicht mehr die Rechte an dem Artikel abtreten muss an ein Verlagshaus, sondern die Rechte komplett behält und mit dem Artikel anschließend auch auf seiner Website noch einmal Werbung für sich selber machen kann."

    Auch für die langfristige Speicherung der Informationen sei gesorgt, versichert Michael Schopen.

    Der Kostenfaktor ist eine treibende Kraft der Entwicklung, was auch Elmar Mittler, Direktor der Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen interessant findet:

    " Es ist einfach so, dass man sehen muss, dass das, was also heute auch in der öffentlichen Diskussion ist, das Model der "private equity", dieser Finanzierungsgesellschaften, die also mindestens zehn Prozent Gewinne, möglichst fünfzehn Prozent und mehr zu erreichen versuchen, dass das im Verlagswesen auch Einzug genommen hat.

    Eine große Finanzierungsgesellschaft hat zum Beispiel den Springer-Verlag, also den wissenschaftlichen Springer-Verlag übernommen, Campdon & Sindover, und die Tendenz solcher Investitionsgesellschaften ist, für eine gewisse Zeit - und das tut natürlich dem Publizieren auch gut, dass sollte man nicht vergessen - aber trotzdem, für eine gewisse Zeit mächtig zu investieren, um dann die Dinge verkaufen zu können, nach einem Zeitraum von fünf bis zehn Jahren.

    Also wenn man das mal so aus der Sicht eines Stubengelehrten des 19. Jahrhunderts sehen würde, aus der Zeit, wo also die ganz großen wissenschaftlichen Publikationen auch entstanden sind, dann würde man sagen, "Ich bin jetzt unter die Räuber geraten".

    Nein, es ist ganz klar, dass auf diese Art und Weise jetzt Staatsgeld, das auf der einen Seite für die Forschung ausgegeben wird, für die Forscher ausgegeben wird, nun zum dritten Mal dazu verwendet wird, dass nicht nur die Publikation finanziert wird, das wäre völlig in Ordnung, sondern das darüber hinaus hohe Gewinne finanziert werden. Und dazu ist der Steuerzahler, aus meiner Perspektive jedenfalls, eigentlich nicht da."

    Dass die Jagd nach der Staatsknete für die Finanzierungsgesellschaften tatsächlich profitabel wird, ist keineswegs ausgemacht, die Gegenwehr der Wissenschaftler und ihrer Institutionen verspricht, heftig zu werden. "Open Access" wäre ein mögliches Gegenmittel, zumal es noch weitere wichtige Gründe für seine breite Einführung gibt:

    " Die wissenschaftliche Publikation, die wissenschaftliche Produktion sollte man sagen, steigt pro Jahr in der Größenordnung von zehn bis 15, einfach dadurch, das international immer mehr in Wissenschaft investiert wird. Und wenn man den Versuch machen würde, diese Steigerung durch Publikation in Verlagen zu realisieren, dann würden die Kosten um ein Zehnfaches, um ein 15-faches sich steigern.

    Bei den Quantitäten an Geld, die wir zur Verfügung haben und die ja nicht mehr werden, ist das überhaupt nicht realisierbar. Das heißt, wenn wir wissenschaftliche Kommunikation in Zukunft noch vernünftig haben wollen, dann gibt es keine Alternative dazu, diese Bereitstellung von Kommunikation über Open-Access-Server zu realisieren."

    In Sachen "Open Access" sind die Naturwissenschaften besonders engagiert. Eberhard Hilf, Physiker und Geschäftsführer des Instituts for Science Networking, kommt schon bei der Frage in Fahrt, wann "Open Access" denn in Fahrt komme:

    " Also erst mal vorneweg: "Open Access" kommt nicht in Fahrt, "Open Access" ist seit langem in Fahrt, es weiß nur keiner und es bemerkt nur keiner. Wir haben etwa allein in der Physik mehrere Millionen Dokumente, die auf den Institutsservern bereits liegen, die aber eben von den Suchmaschinen bisher nicht gefunden wurden, und werden, und auch von den eigenen Hochschulen nicht wahr genommen wurden. Also man muss den Schatz erstmal heben, der schon da ist."

