Freitag, 19. April 2024

Archiv

Inklusion in Rheinland-Pfalz
Herausforderung für Lehrer

Viele Lehrer fühlen sich auf die neue Herausforderung der Inklusion unzureichend vorbereitet. Der Verband Bildung und Erziehung hat in Rheinland-Pfalz eine Lehrerfortbildung zum Thema angeboten, die 15 Workshops waren schnell ausgebucht.

Von Anke Petermann | 01.10.2014
    Ein Schulkind steht vor einer Tafel, auf der das Wort "Inklusion" geschrieben steht.
    Sind Lehrer gut vorbereitet auf die Aufgaben, die die Inklusion mit sich bringt? (picture alliance / dpa)
    Wie es bei ihnen läuft mit der gemeinsamen Förderung von Kindern mit und ohne Beeinträchtigungen? Viele Lehrer auf der Trierer Fortbildung winken ab, wollen sich dazu nicht äußern. Susanne Braun, Name geändert, skizziert die Herausforderung für ihre kleine Grundschule in der ländlichen Vorderpfalz.
    "Wir haben Kinder mit Körperbehinderung, wir haben Kinder mit Autismus-Spektrum-Störung, wir haben Kinder mit Hörbeeinträchtigungen, wir haben verhaltensauffällige Schüler, die zwar klug genug sind, aber durch ihre Verfassung praktisch nicht am Unterricht teilnehmen können, das ist jetzt mal so die aktuelle Situation."
    Eine Herausforderung, auf die sich die Grundschullehrerin trotz langer Berufserfahrung und Fortbildung unzureichend vorbereitet fühlt.
    "Im Moment funktioniert das handgestrickt. Man guckt jeden Tag, was los ist, und schaut, wie kann man mit dem Kind arbeiten. Sie sind fasst immer alleine, das ist noch nicht mal, dass Sie kein Coaching haben, sondern Sie müssen das eigentlich allein stemmen. Da gibt es keine Regelung, um dieses Problem zu klären, weil meine Schule keine Schwerpunktschule ist, also bekommen wir niemanden. Wir haben eine Stunden-Zuweisung für einen Förderschullehrer bzw. für eine Kollegin, das sind drei Stunden, also drei Stunden in der Woche für 211 Schüler."
    Wie es besser funktionieren könnte?
    "Ich würde mir wünschen, dass ich zum Beispiel jemand im Teamteaching hätte, den ich einmal in 22 Jahren hatte. Das wäre' mal eine Sache. Aber das ist ja nicht alles. Das heißt, dass sich so eine ganze Schule auf den Weg machen muss. Und meine Schule ist keine Schwerpunktschule, also arbeitet da jeder vor sich hin, immer spezielle für die Kinder, die man hat."
    Vorteile des gemeinsamen Unterrichts herausarbeiten
    Zu zweit differenzierter auf Schüler einzugehen, sich gegenseitig zu unterstützen und zu beraten, den Eltern gemeinsam fundierte Förderkonzepte präsentieren zu können, das arbeitet Susanne Braun gemeinsam mit anderen Teilnehmerinnen der Trierer Inklusions-Fortbildung als Vorteile des gemeinsamen Unterrichtens von Regel- und Förderschullehrern heraus. Ilka Quast und Thomas Masyk leiten den Workshop zum Team Teaching, an der gut ausgestatteten integrierten Gesamtschule Contwig ist das ihr Arbeitsalltag.
    "Es sind immer zwei Lehrer in der Klasse, bei uns in der Klasse ist es ein Regellehrer und ein Förderschullehrer, wir bereiten den Unterricht zusammen vor und führen ihn zusammen durch."
    "Bei uns gibt's keine Einzelplayer, bei uns gibt nur Teamplayer. Und das ist ganz, ganz wichtig, und echtes Team Teaching ist schon der Königsweg in der Unterrichtsorganisation im inklusiven Setting: der Austausch, der ja tagtäglich im Sinne des und der heterogenen Schüler stattfindet."
    Team-Teaching von Kindern
    Mindestens 10-12 Stunden Team-Teaching von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf fordert der Verband Bildung und Erziehung und eine maximale Klassengröße von 20 Kindern. Doch die Realität ist davon weit entfernt. Für die Praktiker steht fest: Inklusion krempelt die Schulen methodisch um, mit Frontalunterricht ist diese Herausforderung nicht zu bewältigen. Christian Eberle leitet die Schwerpunktschule im pfälzischen Hagenbach.
    "Wir haben einfach für uns festgestellt, dass offenes Lernen allen Kindern gerecht werden kann. Und jetzt haben wir die Situation, dass viele Kollegen das sehen, die vielleicht noch nicht ganz so mutig waren, und jetzt auch auf dem Weg sind und auch Atelierarbeit zum Beispiel umsetzen, weil sie merken, dass das eine Form ist, die insgesamt das ganze Konzept unterstützt."
    Mit Wochenplanarbeit, Tagebüchern und offenem Materialangebot für die Kinder. Auch die Eltern der Leistungsstarken, die der Inklusion anfangs skeptisch gegenüber standen, legten ihre Bedenken allmählich ab, beobachtet Eberle. Sie spürten,
    "dass die Förderlehrer die da sind, die im Team mit den Klassenlehrern arbeiten, dass das auch den eigenen Kindern zugutekommt, denn wir setzen natürlich die Förderlehrer nicht nur für die Kinder mit sonderpädagogischem Status ein."
    Allerdings, so kritisiert der Verband Bildung und Erziehung Rheinland-Pfalz: auch an den Schwerpunktschulen mangele es teilweise eklatant an Förderschullehrern. Die rot-grüne Landesregierung müsse finanziell nachlegen.