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Innenpolitik
Besonnenheit oder Gesetzesänderungen?

Manche Politiker in Berlin sehen nach den Anschlägen von Paris ihre Chance gekommen, harte politische Forderungen umzusetzen. Dass der Kampf gegen den Islamismus viel differenzierter angegangen werden kann, zeigt sich beim Besuch in Moscheen, beim Gespräch mit jungen Salafisten oder beim Telefonat mit einer Beratungshotline.

von Gudula Geuther, Elisabeth Veh und Kemal Hür | 13.01.2015
    Eine Frau hält ein Poster mit einer Solidaritätsbekundung für "Charlie Hebdo" hoch
    Trotz des verbreiteten Aufrufs zur Mäßigung aber arbeitet die Bundesregierung an schärferen Sicherheitsgesetzen, gegen Terrorismus und ausreisende Terroristen. (AFP / Frederick Florin)
    Schock und Anteilnahme herrschten nach den Anschlägen von Paris auch in Berlin. Doch schon bald begann die sicherheitspolitische Debatte - verhalten allerdings, erstaunlich verhalten. In einem Punkt ist die Einigkeit groß, im Ruf nach Besonnenheit.
    "Sowohl der Innenminister als auch der Justizminister sind sich einig, dass das nicht die Zeit für Aktionismus ist. Der Innenminister hat gestern gesagt: Es sind noch nicht mal alle Toten überhaupt beerdigt."
    "Insofern rate ich dazu, dass man jetzt keinen parteipolitischen Aktionismus macht. Was uns alle Recht beschäftigen sollte, das ist die Frage, wie junge Menschen, die bei uns aufwachsen, auf einmal zu islamistischen Terroristen werden können."
    "Es gibt keine perfekte Sicherheit. Schon gar nicht brauchen wir jetzt irgendwelche Gesetzesveränderungen. Sondern wenn, dann brauchen wir Wachsamkeit."
    Ein Sprecher des CDU-geführten Bundesinnenministeriums, der Grüne Parteichef Cem Özdemir, der SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Trotz des verbreiteten Aufrufs zur Mäßigung aber arbeitet die Bundesregierung an schärferen Sicherheitsgesetzen, gegen Terrorismus und ausreisende Terroristen. Es sind Gesetze, die lange vor den Anschlägen geplant wurden. Morgen gibt Bundesinnenminister Thomas de Maiziere einen Entwurf ins Bundeskabinett: Potentiellen Syrien-Kämpfern sollen die die Meldebehörden den Personalausweis entziehen können. Stattdessen sollen diese Männer - oder inzwischen auch Frauen - ein Ersatzdokument bekommen, das nicht zur Ausreise berechtigt. Ein beachtlicher Teil der sogenannten "foreign fighters" aus Deutschland, derer also, die sich in Syrien oder im Irak dem Islamischen Staat anschließen wollen, sind deutsche Staatsbürger. Bisher kann ihnen der Reisepass entzogen werden. Den Personalausweis aber braucht man zur Identifizierung gegenüber der Bank, dem Vermieter, der Versicherung. Deshalb spricht der Innenpolitiker der Linken Jan Korte von einem stigmatisierenden Terroristenausweis und beschuldigt die Regierung eben des Aktionismus, den sie von sich weist. Selbst Innenministeriumssprecher Tobias Plate gesteht zu:
    "Gerade wenn Sie den Gesetzentwurf 'Entzug des Personalausweises – Ausgabe eines Ersatzpapieres' ansprechen, handelt es sich um einen Gesetzentwurf, der einen Grundrechtseingriff beinhaltet, der nicht unerheblich ist. Es ist dadurch geboten, mit der erforderlichen Sorgfalt zu überlegen, wie man eine solche Regelung genau ausgestaltet, damit sie mit der Verfassung vereinbar ist."
    Auch die Ausreise bestrafen
    Tatsächlich hat sich der Entwurf in den vergangenen Wochen verändert. Die Frage, wann genau diese Maßnahme möglich ist, wurde auf einer halben Seite präzisiert, die Hürde höhergelegt. Gleichwohl – der Entwurf von Innenminister de Maiziere, CDU, ist verfassungsrechtlich zumindest nicht ohne. Ein anderes Gesetz soll noch in diesem Monat kommen – Verschärfungen des Strafrechts, aus dem Haus von Bundesjustizminister Heiko Maas, SPD.
    "Es soll in Zukunft schon die Ausreise von Dschiihadisten unter Strafe gestellt werden, wenn sie in der Absicht, an Terrorcamps teilzunehmen oder terroristische Anschläge zu begehen, irgendwo ins Ausland fliegen oder sich verabschieden wollen."
