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Innere Medizin
Ist das Gekröse ein neues Organ?

Das Darmgekröse galt lange als ein Gewebe, das dem Darm Halt gibt. Früher wurde es eingeteilt in die Darmabschnitte, mit denen es verbunden war. Jetzt heißt es, das Gekröse bilde eine eigene zusammenhängende Einheit und damit ein Organ. Einige Mediziner sind noch skeptisch.

Von Martin Winkelheide | 10.01.2017
    Midsection view showing internal organs of human body. PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright: StocktrekxImages STK701088H midsection View showing Internal Institution of Human Body PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright StocktrekxImages STK701088H
    Ausschnitt eines künstlichen Torsos, der die menschlichen Innereien zeigt. (imago / StocktrekxImages)
    "Das Darmgekröse ist schon sehr lange bekannt. Schon Leonardo da Vinci hat in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts dieses Darmgekröse beschrieben."
    So Tobias Goeser. Auch die wichtigste Funktion des Darmgekröses ist schon lange bekannt, sagt der Professor. Er leitet die Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie des Universitätsklinikums Köln. Am Gekröse ist der Darm aufgehängt:
    "Der Darm liegt ja nicht wie ein langer Gartenschlauch im Bauchraum, sondern er ist an einer Aufhängung befestigt. Und über diese Aufhängung laufen die Blutgefäße in den Darm rein, versorgen ihn mit Blut, und die Nährstoffe des Darmes, die der Darm aufgenommen hat, werden über die anderen Gefäße wieder zurück an den Körper geschickt. Insofern kann man das Darmgekröse als eine Mittlerfunktion zwischen dem Darm und dem Körper bezeichnen."
    Organ oder nicht?
    Das Gekröse ist wichtig für den Darm. Für den Halt und für die Versorgung. Auch wenn es, anatomisch gesehen, eine Einheit bilden würde - reicht das aus, es als Organ einzustufen? Tobias Goeser ist skeptisch.
    "Wenn man jetzt die Idee eines Organs, was ja die Autoren hier aufbringen, verfolgen will, dann heißt ja ein Organ: ein zusammenhängendes Gebiet mit einer bestimmten Funktion. Zusammenhängendes Gebiet. Das haben die Autoren so gelöst, dass sie gesagt haben: Wenn man genau guckt, kann man schon sehen, dass das auch in den Bereichen, wo wenig Gekröse ist, doch irgendwie auch ein bisschen Aufhängung ist, also entlang des gesamten Magen-Darm-Traktes eine Aufhängung besteht, ein Gekröse ist und es deswegen ein zusammenhängendes Gebilde ist. Und wenn dieses zusammenhängende Gebilde jetzt noch eine Funktion hätte, dann könnte man es als Organ bezeichnen. Aber dieser Punkt ist noch nicht ganz geklärt."
    Die Risiken der Fetteinlagerung
    Fehlfunktionen des Gekröses, so die irischen Mediziner der Universität Limerick, könnten die Entstehung von Krankheiten begünstigen. Tatsächlich lagern übergewichtige Menschen im Mesenterium besonders viel Fett ein. Diese Fetteinlagerung sorgt für eine Freisetzung entzündungsfördernder Nachrichtenstoffe. Eine Folge: Arteriosklerose.
    "Daher weiß man auch, dass derjenige, der Gewicht zunimmt, vor allem einen dicken Bauch bekommt, und daher mehr Fett in seinem Bauchgekröse hat, ein erhöhtes Risiko hat für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, für Schlaganfall Herzinfarkt – aber eben auch für eine Fettleber."
    Welchen Einfluss hat das Gekröse auf den Darm?
    Und welchen Einfluss hat das Gekröse auf den Darm? Kann es Darmerkrankungen direkt oder indirekt auslösen? Zum Beispiel chronisch entzündliche Darmerkrankungen? Tobias Goeser:
    "Es hängt ja am Darm dran, also man kann darüber streiten, ob eine Entzündung oder eine Immunantwort, die im Darm abläuft, letztendlich durch das Gekröse gesteuert wird, wo das Blut ja vorher durchgelaufen ist, oder ob es umgekehrt ist: Es wird vom Darm gesteuert, und der gibt eben nur das über seine Leitungen, sprich: über das Gekröse ab. Ist die Entzündung primär im Darm. Oder ist es umgekehrt, dass die primäre Störung im Gekröse liegt und deswegen entzündet sich der Darm.
    Aber da sind die Bücher noch nicht geschlossen? Tobias Goeser: "Sicherlich bei weitem noch nicht."