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Innovation in kleinen Schritten

Forschungspolitik. - Nach langen Diskussionen beschloss der Bundestag Anfang 2002, den unter strengen Auflagen zu genehmigen. Seither sind insgesamt 14 derartiger Importgenehmigungen erteilt worden. Jetzt ziehen Bonner Experten eine erste Zwischenbilanz.

Von Michael Lange | 20.12.2005
    Drei Jahre Arbeit mit menschlichen embryonalen Stammzellen hat Oliver Brüstle hinter sich. Sein Arbeitsumfeld hat sich in dieser Zeit vollkommen verändert. Sein Institut für Rekonstruktive Neurobiologie befindet sich seit einem Jahr in einem vierstöckigen Neubau im Klinikgelände auf dem Bonner Venusberg.

    "Wir arbeiten heute in einem der modernst ausgerichteten Zentren für die Biomedizin in Deutschland im Life- and Brain-Gebäude."

    Und dort wachsen und gedeihen auch die vor drei Jahren aus Israel importierten, menschlichen embryonalen Stammzellen - gefüttert und gepflegt von einem neuartigen Robotersystem. Links ein Brutschrank für die Zellen, rechts ein Kühlschrank für die Nährmedien. In der Mitte ein steriler Glaskasten, in dem ein Kleinwagen Platz hätte. Hier macht ein automatisches System alles, was vor drei Jahren noch Wissenschaftler und Laboranten erledigen mussten. Das ist mehr als nur Füttern, erklärt Brüstles Mitarbeiterin Stefanie Terstegge.

    "Das Medium abnehmen, die Zellen waschen, Enzym dazugeben, das die Zellen ablöst. Dann können die Zellen auf den Heizschüttler gestellt werden, wo sie bei 37 Grad Celsius für fünf Minuten geschüttelt werden. Dann können die Zellen abgespült, zentrifugiert, in neuem Medium aufgenommen werden und wieder auf die Platten verteilt werden."

    In den letzten drei Jahren ist es dem Team um Oliver Brüstle gelungen, aus den embryonalen Zellen Vorläuferzellen für Gehirnzellen zu machen.

    "Die Gewinnung dieser neuralen Vorläuferzellen hat wieder Erwarten sehr gut funktioniert. Man kann in einigen Bereichen sagen, was die Reinheitsgrade angeht, besser als es bei der Maus der Fall war. Wir geben die Zellen als noch unreife, wanderungsfähige Vorläuferzellen ins Gewebe. Diese Zellen müssen sich ja einbauen in die Architektur des Nervensystems und unterlaufen dann eine spontane Ausreifung beispielsweise in Nervenzellen. "

    Wenn auch nur einige Zellen ihre embryonalen Eigenschaften behalten, besteht das Risiko, dass sie zu Krebszellen entarten. Das muss unbedingt verhindert werden. Wichtig dafür ist die Reinheit der Zellen. Den Bonner Wissenschaftlern ist es in den letzten drei Jahren gelungen, eine sehr hohe Reinheit zu erreichen. Als Beleg präsentiert der Doktorand Philipp Koch einige Bilder, auf denen bestimmte Proteine in den Zellen angefärbt sind. Diese Proteine sind typisch für Vorläuferzellen. Sie zeigen, dass in der Zellkultur aus embryonalen Zellen Vorläufer von Gehirnzellen geworden sind.

    "Unsere neuralen Vorläufer sind so rein, dass sie bei Transplantation im Tier keine Tumoren entwickeln."

    Wichtig ist außerdem, dass die Zellen ihre Aufgaben im Gehirn erfüllen können. Thoralf Opitz untersucht im Bonner Institut in einer eigens konstruierten Apparatur, ob die Zellen elektrische Signale aufnehmen und abgeben können wie richtige Nervenzellen.

    "Da haben wir erste Untersuchungsergebnisse und können uns sicher sein, dass die Zellen, die hier im Institut generiert wurden, diese Vorläufer auch tatsächlich funktionelle Neurone bilden können in Kultur. Der nächste Schritt wäre jetzt, wie sie sich in Gewebeverbänden verhalten, wenn ich sie in Gewebeverbände einbringe. "

    Die Arbeiten mit den menschlichen embryonalen Stammzellen kommen gut voran. An eine erste Anwendung an Patienten denkt Oliver Brüstle allerdings noch nicht. Es beunruhigt ihn, dass in den USA bereits nächstes Jahr erste Behandlungsversuche mit embryonalen Stammzellen geplant sind.

    "Ich halte das für früh, für zu riskant, wenn eine Technologie zu früh in die Anwendung gepresst wird, bevor alle Zwischenschritte systematisch durchlaufen worden sind. "