    Eine Resolution des UN-Sicherheitsrates vom September 2014 verlangt ein solches Gesetz von Deutschland. Dabei gibt es hierzulande schon Möglichkeiten, bestimmte Ausreisen zu bestrafen. Lässt sich ein Islamist im Terrorcamp ausbilden, um Anschläge zu begehen, unterstützt ein Kämpfer den IS, dann muss er mit Haft rechnen. In Zukunft aber soll – wie Bundesinnenminister Thomas de Maiziere es nennt - das Reisen als solches strafbar sein.
    "Und dann können wir – ziemlich weitgehend übrigens, wir verlagern die Tat ziemlich weit ins Vorfeld, ich halte das aber trotzdem für richtig – dann können wir selbst dann, wenn wir nicht nachweisen können, dass jemand dort gekämpft hat, dann können wir selbst das Reisen unter Strafe stellen und das ist auch richtig so."
    Weitere Forderung des UN-Sicherheitsrates
    Dass der Innenminister die Verlagerung ins Vorfeld so sehr betont, hat einen Grund: Gesinnungsstrafrecht darf es nicht geben. Je weiter eine Handlung von der eigentlich strafwürdigen Tat entfernt ist, desto mehr bedarf die Strafdrohung der Rechtfertigung. Als die letzte Große Koalition die Ausbildung in Terrorcamps unter Strafe stellte, hatte der Bundesgerichtshof Bedenken. Er verlangte, dass zumindest die Anschlagsabsicht klar beweisbar sein sollte. Die Details der neuen Regelung werden daher verfassungsrechtlich brisant. Gleiches gilt für eine weitere Forderung des UN-Sicherheitsrates. Heiko Maas benennt diesen zweiten Teil seines Projekts:
    "Zum zweiten wird es einen eigenen Straftatbestand der Terrorismusfinanzierung geben. Das heißt, auch bei kleinsten Beträgen, die in den Terrorismus fließen sollen, wird das Strafrecht dann auch angewandt werden können."
    Die Bundesregierung plant nicht am grünen Tisch. Ausreisende Kämpfer, Rückkehrer, Gefährder bestimmen inzwischen auch in Deutschland den Arbeitsalltag vieler Sicherheitskräfte. Und auch den der Justiz. Generalbundesanwalt Harald Range zählte in seiner Jahrespressekonferenz vor einem Monat Verfahren gegen 83 Personen auf. Dazu kommen weit mehr in den Bundesländern.
    "Wahre Religion" findet Nachwuchs
    Eine Shishabar im Münchner Bahnhofsviertel - an einem sonnigen Samstag im Mai des vergangenen Jahres. Treffen mit einem jungen Mann, Anfang 20. Basayev nennt er sich, das aber ist nicht sein richtiger Name. Ein halbes Jahr zuvor habe er den Koran für sich entdeckt, erzählt er. Und das habe sein Leben verändert.
    "Ich bin ledig, und ich arbeite bei einer deutschen Firma im Büro. Und ich setze mich schon seitdem ich 'ich' bin, seitdem ich erwachsen bin, setze ich mich ein für die Menschen, die aus der Dritten Welt kommen, für Waisenkinder, und seit neuerdings auch für Nicht-Muslime. Seit neuerdings ... ungefähr seit zwei Jahren, damit sie die wahre Religion finden können und das leben können was sie verdient haben."
    Sven Lau spricht bei einer Kundgebung in ein Mikrofon, links von ihm hört Pierre Vogel zu.
    Die salafistischen Prediger Pierre Vogel (l.) und Sven Lau auf einer Kundgebung im Juli in Hamburg. (dpa / Markus Scholz)
    Zu sich selbst gefunden – wie er es bezeichnet - hat Basayev durch eben diese "Wahre Religion". So heißt die salafistische Organisation um den Prediger Ibrahim Abou-Nagie, deren Mitglieder bekannt dafür sind, in Fußgängerzonen den Koran auf Deutsch zu verteilen. Die Männer – oft mit Vollbart – fallen auf, sie tragen weite, weiße T-Shirts mit dem Aufdruck "Lies!" über ihren Klamotten. Der Verfassungsschutz beobachtet die Organisation, unter anderem weil Abou-Nagie offen sagt, dass ihm die Scharia lieber wäre, als das Grundgesetz. Vor allem aber, weil einige seiner Anhänger den Traum vom Gottesstaat so ernst nehmen, dass sie sich islamistischen Terror-Organisationen anschließen und für diese in den Krieg ziehen. So wie der Bruder von Basayev.
