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Inhalte statt Zahlen

Forschung. - Den Einfluss der Impaktfaktoren zurückzudrängen, das ist das Ziel einer Deklaration, die heute veröffentlicht wurde. Ihre zahlreichen Unterzeichner plädieren dafür, die Bewertung von Forschung auf eine neue Basis zu stellen. Dr. Robert-Paul Königs ist Abteilungsleiter bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft in Bonn und nimmt dazu im Gespräch mit Ralf Krauter Stellung.

Robert-Paul Königs im Gespräch mit Ralf Krauter | 17.05.2013
    Krauter: Wie berechtigt ist die Kritik am Einfluss der Impaktfaktoren?

    Königs: Also die Analyse, die die Autoren gemacht haben, ist sorgfältig und nachvollziehbar. Und es ist in der Tat so, dass der Impaktfaktor einer Zeitschrift zur Beurteilung eines einzelnen Autors in dieser Zeitschrift sehr wenig taugt. Und das schließen die eigentlich sehr schön auf. Denn die Tatsache, dass die Zeitschrift viel gelesen wird, heißt noch lange nicht, dass jeder Artikel in dieser Zeitschrift viel gelesen wird. Und die Tatsache, dass man ein guter Wissenschaftler ist, heißt auch nicht, dass man gleich in Zeitschriften mit großen Impaktfaktoren publizieren muss. Das hängt auch von der Disziplin ab. Wenn Sie Mathematiker sind, die besten mathematischen Zeitschriften haben einen relativ niedrigen Impaktfaktor, weil die Usancen in der Mathematik eben anders sind. Mithin, die Autoren haben völlig recht, wenn sie sagen, eine Beurteilung, die auf Journal-Impaktfaktoren beruht, ist nicht das Papier wert, auf dem sie gedruckt ist.

    Krauter: Nun kritisieren die Autoren diesen Missstand. Sie weisen aber auch 18 Empfehlungen aus, um Auswüchse künftig zu vermeiden. Die sind zusammengefasst in dieser San Francisco Declaration on Research Assessment. Halten Sie denn diese Vorschläge, die die Autoren machen, geeignet, um solche Auswüchse und Fehlsteuerungen künftig zu unterbinden?

    Königs: Die Vorschläge sind sicherlich überlegt und geeignet. Inwieweit sich nun Individuen die zu eigen machen, da bin ich nicht in jeder Hinsicht sicher. Es steht die Aufforderung drin, immer nur Originalartikel zu zitieren und keine Review-Artikel. Das kann aber manchmal sehr aufwändig sein, die herauszusuchen, die Zitationsstelle zu finden und die möglicherweise noch einmal zu lesen. Also da ist auch vieles dabei, was in der Umsetzung etwas Mühe erfordern wird.

    Krauter: Wobei die von Ihnen gerade angesprochene Maßnahme darauf abzielt, dass viele Wissenschaftler gerne Review-Artikel schreiben, weil die besonders häufig zitiert werden, aber gleichwohl keinen wissenschaftlichen Neuigkeitswert haben. Insofern, daran zu gehen wäre ja eigentlich kein Fehler!

    Königs: Keine Neuigkeitswert, aber kann nicht sagen die haben keinen Wert. Die haben großen Wert, Review-Artikel, und es ist auch eine Auszeichnung, gebeten zu werden einen zu schreiben. Aber Tatsache ist, viele Leute neigen dazu, die zu zitieren. Und deswegen kriegen sie viele Zitate und erhöhen wahrscheinlich auch den Impaktfaktor der journals, in denen sie sind. Wie gesagt, das halte ich für eine Empfehlung, die, sagen wir mal, etwas mehr Altruismus erfordert als mancher Autor vielleicht bereit ist aufzubringen. Andere Forderungen sind wirklich substanziell und essenziell.

    Krauter: Eine entscheidende ist ja, die Arbeiten wieder mehr zu lesen. Das verführerische bei Impaktfaktoren war ja: Sie waren sozusagen eine einfache Zahl, einfach zu ermitteln. Was bedeutet das konkret für die Arbeit bei der DFG? Sie haben ja Leute, die Forschungsarbeiten bewerten müssen, um über Förderanträge zu entscheiden. Wird künftig wieder mehr im Detail gelesen werden müssen? Ist das der Weg?

    Königs: Also auf Ihre Frage, was bedeutet das für die DFG: Hoffentlich nichts, denn wir legen eigentlich schon seit Jahren sehr viel Wert darauf, dass nicht anhand von Zahlen bewertet wird, sondern anhand von Inhalten. Wir haben das in einer Publikationslistenregelung, das klingt jetzt sehr technisch, aber ist doch relativ einschneidend, gesagt: Es darf jeder in seinem Lebenslauf nur fünf Arbeiten nennen. Das heißt, er kann, oder er kann nicht mit einer Anzahl punkten in den Anträgen hier. Und wir gehen davon aus, dass die Gutachter dann reinschauen und sich ein Urteil machen, was tatsächlich getan wurde und nicht, wo publiziert wurde.

    Krauter: Also wir haben mit Forschern gesprochen, die sagen: Genau dieser Anreiz, nur die fünf besten Arbeiten einzureichen, führt natürlich dazu, dass man dann die in den high impact journals, wie "Nature" und "Science" einreicht, und eben nicht die in den unbekannteren open access journals. Sehen Sie da kein Widerspruch?

    Königs: Da sehe ich keinen Widerspruch, wenn tatsächlich die Artikel gelesen werden. In der Selektion ist schon mal eine Aussage über den Forscher, die Forscherin enthalten. Wenn die sagen: Dieser Artikel ist mir wichtig, weil ich da wirklich etwas Neues publiziert habe, das habe ich bei "Nature" nicht unterbringen können oder wollen, aber es ist trotzdem eine meiner interessantesten Arbeiten, dann wäre das für mich ein Anreiz, da reinzugucken.

    Krauter: Wird die Erklärung heute frischen Wind in die Wissenschaftswelt bringen oder eher nicht?

    Königs: Das ist ein ziemlich großer Tanker, der da läuft. Wissenschaftsbewertung ist ja modern geworden. Es wird alles Mögliche evaluiert von allen möglichen. Und da ist es natürlich sehr einfach nach Messzahlen zu schreiben. Diese Deklaration zeigt nun mal wieder, wenn man eine Messzahl zu einer Zielzahl macht, dann ist das keine gute Messzahl mehr. Ich denke, sie wird einen Einfluss haben, aber sie wird nicht die Welt der Wissenschaftsbeurteilung von heute auf morgen ändern.