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Innenministerkonferenz
Hohe Hürden für Überwachung von "Whatsapp"

Datensicherheit, Cyberkriminalität - nach dem Hackerangriff auf die Telekom stehen diese Themen ganz oben beim Treffen der Innenminister. Auf ein Ziel legten sie sich bereits fest: Messenger-Dienste wie Whatsapp sollen bald überwacht werden. Doch so einfach ist das nicht möglich.

Von Michael Borgers | 29.11.2016
    Das Logo von Whatsapp auf einem Smartphone.
    Über eine Milliarde Menschen in über 180 Ländern benutzen WhatsApp (picture alliance / dpa / Ritchie B. Tongo)
    Gleich an zwei Fronten gibt es noch viel zu tun, darin waren sich die Innenminister der Länder zum Auftakt ihrer Konferenz in Saarbrücken einig: Auf der einen Seite ist da die eigene Wehrhaftigkeit, also der Kampf gegen Hackerangriffe auf die eigenen Systeme; so wie gerade geschehen bei der Cyberattacke auf Hunderttausende Kunden der Telekom. Und dann stellt sich die Frage, wie weit der Staat selbst bei seinen Bemühungen gehen darf, in andere Systeme einzugreifen - etwa um kriminelle Handlungen zu verhindern oder Straftaten zu verfolgen.
    Dieses gesamte Unterfangen werde immer schwieriger, wie Peter Schall, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Bayern, skizziert: Kurznachrichten und Verbindungsdaten auslesen - die aktuellen rechtlichen Möglichkeiten reichten nicht mehr aus in einer Zeit, in der immer mehr vor allem junge Menschen Messengerdienste nutzen. "Da ist die Polizei außen vor", sagt Schall im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Die GdP unterstütze deshalb die Forderung nach einer besseren Überwachung von Whatsapp und Co - und dem Schaffen internationaler Standards dabei. Denn: Sobald der Server im Ausland stehe, seien die Ermittlungen am Ende, kritisierte Schall.
    Der saarländische Innenminister Klaus Bouillon (CDU) und sein bayerischer Amtskollege Joachim Herrmann (CSU) hatten sich im Vorfeld der zweitägigen Innenministerkonferenz dafür ausgesprochen, mehr rechtliche Möglichkeiten zu schaffen. Ihre 14 Kollegen folgten den beiden Unionspolitikern nun in Saarbrücken: Man sei sich bei dem Thema einig, betonte Gastgeber Boullion. Und Roger Lewentz (SPD) aus Rheinland-Pfalz ergänzte, man müsse an die Menschen, "die dort Kriminelles vorhaben oder die Werbung betreiben für islamistische Gruppen, ran können".
    Hohen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts
    Der politische Wille ist also da. Aber ist es rechtlich auch einfach umsetzbar? Moritz Hennemann vom Institut für Medien- und Informationsrecht an der Universität Freiburg hat daran Zweifel. Eine stärkere Überwachung von Whatsapp und Co. sei an "sehr hohe Hürden geknüpft", erklärte der Jurist im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Würden diese sogenannten "Over-The-Top-Dienste" dem Telekommunikationsgesetz gleichgesetzt - Joachim Herrmann hatte das angedeutet -, bedeute dies auch, dass damit die Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung Anwendung fänden. Und hier müssten die hohen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshof beachtet werden.
    Umstritten sei ja bereits, ob die aktuelle Neuregelung zur Vorratsdatenspeicherung diese Vorgaben einhalte, so Hennemann: "Insbesondere hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil hervorgehoben, dass eine anlasslose Speicherung die Ausnahme bleiben soll."
    Nachdem das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof die (ursprünglichen) gesetzlichen Grundlagen zur Vorratsdatenspeicherung für verfassungs- bzw. europarechtswidrig erklärt hatten, ist die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland Ende 2015 neu geregelt worden (§§ 113a ff. TKG). Ob die Neuregelung die Vorgaben von Bundesverfassungsgericht und Europäischem Gerichtshof einhält, wird kontrovers diskutiert.
    Die Kritik von Konstantin von Notz an dem Vorstoß hält der Rechtswissenschaftler deshalb für zutreffend: Die Politiker aus SPD und Union hielten "geradezu postfaktisch an der Vorratsdatenspeicherung, dem in Gesetzesform gegossenen Generalverdacht, fest", sagte der Fraktionsvize der Grünen im Bundestag den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Anlasslose Vorratsdatenspeicherung stehe der in der deutschen Rechtsordnung verankerten Unschuldsvermutung diametral entgegen.
    "Innenminister sägen an Grundfesten unserer Demokratie"
    Ähnlich äußerte sich Netzaktivist Markus Beckedahl gegenüber dem DLF. "Wir kommen kaum noch nach, die zahlreichen neuen Anti-Terror-Maßnahmen und Überwachungsgesetze zu dokumentieren", unterstrich der Gründer von netzpolitik.org und erinnerte an die geplante neue Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich, kurz Zitis, die sich um das Entschlüsseln dekodierter Kommunikation kümmern soll. Trotzdem gebe es "ständig neue Forderungen nach neuen Maßnahmen", so Beckedahl. "Damit sägen Innenminister wie Hermann und Bouillon an den Grundfesten unserer Demokratie."