    Der Schatz bleibt einstweilen großenteils ungehoben, weil die Suchmaschinen ihn nicht finden können. Dem könnte abgeholfen werden, wenn den Dokumenten so genannte Metadaten zuordnet werden:

    "Das sind kleine Tags, die so getippt sind - spitze Klammer auf, spitze Klammer zu - dass eine Maschine, die die Tags liest ohne was zu verstehen, wenn sie eine spitze Klammer sieht, sagt sie, aha, hier kommt jetzt eine Kodierung, und dann liest sie, was in den spitzen Klammern steht. Und für solche international vereinbarten Kodierungen gibt es also international vereinbarte Regeln, und wer sich daran hält und die nutzt, der kann sein Dokument so ausrüsten, dass auch ihm nicht bekannte Suchmaschinen den Text finden."

    Die Metadaten können mit Hilfe eines Web-Formulars beigegeben werden, mit den gewünschten Folgen:

    "Nehmen Sie meinen Namen, also wie viele Physiker habe ich eine professionelle Homepage, also meine Homepage, wo ich der Öffentlichkeit mitteile, wie heiße ich, woran arbeite ich, in welchem Institut bin ich, was habe ich publiziert. Diese Seite liegt auf dem Netz, und es ist klar, wenn Sie in Google "Hilf" eingeben, dann kriegen Sie 350.000 Fundstellen und mich würden Sie nicht finden. Da ich aber dieses Web-Formular benutzt habe und habe diese Metadaten kodiert beigegeben, bin ich die erste lebende Person unter den Googelfundstellen etwa so an Platz zehn."

    Weil "Open Access" die Wissenschaftler nichts kostet, werden sie geneigt sein, alles, was sie haben, auf das Netz zu legen, mit der Folge eines enorm anschwellenden Informations- oder besser Datenstroms. Dann kommt das Problem, interessierende Informationen zu finden, die Nadel aus dem Heuhaufen herauszufiltern, um etwa Doppelforschung zu vermeiden, nicht das Rad neu erfinden zu müssen.

    "Und das ist gerade für die kleinen und mittleren Verlage eine sehr spannende Herausforderung, mit neuen innovativen Diensten hier in die Szene hinein zu gehen und dann auch gutes Geld zu machen, denn der Leser hat ein Interesse daran, er will ja berühmt werden, er will effektiv forschen, also muss er verlangen, dass er möglichst alles kriegt, das für ihn alles gefunden wird, was es auf dem Netz gibt, und dass es gefiltert ist, so dass alles, was ihn nicht interessiert, auch ihm gar nicht erst angeboten wird. Und diese ganze Filterei ist sozusagen erst am Beginn. Das Traumziel ist, dass die Suchmaschinen später auch die Physik verstehen."

    Nicht richtig verstehen, natürlich. Sie sollen nur Resultate liefern, die aussehen, als hätten sie die Physik richtig verstanden. Damit allein freilich wären sie schon einer großen Zahl von Menschen gegenüber im Vorteil.

    Auch, wenn das Traumziel nicht erreicht würde, die kommerziellen Vorteile von "Open Access" dürften ausreichen, das Publikationswesen zu revolutionieren:

    "Wir haben in unserem Fachbereich eine ganze Zahl von großen kommerziellen Zeitschriften abbestellt, weil wir dort pro Euro nicht denselben Wert bekommen wie wenn wir solche schon geschilderten Dienste für den Fachbereich für die Wissenschaftler einrichten, so dass die wirklich alles finden, was auf ihrem Arbeitsgebiet relevant ist.

    Also das Ganze ist keine Kostenfrage, sondern eine Frage, ob der Staat nach der Gegenleistung für das eingesetzte Geld fragt, oder ob er, wie er das zur Zeit gewohnt ist, sich in hundert Jahren angewöhnt hat, danach nicht fragt. Man gehe nur mal in die Bibliotheken und gucke, ob die Leute die gedruckten Zeitschriften wirklich noch lesen. Antwort: Nein, die holen sich das übers Netz."

