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Initiative "Bridges"
Musik baut Brücken

Geflüchtete Musiker sollen in der Initiative Bridges vermittelt und gefördert werden, wie andere Künstler auch. Wenn der Aufenthaltsstatus aber noch unklar ist und Geld nicht verdient werden darf, ist das ein schwieriges Unterfangen im ohnehin nicht ganz einfachen Musikgeschäft.

Von Brigitte Scholtes | 19.10.2018
    Die Musik hört man schon von draußen, wenn man sich der Freien Waldorfschule im Frankfurter Stadtteil Dornbusch nähert. Im hinteren Teil eines Klassenraums direkt am orange gestrichenen Eingangsportal haben fünf Musiker ein paar Stühle zusammengestellt, darunter zwei Syrer, der 32-jährige Mustafa und sein fünf Jahre jüngerer Bruder Majed. Beide sind aus ihrer Heimat geflüchtet. Im Halbkreis proben sie eine Longa, Tanzmusik, die ursprünglich aus Armenien stammt, erklärt Mustafa, der eine Oud spielt:
    "Das ist eine Laute, aber bei uns heißt Oud, eine Laute ohne Bünde, es hat double Saiten, klingt wie Laute aber etwas anders."
    Mustafa spielt schon seit Jahren bei Bridges, einer interkulturellen Musikinitiative, die Anfang 2016 in Frankfurt gegründet wurde und die inzwischen mehr als 100 Musiker und Musikerinnen zählt – die Hälfte etwa sind Geflüchtete. Neun Ensembles gibt es inzwischen, ein Orchester, das einmal im Jahr auftritt und ein Kammerorchester.
    Neun Ensembles und viele Probleme
    Musik zu machen ist das eine, damit aber Geld zu verdienen das andere. Dabei hilft ihnen Bridges, erklärt Anke Karen Meyer. Die dunkelhaarige junge Frau ist Kulturmanagerin, sie leitet mit der Flötistin Johanna Leonore Dahlhoff das Projekt und kümmert sich vor allem um die Organisation. Die Geflüchteten erhalten zwar meist zunächst Sozialleistungen. Damit diese nicht gekürzt werden, dürfen sie jedoch nicht hinzuverdienen. Ein schwieriges Unterfangen also für professionelle Musiker, die sich hier eine Existenz aufbauen wollen:
    "Das Konzept eines freiberuflichen Musikers oder einer Musikerin ist auch auf dem deutschen Arbeitsmarkt noch nicht ganz so angekommen, also dieses Verständnis, dass man halt mal einen Job hat und mal nicht, oder man hat einen Auftrag oder Auftritt, und dann hat man wieder keinen, das ist einfach kein Angestelltenverhältnis. Und das ist schwierig, dass nachhaltig wirklich in so Bahnen zu bekommen, dass man weiß, davon kann ich jetzt leben, und davon kann ich auch die nächsten Jahrzehnte hier meine neue Zukunft aufbauen."
    Auch bei der Organisation von Aufträgen könne man helfen, sagt Anke Meyer:
    "Wir sehen uns auch ein Stück weit als Netzwerk oder als Tür in ein Netzwerk, weil, wenn man hier nicht aufgewachsen ist und an der Hochschule war, dann ist es erst mal schwieriger einzusteigen. Und da sehen wir uns auch als Unterstützung."
    Hilfen von der KfW-Stiftung
    Solche Initiativen, die dazu beitragen, dass eine Integration der Geflüchteten gelingt, fördert die KfW Stiftung in ihrem Projekt "Ankommer. Initiative Deutschland": Sie hat Bridges als auch fünf weitere Initiativen acht Monate begleitet und ein Qualifizierungsprogramm finanziert mit Coaching, Fachberatung und Workshops. Die Idee, über Musik den Weg zur Integration zu finden, hat sie überzeugt:
    Dabei spielten viele Geflüchtete zunächst meist nur Musik aus ihren Heimatländern, denn das gebe ihnen Halt, erzählt die künstlerische Leiterin von Bridges, die Flötistin Johanna-Leonore Dahlhoff:
    "Das ist das, was sie kennen, und weil es für sie auch eine sehr gute Erfahrung war, dass sie gemerkt haben, dass die Musik das hier anerkannt wird, dass Menschen in Deutschland Interesse haben an dieser Musik. Das war, glaube ich, eine sehr wichtige Erfahrung. Wir haben aber auch gemerkt, dass im Laufe der Zeit, je besser sie Deutsch konnten, je mehr sie auch deutsches Essen akzeptiert haben und so weiter, desto mehr war auch auf einmal Interesse da, europäische Musik zu lernen und zu spielen."
    Die rothaarige junge Frau ist, das ist deutlich zu spüren, mit viel Energie und Begeisterung bei der Sache. Als Krönung der Mühen wurde Bridges dann gestern Abend mit dem "Special Impact Award" der KfW-Stiftung ausgezeichnet. Bisher hat sich das Projekt über Fördergelder und Spenden finanziert, die 20.000 Euro Preisgeld sind nun eine große Erleichterung der Arbeit, sagt Johanna Dahlhoff:
    "Da brauchen wir Verstärkung, überhaupt den ganzen Anfragen, die wir bekommen, gerecht zu werden und sind da in dieser Zwickmühle, dass wir eben im Kulturbereich arbeiten, wo die Entlohnung nicht immer so ist, wie man sich das wünschen würde, und deswegen müssen wir da so ein bisschen aufpassen."
    Gagen müssen stimmen
    Denn die Musiker werden von Bridges nicht angestellt, das könne man gar nicht leisten. Doch man vermittle häufig orientalische Instrumentalisten und Sänger in andere Projekte, die dann auch wirtschaftlich interessant seien. Und ganz wichtig ist Johanna Dahlhoff auch die Frage der Honorare:
    "Deswegen ist es mir von Anfang an auch ein großes Anliegen gewesen, dass wir bei den Gagenhöhen aufpassen, also dass wir uns auf keinen Fall, weil da Flüchtlinge spielen, uns in einem niedrigen Preissegment bewegen, sondern im Gegenteil auch die Verantwortung sehen bei so vielen Konzerten, die wir auch spielen, dass wir entsprechend entlohnen lassen, weil wir wissen, dass der Markt für Musiker sowieso sehr kritisch ist."
    Denn Geld vom Job Center wollten die eigentlich gar nicht. sie wollten selbständig sein. Diese Motivation will Bridges fördern. Zurück im Probenraum kann man hören: Die Künstler sind mit dem Herzen bei ihrer Arbeit.