    "Der ist jetzt in Rakka, in Syrien, seit ungefähr einem Jahr und sechs Monaten. Das ist eine Stadt in Syrien."
    Von dort schickte er Basayev Bilder, übers Handy, per Whatsapp. Bilder, auf denen er einer der Männer geworden ist, die man aus Propagandavideos kennt: Basayevs Bruder trägt Tarnkleidung, Maschinengewehr, und posiert entschlossen vor der inzwischen bekannten Flagge: schwarzer Hintergrund, weiße Schrift: IS.
    "Er ist gegangen, weil er es nicht ausgehalten hat. Diese Videos in Youtube und die Berichte, die im Fernsehen gezeigt werden, wo Kinder getötet werden, wo Frauen vergewaltigt werden, das hat er einfach nicht mehr ausgehalten, sein Herz wurde zu schwach, und dann hat er gesagt, ich erhebe mich, ich werde an der Front kämpfen gegen die Ungläubigen, die gegen uns und unsere Religion sind."
    Einmal die Woche meldete sich der Bruder bei Basayev; abends, da hatte er Zeit. Und Basayev hörte ihm zu – auch der Anfang 20-Jährigehat längst angefangen, die Welt in Gläubige und Ungläubige einzuteilen. Wenn das passiert, dann spricht Florian Endres von Radikalisierung.
    Beratungshotline gibt ersten Rat
    Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg hat eine bundesweite Hotline geschaltet, für die Florian Endres zuständig ist. Hier melden sich Mütter, Väter, Freunde oder Lehrer aus ganz Deutschland, die jemanden kennen, schätzen oder lieben, der Salafist geworden oder in Kontakt mit der salafistischen Szene ist. Jeden Tag klingelt es, mehrmals. Am Telefon gibt es dann ersten Rat.
    "In der Regel dauern diese Erstgespräche so bis anderthalb Stunden, die sind sehr emotional oft. Also es ist durchaus so, dass die Eltern anrufen erst mal weinen und sehr verzweifelt sind, und man muss die erst mal beruhigen."
    Manchmal stecken typische Erwachsenwerden-Probleme dahinter, wenn jemand Salafist wird. Oft sind es aber auch Misserfolge in Schule oder Job, die Scheidung der Eltern, Drogen- oder Diskriminierungserfahrungen. Florian Endres schlussfolgert:
    "Ihnen fehlt letztlich ein Tool, um diese Probleme meistern zu können. Und da können dann genau salafistische Argumentationslinien andocken. Ja? Du hast ein Problem weil du falsch gläubig bist, weil du dem falschen Islam bislang gefolgt bist und wenn du dich uns anschließt und unserem Religionsverständnis folgst, dann bist du auf der richtigen Seite, dann wird auch alles besser."
    Die Mitarbeiter der Hotline vermitteln dann Beratungsstellen und -projekte in ganz Deutschland, die vor Ort mit den Angehörigen zusammenarbeiten. Dahinter steckt der Plan, ein starkes soziales Netz aufzubauen, das gegen radikale Gedanken helfen soll.
    "Lieber, dass er dort stirbt"
    Bei Basayevs Bruder waren die Gedanken am Ende stärker – und auch ihm selbst ist beim Interview im Mai anzuhören, dass er auf einem ähnlichen Weg ist.
    "Ich vermisse ihn natürlich, aber ich bin glücklich, nicht nur wegen ihm. Ich bin glücklich, dass Millionen von Menschen sich erheben gegen dieses System, was uns unterdrückt. Mir ist lieber, dass er dort ist, anstatt hier zu sitzen und sein Abitur zu machen oder bei der Bäckerei zwei Sonntagsbrötchen zu verkaufen. Es ist besser, dass er für seine Religion stirbt."
    Im Sommer des vergangenen Jahres, kurze Zeit nach dem Interview, folgte Basayev seinem Bruder. Er reiste nach Syrien und schloss sich dort vermutlich auch der Terror-Organistation Islamischer Staat an. Jedenfalls posierte Basayev auf seinem Facebook-Profil ganz offen mit einer Waffe. Das machte die Sicherheitsbehörden auf ihn aufmerksam. Als er wenige Monate später, im Herbst, mit dem Zug wieder zurück nach München wollte, wurde Basayev an der deutschen Grenze verhaftet. Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat, das wirft man ihm vor. Anklage ist noch nicht erhoben. Wo sich Basayevs Bruder befindet, ist nicht bekannt.