    Auch Eberhard Hilf sieht die über "Open Access" erreichbare Qualität der Veröffentlichungen nicht bedroht:

    " Bisher gab es nur ein Verfahren, nämlich, die Verlage haben sozusagen geheime Gutachter, Wissenschaftler aufgefordert, ohne Kosten das zu bewerten, während man jetzt die Möglichkeit hat, entweder dieses Verfahren ebenfalls zu machen, nämlich man stellt das Dokument erst einmal aufs Netz, dann lässt man die Community darüber diskutieren, dann beauftragt man ein paar Gutachter aus dem Fach des Dokuments und lässt das ganz normal wie sonst auch begutachten.

    Aber man hat zusätzlich den Vorteil, dass es konkurrierende Begutachtungen geben kann, es kann verschiedene Formen der Begutachtung geben - offen, geschlossen, mit vollem Text und Namen des Gutachters, oder ohne - und darüber gibt es eine sehr spannende, intensive, internationale Diskussion im Moment."

    David Prosser ist Direktor von SPARC Europe, einem Zusammenschluss von Universitätsbibliotheken aus bislang 14 europäischen Ländern, die sich der Förderung von "Open Access" verpflichtet haben. Die Frage nach der Sicherung der Daten für lange Zeiträume ist offenbar dringlich, die Haltbarkeit von säurefreiem Papier hat bisher kein elektronisches Speichermedium für sich behaupten können:

    "Das ist eine sehr schwierige Frage, die allerdings für Subscriptions-Journale wie "Open Access"-Journale gleichermaßen gilt, denn auch mehr und mehr Subscriptions-Journale werden ausschließlich Online angeboten. Und die Bibliotheken arbeiten hart an Lösungen zur Datenkonservierung.

    Es gibt internationale Projekte nationaler Bibliotheken - der Niederlande, Großbritanniens - die elektronische Informationen für hundert, zweihundert Jahre konservieren sollen, so dass man später weit zurück gehen kann, wie wir heute auf Newton. Es gibt noch keine abschließende Antwort, aber das Problem betrifft nicht allein "Open Access"."

    Wenn die Gemeinde der Wissenschaftler erst einmal die Vorzüge des "Open Access"-Systems in einem hohen Reifegrad zur Verfügung hat, wird dem Fortschritt ein wesentliches Hemmnis erspart bleiben: Die permanente Neuerfindung längst bekannter Verfahren.

    "Doppelforschung lässt sich ganz klar vermeiden, es gibt jetzt auch die Idee, bei klinischen Versuchen auch negative Ergebnisse zu veröffentlichen, was also nicht funktioniert hat. Auch das hilft, Doppelforschung zu vermeiden. Und was Autoren, die ihre Veröffentlichungen Online verfügbar machen, oder in "Open Access"-Journalen publizieren, jetzt erleben: Ihre Veröffentlichungen werden häufiger abgefragt, sie zeigen mehr Wirkung, das macht die Forschung nützlicher.

    Das lässt die Früchte der Forschung schneller reifen, für bessere Produkte, schnellere Medikamentenentwicklung, das Wissen wächst, seine Vermittlung wird besser. Alles durch "Open Access"."

    Auch die Qualität wissenschaftlicher Veröffentlichung sollte durch "Open Access" steigen, und es gibt neue Wege, im Internet zu Ruhm zu kommen - eine wichtige Münze im Wissenschaftsbetrieb.

    "Es gibt interessante Möglichkeiten. Beim gegenwärtigen Begutachtungssystem hat man, sagen wir mal, zwei Experten, die die Veröffentlichung lesen und dann Kommentare machen. Bei "Open Access" könnte man die Veröffentlichung erst einmal ins Netz stellen und die ganze Community macht ihre Kommentare. Das daraufhin überarbeitete und verbesserte Papier könnte dann wie gehabt an zwei Gutachter geschickt werden, die das gründlich analysieren. Und dann wird es ganz traditionell in einer Zeitschrift veröffentlicht.

