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Informationssicherheit
Schaar: Datenschutz wird immer wichtiger

Die geplante EU-Datenschutz-Grundverordnung ist auf die Zeit nach der Europawahl verschoben worden. Das Abkommen sei vor allem am mangelnden Willen der Mitgliedsregierungen gescheitert, Kompetenzen an Brüssel abzugeben, kritisiert der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar.

Stefan Römermann im Gespräch mit Peter Schaar | 24.01.2014
    Stefan Römermann: Datenschutz-Grundverordnung – schon das Wort klingt sperrig. Diese Verordnung sollte eine Art Grundgesetz für den Datenschutz in Europa werden und die bisher geltenden Vorschriften ersetzen. Schließlich stammen die noch aus dem Jahr 1995, also aus einer Zeit, wo das Internet hierzulande noch in den Kinderschuhen steckte. Doch aus der Reform wird vorerst nichts.
    Die EU-Justizkommissarin Viviane Reding verkündete gestern, dass die Datenschutzverordnung nicht mehr vor der Europawahl im Mai verabschiedet wird.
    Am Telefon bin ich jetzt verbunden mit dem ehemaligen Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar, der jetzt die Europäische Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz EAID in Berlin leitet. Guten Tag, Herr Schaar.
    Peter Schaar: Guten Tag, Herr Römermann.
    Römermann: Ist es denn tatsächlich ein großer Verlust für die Bürgerinnen und Bürger? Der Datenschutz in Deutschland ist ja doch vergleichsweise hoch und Verordnungen aus Brüssel bedeuten ja oft immer einen Kompromiss auf kleinstem gemeinsamen Nenner.
    Schaar: Ein kleinster gemeinsamer Nenner wäre sicherlich nicht gut gewesen. Aber das, was die Kommission vorgelegt hatte, bewegte sich ja auf dem Niveau des deutschen Datenschutzrechts und dementsprechend wäre es schon sehr wichtig gewesen, wenn wir in Europa zu einer gemeinsamen Position gefunden hätten. Das hat jetzt nicht geklappt. Es gibt ja den Spruch, wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Offensichtlich hat es da auch am Willen der Mitgliedsstaaten, der Regierungen der Mitgliedsstaaten gemangelt, und das ist genau das Problem, wie wir damit umgehen.
    Römermann: Wo hätte denn die Verordnung für die Bürger ganz konkret Verbesserungen gebracht?
    Schaar: Ganz konkret hätte es die Verbesserung gegeben, dass überall in Europa mit, sage ich mal, gleichen Sanktionen, mit gleichen Regeln gearbeitet würde. Das heißt, dass alle Unternehmen sich an dieselben Regeln zu halten hätten und dass auch – und das ist der zweite wichtige Punkt – die Unternehmen, die ihre Dienstleistungen über das Internet aus den USA zum Beispiel anbieten wie Google, auch an europäisches Recht sich halten müssen, wenn sie europäische Daten dabei verarbeiten. Das ist bisher jedenfalls höchst umstritten und im Zweifel nicht durchsetzbar. Das sind schon ziemlich wichtige Faktoren, gerade wenn wir daran denken, wie viele Daten von uns über das Internet in die USA fließen.
    Römermann: Was denken Sie, woran ist es jetzt bisher gescheitert? Warum ist die Verordnung jetzt schon wieder verschoben worden? Es wird da ja doch schon jahrelang dran gefeilt.
    Schaar: Es wird immer damit argumentiert, dass es noch viele Fragen im Detail gibt. Ich glaube nicht daran, dass das wirklich der Grund ist. Der zentrale Faktor ist sicherlich: Die Regierungen wollen keine Kompetenzen an Brüssel abgeben. Aber ich denke, ein Stück führt daran kein Weg vorbei, und das Thema Datenschutz ist ja mit der Europawahl nicht beendet. Da muss man neu aufsetzen, und zwar vielleicht, indem man jetzt die Kernpunkte einer solchen Reform noch mal herauszieht und sagt, diese Kernpunkte müssen wir jetzt durchsetzen, wie zum Beispiel dieses Prinzip, dass Google auch an europäisches Recht gebunden ist und dass die Datenschutzbehörden gleiche Durchsetzungsmöglichkeiten überall in Europa haben. Wenn das kommt, dann hat man zumindest einen wesentlichen Faktor erreicht.
    Römermann: Das heißt, Sie plädieren für eine etwas abgespeckte Datenschutzreform, nicht das große Grundgesetz, sondern wir haben zwei, drei neue Regeln, die aber uns schon weiter bringen, oder?
    Schaar: Ich denke, dass zumindest die sehr schnell kommen müssen und dass man dann vielleicht auch etwas mehr Zeit hat, sich um diese etwas detaillierteren kleinteiligen Vorschriften zu kümmern.
    Römermann: EU-Kommissarin Reding hofft, dass die Verordnung noch bis Ende des Jahres verabschiedet werden kann. Halten Sie das für realistisch, denn im EU-Parlament gibt es ja dann schließlich auch neue Mehrheiten?
    Schaar: Wie ich dieses Ratsdokument lese, das jetzt veröffentlicht worden ist, sehe ich keine Chance, dass wir bis Ende des Jahres da noch zu einem Ergebnis kommen. Da sind so viele Fragen aufgeworfen worden, sehr detaillierte kleinteilige Fragen, dass man da wahrscheinlich fünf Jahre und länger braucht, wenn man überhaupt auf einen gemeinsamen Nenner kommen will. Da muss ein neuer Aufsatz erfolgen, da muss man noch mal neu starten und wirklich diese großen Punkte sehr schnell zu einem Ergebnis führen.
    Römermann: Haben Sie den Eindruck, Datenschutz hat noch die Priorität, die er verdient?
    Schaar: In der Politik hatte Datenschutz in vielen Bereichen auch in Deutschland lange Zeit diese Priorität nicht. In Brüssel hatte man den Eindruck, dass in den letzten Jahren die Priorität des Datenschutzes deutlich größer geworden ist, und ich hoffe, dass sich daran nichts ändert, denn objektiv ist Datenschutz ein sehr wichtiges Thema und es wird immer wichtiger, je umfangreicher die Datensammlungen sind, die überall gesammelt werden, und die Überwachung, je stärker sie zunimmt.
    Römermann: Der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar – vielen Dank!
    Schaar: Vielen Dank, Herr Römermann.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.