    Auch bei den muslimischen Verbänden in der Bundesrepublik hat bereits im vergangenen Sommer und Herbst das allgemeine Entsetzen über den Islamischen Staat zu einer Haltungs-Änderung geführt. Die Verbände lehnen Terror im Namen ihrer Religion ab und sagen, solche Taten hätten mit dem Islam nichts zu tun. Gemeinsam wohl mit der Mehrheit der rund vier Millionen Muslime in Deutschland sahen sie daher lange keinen Anlass, sich vom Terror des IS zu distanzieren. Im September dann organisierten die großen deutschen Islamverbände, die sich 2007 zum Koordinationsrat der Muslime zusammengeschlossen haben, einen bundesweiten Aktionstag gegen Unrecht, Terror und auch Rassismus.
    Schnellere Distanzierung
    Nach den Anschlägen in Paris kam die Reaktion schneller. Unmittelbar nach den Überfällen verurteilten die Verbände den Terror als "abscheulich", "menschenverachtend" und "Verbrechen gegen die Menschlichkeit". Auch wenn sie die Taten wieder als nicht-islamisch bezeichnen, wollten sie diesmal nicht warten, bis sie zu einer Distanzierung gedrängt würden, sagt Ender Cetin, Vorsitzender der Sehitlik-Moschee. Diese größte Berliner Moschee gehört zur DITIB, der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion. DITIB ist Deutschlands größte Organisation türkischstämmiger Muslime.
    "Man ist empört, aber man verliert auch die Ausdauer und Kraft, sich immer wieder distanzieren zu müssen. Wir hoffen auch, dass wir glaubwürdig sind. Aber ich denke auch, dass wir durch unsere positive Arbeit auch glaubwürdig sind. Die Frage ist, ob das wahrgenommen wird, was wir tun. Und da wünsche ich mir natürlich von der Öffentlichkeit mehr Interesse, dass sie in unsere Arbeit hineinschauen und uns wahrnehmen."
    Der Tag der offenen Moschee am 3. 10. 2014 in Berlin in der Sehitlik-Moschee am Columbiadamm.
    Der Tag der offenen Moschee am 3. 10. 2014 in Berlin in der Sehitlik-Moschee am Columbiadamm. (Deutschlandradio)
    Die Sehitlik-Moschee in Berlin-Neukölln arbeitet seit Jahren ehrenamtlich unter anderem mit Schulen und Polizei zusammen, um Jugendliche vor einer Radikalisierung zu schützen. Um diese Arbeit zu professionalisieren, hat der Moscheeverein gemeinsam mit dem Zentralrat der Muslime beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Projektgelder beantragt. Dieses Projekt soll auch radikalisierten Jugendlichen zugutekommen, die bereits in Syrien in den Reihen des IS mitgekämpft haben, sagt Cetin.
    "Muslimische Verbände fühlen sich in der Verantwortung, dass die Rückkehrenden zurückfinden zur Gesellschaft. Denn letztendlich gibt es so viele Beispiele in der Vergangenheit, Afghanistan-Rückkehrer, Balkan-Krieger oder so etwas. Es ist machbar, dass sie – wenn ihnen diese Hilfe angeboten wird – sie auch sich wieder in der Gesellschaft finden, und zwar, dass wir mit unseren gemeinsamen Werten, die wir haben, dass sie auch damit in Einklang leben. Also das ist möglich."
    Raus aus der Rechtfertigungsecke
    Die Verbände setzen auf Prävention und wollen dafür finanziell gefördert werden. Der Aufruf, sich vom Terror zu distanzieren, meist in Kombination mit der Forderung nach schärferen Gesetzen, stellt die Muslime unter einen Generalverdacht, sagt Ender Cetin. Besonders junge Muslime fühlen sich nach solchen Aussagen stigmatisiert und von der deutschen Politik ausgegrenzt. Es kommt aber vielmehr darauf an, ihnen das Gefühl zu geben, dass sie Teil der deutschen Gesellschaft sind, sagt der Gemeindevorsitzende.
    "Es ist manchmal anstrengend, immer wieder in dieser Rechtfertigungsecke zu stehen. Da verlieren viele Jugendliche gerade auch das Selbstbewusstsein bei solchen Themen und bauen sich eine Protestidentität auf, in einer Opferrolle sozusagen. Das wollen wir eigentlich nicht. Wir wollen selbstbewusste junge Muslime haben, die sich wohlfühlen in diesem Land. Und deswegen wünschen wir uns, dass die Wahrnehmung auf beiden Seiten natürlich stattfindet."
