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Informationstechnik
Die Zukunft des Internets

Das Internet wird immer mehr zu einem großen Netz mit Löchern. Um gegen Ausspähung und Datenklau vorzugehen, setzen Spezialisten immer öfter auf abgeschottete Web-Bereiche, so genannte Deep Nets. Das globale Internet droht in nationale Segmente zu zerfallen.

15.02.2014
    Manfred Kloiber: Die Zukunft des Internets war diese Woche auf vielen Ebenen ein ganz großes Thema. So hat der Bundestag am Donnerstag den Ausschuss "Digitale Agenda" eingesetzt. Die EU-Kommission hat am Mittwoch Vorschläge zur zukünftigen Internet-Verwaltung gemacht. Und die in Paris ansässige Netzorganisation "Internet & Jurisdiction Project" hat noch einmal das Katastrophengemälde vom Ende des Internets gemalt. Huch – das Internet am bald am Ende? Wieso das, Peter Welchering?
    Peter Welchering: Drei Entwicklungen gibt es. Erstens: Nationalisierung des Internets infolge der NSA-Affäre – führt zu nationaler Datenhoheit, solche Projekte, wie Schengen Routing, Daten im Schengen-Raum sollen nur noch über Internet-Knoten im Schengen-Raum transportiert werden. Damit geht der Aufbau nationaler Internetze einher.
    Zweitens: Menschen wenden sich vom Internet ab, weil sie es für zu stark überwacht halten. Drittens: Es entstehen immer mehr abgeschottete Web-Bereiche, so genannte Darknets oder Deep Nets, um Überwachung auszuschalten. Paul Fehlinger von Internet&Jurisdiction Project:
    "Wir benötigen eine Art Westfälischen Frieden."
    Welchering: Die Vereinten Nationen sind hier gefordert.
    Kloiber: Die UN will ja auch die EU-Kommission in Sachen Internet-Zukunft stärker in die Pflicht nehmen. Die Kommission hat am Mittwoch ihre Vorschläge vorgestellt, wie die Internet-Verwaltung künftig aussehen soll. Wie sehen die aus?
    Welchering: Sie sind etwas vage geblieben, immerhin aufgeschreckt durch das so genannte Montevideo Statement. Im Oktober 2013 haben sich zehn Internet-Prominente, wie zum Beispiel der Geschäftsführer der Internet-Verwaltung Icann, der Geschäftsführer des World Wide Web Konsortiums, Vertreter asiatischer, lateinamerikanischer und afrikanischer Staaten in der Hauptstadt Uruguays getroffen und am 7. Oktober 2013 eine Warnung veröffentlicht, dass die NSA-Affäre die Zukunft des Internets bedrohe. Die EU reagierte jetzt mit ihren Vorschlägen darauf - Internationalisierung der Icann und Stärkung des Internet Governance Forums als eine Art internationales Parlament des Internets.
    Kloiber: Eine solche Internationalisierung der Icann ist ja schon sehr oft gefordert worden. Wie will die EU-Kommission das denn gestalten?
    Welchering: Indem sie sich an der so genannten Montevideo-Folgekonferenz beteiligt. Nach dem Montevideo-Statement hat die brasilianische Regierung mit mehreren Partnern für den April eine globale Internet-Konferenz in Sao Paulo einberufen, um über folgende Themen zu beraten: Entstaatlichung der Icann und Ausarbeitung von Prinzipien für die Internet-Regulierung. Entstaatlichung der Icann heißt für die EU: Internationalisierung, und dafür will die EU-Kommission auf der Konferenz im April einen Zeitplan verabschieden lassen.
    Kloiber: Bisher hat ja das amerikanische Handelsministerium die Aufsicht über die Icann. Wer soll denn machen, geht es nach dem Willen der EU und anderer interessierte Kreise?
    Welchering: Es gibt die Einsicht, dass die bisherige Internationalisierungsdebatte ein wenig totgelaufen ist. Deshalb gilt: Das Internet Governance Forum mit mehr Vollmachten ausstatten. Aber es gibt Widerstand der Internationalen Fernmeldeunion, die die Icann ganz gern übernehmen würden. Bisher hatte die Fernmeldeunion da wohlwollende Unterstützung der Vereinten Nationen, weil sie als UN-Organisation als mit natürlicher Autorität in Fragen der Internet-Regulierung ausgestattet galt. Diese Unterstützung bröckelt. Zumindest hat sich die UN-Vollversammlung wieder weiter von einem Mandat an die ITU entfernt, als das auf dem Weltinformationsgipfel 2005 in Tunis der Fall war. Eine spannende Entwicklung könnte sein: Das Internet Governnace Forum als UN-Einrichtung etablieren.
    Kloiber: Welchen Einfluss hat Deutschland auf diese Entwicklungen? Immerhin gibt es jetzt ja den Bundestags-Ausschuss "Digitale Agenda"?
    Welchering: Die Digitale Agende bleibt allerdings beratend, sie soll nicht federführend tätig sein, insofern ist das ein ziemlich zahnloser Tiger. Die Bundesregierung hat sich nicht prinzipiell gegen Internationalisierung der Icann gestellt, aber sie betreibt das Thema auch nicht aktiv. Deutschland hat sich im Wesentlichen nach dem Weltinformationsgipfel 2005 aus dieser Diskussion verabschiedet und spielt hier keine Rolle mehr.