    Und dann kann man, à la Google, sehen, wie viele Leute sich das ansehen, wie viele Leute sich die Veröffentlichung herunter geladen haben, wie viele Leute Links zu der Veröffentlichung gelegt haben, und es entsteht ein System des "Ranking", der Einstufung. Wie bei der Google-Methode, da finden es die Leute sehr hilfreich, dass die Verlinkung schnell auf die wichtigsten Veröffentlichungen führt. Aber das ist ein Extra. "Open Access" hat mit Zugang zu Informationen zu tun, und wenn man den hat, kann man über neue Möglichkeiten nachdenken, den akademischen Informationsfluss zu organisieren."

    Jahre währte der Streit zwischen Leibniz und Newton, wer wohl die Infinitesimalrechnung als erster zur Reife gebracht habe; hätten sie das Internet gehabt, wäre die Sache womöglich leichter zu entscheiden gewesen, denn, versichert David Prosser, "Open Access" hält auch Zeitmarken bereit, die die Erstveröffentlichung einer Idee belegen könnten.

    "Wenn eine Veröffentlichung in einer elektronischen Hinterlegungsstelle - einem "depository" - abgelegt wird, bekommt man eine Zeitmarke. Die sagt: Die Veröffentlichung wurde dann und dann abgelegt. Und damit sichert man sich Priorität, man kann ja nachweisen, im Internet ist es dann und dann erschienen. Mit "Open Acces" geht es also genau so gut wie mit abonnierten Journalen. Aber im Unterschied zu denen kann man bei "Open Access" die Veröffentlichung noch vor der offiziellen Begutachtung, "Peer Review", machen.

    Das funktioniert in der Physik sehr gut, es gibt auch ein berühmtes elektronisches Physikarchiv in den USA, das von den Physikern vor der Begutachtung beliefert wird, dann kriegen die Kommentare von den Kollegen, lange vor dem eigentlichen Publikationsprozess, und so wird der Fortschritt beschleunigt. Das funktioniert in der Physik nun schon 14 Jahre lang ausgezeichnet."

    Schließlich, versichert auch David Prosser, bedeute "Open Access" nicht nur neue verlegerische Risiken, sondern auch Chancen für neue Geschäftsmodelle:

    "Das grundlegende Geschäftsmodell für "Open Access"-Journale zielt auf die Mittel ab, die gegenwärtig für Subskriptionen ausgegeben werden. Autoren geben für ihre Publikationen Mittel aus dem Forschungsetat an einen Verleger. Im "Open Acces"-Fall müsste der sich nicht mehr um die Verbreitung der Publikation sorgen sondern könnte die Publikation jedem zur Verfügung stellen, der sich dafür interessiert.

    Andere "Open Access"-Journal können, weil kostengünstig, auf die Unterstützung der Universitätsbibliotheken zählen. Es gibt eine ganze Reihe von Modellen, es gibt auch die Möglichkeit, dass die Autoren ihr Material in ein Online-Archiv ihrer Institution stellen, das ist bei Universitätsbibliotheken mittlerweile häufig der Fall."

    Peter Schirmbacher ist Direktor des Computer- und Medienservice der Humboldt-Universität zu Berlin und zugleich Vorsitzender des Vereins "Deutsche Initiative für Netzwerkinformation", DINI. Die Abkürzung erinnert nicht umsonst an DIN, die Deutsche IndustrieNorm, denn auch DINI will systematische Strenge in den Informationsfluss bekommen, soweit das die Server der Hochschulen betrifft, die Computer, auf deren Informationen ein freier Zugriff, "Open Access", möglich ist:

    "Die Betreiber solcher Hochschulserver oder Hochschulschriftenserver wollen eine Art Handlungsanweisung. Sie wollen eine Art Qualitätsstatements: Was muss ich eigentlich machen, damit ich einen ordentlichen Server habe, und aus diesem Grunde haben wir also sieben Kriterien entwickelt, von denen wir sagen, da muss man einen Mindeststandard erfüllen, dann zählst Du zu einem anerkannten Server, oder zu einem anerkannten Service, und das kannst Du Dir bestätigen lassen und dann kriegst Du ein so genanntes DINI-Zertifikat. Dieses Zertifikat ist im Jahr 2004 erstmals veröffentlicht worden, es gibt gegenwärtig zwölf deutsche Hochschulen, die für ihren Server ein solches Zertifikat von DINI bekommen haben."