    Die Einrichtung der Deutschen Islam-Konferenz, die auch gerade heute in Berlin zusammengetreten ist, sei ein richtiger Schritt, sagt Cetin. Die Verbände ihrerseits hätten eingesehen, dass es besser sei, mit einer Stimme zu sprechen. Daher sei es richtig gewesen, sich zum Koordinationsrat zusammenzuschließen. Dieser Dachverband wolle aber nicht nur Ansprechpartner für Sicherheitsfragen sein. Mit der Islamkonferenz zeige der Staat, dass er die Vertreter der Muslime als Partner auf Augenhöhe wahr- und ernstnehme.
    "Dass das existiert und stattfindet, zeigt auch, dass Deutschland bereit ist, Muslime als Kooperationspartner zu sehen. Und ich denke, dass da auch die Bereitschaft mehr und mehr wächst für die Anerkennung, dass der Islam auch institutionell als Körperschaft vielleicht in Zukunft anerkannt wird. Also unser Traum ist, dass irgendwann auch Muslime in einem jüdisch-christlichen Abendland auch so integriert werden, dass man vielleicht mal von einem jüdisch-christlich-muslimischen Abendland auch sprechen kann."
    Dass Bundeskanzlerin Angela Merkel diese Woche erklärt hat, der Islam gehöre zu Deutschland, das hat die Muslime mit Genugtuung erfüllt. Und ein wichtiger Schulterschluss zwischen den muslimischen Verbänden und den Staatsrepräsentanten findet zur Stunde in Berlin am Brandenburger Tor statt.
    Die Verbände hatten zu einer Mahnwache aufgerufen, um nach den mörderischen Anschlägen in Paris ein Zeichen gegen den Terror im Namen des Islam zu setzen. Mit Bundespräsident Joachim Gauck als Hauptredner. Kanzlerin Merkel und Dutzende Vertreter der Regierung, der Parteien, Kirchen und auch des Zentralrats der Juden waren dabei. Eine seltene Einheit, die besonders den muslimischen Verbänden gefallen dürfte.
    De Maiziere: "Balance halten"
    Doch es wird nicht lange dauern, bis die Kraft der symbolisch wichtigen Gesten verbraucht ist und die Sicherheitsfragen wieder das politische Geschäft bestimmen. Die Bundesregierung betont nach wie vor: keine Panik. Doch stehen Forderungen nach mehr Gesetzesverschärfungen auch aus der Koalition im Raum. Thomas de Maiziere, der Bundesinnenminister, CDU, sagt dazu:
    "Man muss eine Balance halten. Man kann einerseits sagen: Ihr könnt doch nicht im Angesicht des Terrorismus irgendetwas machen. Das ist Alarmismus, das ist Aktionismus und so. Umgekehrt muss man aber auch prüfen, ob man etwas falsch gemacht hat. Das machen wir doch alle im täglichen Leben. Da ist etwas geschehen und dann fragen wir uns: Wie konnte das geschehen? Müssen wir etwas ändern?"
    Bundesjustizminister Heiko Maas, SPD, im November 2014
    Bundesjustizminister Heiko Maas, SPD (imago / commonlens)
    Ihm geht es unter anderem um die Vorratsdatenspeicherung, um ein Instrument also, das Frankreich hat. Die Gegner sagen: Das hat die Anschläge nicht verhindert. Die Befürworter: Dort können nun Hintermänner ermittelt werden. Oder, in den Worten des CSU-Innenpolitikers Hans-Peter Uhl: "Und wer da noch fabuliert, dass das alles ein Anschlag auf den Datenschutz der braven Deutschen ist, der hat die Lage nicht erkannt."
    Während der Bundesjustizminister, Heiko Maas, argumentiert: "Wir sagen alle im Moment: 'Je suis Charlie!' Wir verteidigen die Pressefreiheit. Mit der Vorratsdatenspeicherung speichern wir auch alle Daten von Journalistinnen und Journalisten und schränken die Pressefreiheit ein. Das passt nicht zueinander. Die Vorratsdatenspeicherung hilft uns nicht, sie verstößt gegen die Grundrechte. Und deswegen sehe ich auch nicht, dass sie kommen wird."
    Andere Fragen sind offen. Soll Europa ein eigenes Fluggastdatenabkommen schaffen? Soll die sogenannte Sympathiewerbung strafbar sein? Wie viel Geld braucht die Polizei?
    Die Diskussion fängt gerade erst an. Das Fazit des Bundesinnenministers steht bereits fest. "Ich kann nicht mehr sagen, als dass die Sicherheitsbehörden in Deutschland gut aufgestellt sind und sich große Mühe geben, solche Anschläge zu verhindern. Dazu gehört auch verdeckte Arbeit. Dazu gehört auch mal offene Arbeit. Und trotzdem kann man einen solchen Anschlag im Kern nicht verhindern."