    Wird eine so zur Reife gebrachte "Open Access"-Möglichkeit nicht doch eine Revolution des Publikationswesens auslösen? Werden Fachzeitschriften verschwinden, Verlage Pleite gehen? Peter Schirmbacher sieht die Entwicklung nicht gar so dramatisch:

    "Es gab und gibt Widerstand der etablierten Medien, aber man muss deutlich sehen, dass sich die erste Aufgeregtheit etwas gelegt hat, auch die erste Aufgeregtheit der "Open Access" Befürworter. Mittlerweile passiert es immer häufiger, dass sich die "Open Access" Befürworter und Verlage an einen Tisch setzen und darüber diskutieren, wie kann man eigentlich das Problem lösen der Zugänglichkeit.

    Und gerade einer der größten Wissenschaftsverlage, nämlich Elsevier, hat also vor einem halben Jahr neue Autorenrichtlinien verabschiedet, und diese Autorenrichtlinien von Elsevier erlauben dem Autor, dass er sechs Monate nach der Erstveröffentlichung in einer Elsevier-Zeitschrift es auf einem Institutional Repository, einer Hochschule veröffentlichen darf, die einzige Bedingung, die Elsevier stellt, ist, dass verzeichnet sein muss, dass die Erstveröffentlichung in einer Zeitschrift von Elsevier stattgefunden hat.

    Das ist - mindestens für DINI - ein akzeptables Ergebnis, wenn dieses bei allen Verlagen so realisiert werden könnte, es ist nicht das Ziel von DINI, in irgendeiner Weise die Leistung, die Verlage erbringen, hinsichtlich bestimmter Formen von Qualitätskontrolle oder Lektorat klein zu reden, insbesondere was Marketing und ähnliche Sachen betrifft, sind Verlage mit wesentlich mehr Erfahrung ausgestattet als jeder Universitätsverlag, der gerade in Gründung ist. Natürlich ist "Open Access" in gewissem Sinne eine alternative Publikationsform."

    Eine Publikationsform, die - obwohl "HighTech" - doch auch geeignet sein könnte, denen zu helfen, die Hilfe nötig haben:

    "Es wäre zu einfach, "Open Access" ausschließlich mit den Kosten zu begründen. Man muss "Open Access" auch sehen unter dem Thema des so genannten "Digital Divide", also der Schere zwischen den armen und den reichen Ländern, den Möglichkeiten, überhaupt einen Zugriff zu Wissen weltweit zu organisieren.

    Wenn man an Dritte Welt-Staaten denkt, wo es schon problematisch ist, den Internetzugang zu organisieren, und wenn dann die elektronische Verfügbarkeit von Wissen nicht gegeben ist, dafür noch einmal bezahlt werden soll, dann sind sie wiederum ausgeschlossen aus der wissenschaftlichen Community. Und das ist ein weiterer Gedanke, der hinter "Open Access" steht."

    So Vieles also spricht für "Open Acces", dass seine Verwirklichung als sicher gelten darf. Einen kleinen Vorgeschmack bietet Google ja heute schon, es ist tatsächlich in Null Komma Nichts möglich, zu erfahren, wer bei dem Attentat auf Louis Philippe 1835 neben dem Bürgerkönig in den Staub sank - da! Unter anderem Minister Mortier. Die angebotene automatische Übersetzung - man kann immerhin leicht erraten, worum es geht - wendet den Namen des Verblichenen in "Minister Mörtel". Das lässt erwarten, dass auch im ausgefeiltesten Fortschritt noch Raum für Heiterkeit verbleibt.
    Bücher, Bücher, Bücher
    Das herkömmliche Publizieren ist langsam und teuer. Beim "Open Access"-Modell hinterlegen Akademiker ihre Schriften auf einem Server und nicht in Bücherregalen. (AP)