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Innsbrucker Festwochen für Alte Musik
Antike in den Alpen

Von Jörn Florian Fuchs | 23.08.2014
    So etwas darf, nein, muss manchmal einfach sein. Eine leichte Komödie mit viel musikalischem Witz und bald zu erahnendem frohen Finale, kein übergestülptes Regiekonzept und dazu noch junge Sänger, die vielleicht vor einer großen Karriere stehen.
    Antonio Cestis "L'Orontea" gilt als erste Komödie des Genres Oper, das Stück wurde 1656 uraufgeführt - in Innsbruck. Dort war Cesti Hofkomponist, ursprünglich plante er eine Karriere als Geistlicher, doch die damals neuen Mittel weltlicher Barockmusik brachten ihn von diesem Pfad ab. "L'Orontea" führt in ein sehr fernes Fantasie-Ägypten, die Titelfigur ist Königin und hat allen fleischlichen und emotionalen Genüssen abgeschworen, da taucht der verletzte Alidoro auf. Dieser ist Maler von Beruf. Eigentlich soll Alidoro ein royales Mädel von einem feindlichen Hof ehelichen, doch bei Orontea gefällt es ihm irgendwie, dazu fliegen ihm die Sympathien diverser Damen nur so zu. Etliche Konflikte, Verwicklungen, Konfusionen später findet das vermeintlich ungleiche Paar zusammen, Alidoro entpuppt sich als Prinz und der Vorhang schliesst sich freudig wie feierlich.
    Ein echter Hingucker mit tollen Kostümen
    In Innsbruck freilich fehlt der Vorhang, weil man unter freiem Himmel, im Innenhof der Theologischen Fakultät spielt. Stefano Vizioli und seine Ausstatterin Anna Maria Heinreich gestalten ein augenzwinkernd historisierendes Spektakel, einen echten Hingucker mit tollen Kostümen und inspirierter Personenregie. Dass daraus auch Theater für die Ohren wird, ist David Bates und seiner Truppe La Nuova Musica zu danken. Vor allem barocke und moderne Gitarrenklänge sorgen für luftig-heitere Stimmungen. Fast alle Sänger sind Preisträger des letztjährigen Cesti-Wettbewerbs, der zum fünften Mal stattfand und - völlig zu Recht - vom britischen Tenor Rupert Charlesworth gewonnen wurde.

    Das Konzept, junge preisgekrönte Sänger allesamt gleich ins kalte Profiwasser zu werfen, dürfte ziemlich einmalig sein. Im Falle von "L'Orontea" geht es jedenfalls auf. Die Sopranistin Giuseppina Bridelli singt die Königin mit perfekter Technik, fein differenziertem Timbre und viel Emphase, Fernando Guimarães gibt seinem Alidoro viel Kraft und Schmelz mit auf den doch recht langen Weg bis zur finalen Party. Ganz hervorragend auch der Counter Michał Czerniawski als Corindo, eine ebenfalls im Liebestaumel befindliche Nebenfigur. Jeffrey Francis ist der einzige etablierte Sänger im Ensemble und überzeugt als Philosoph Creonte, der so gar nichts mit Oronteas anfänglicher Liebes- und Leibfeindschaft anfangen kann.
    Schöne, szenische Leistungen
    Man merkt zwar, dass noch nicht sämtliche Darsteller wirkliche Bühnentiere sind, Stefano Vizioli animiert alle jedoch zu letztlich schönen szenischen Leistungen. Anna Maria Heinreichs nicht zu sehr wallende Barockkostüme harmonieren sehr geschmackvoll mit den sparsamen Bühnenrequisiten und dem Aufführungsort. Zuletzt schuf Heinreich superteure und überkandidelte Kleider für Peter Steins "Fierrabras"-Inszenierung bei den Salzburger Festspielen, welche Wohltat nun diese nicht immer auftrumpfen wollenden Stoffe!
    Auch Cesti ist kein Effektenjäger, was anno 1656 möglich war, das schöpft er aus, geht aber kaum darüber hinaus. Die einzelnen Nummern sind im Parlandostil gehalten, aus dem Klangfluss schnellen kürzere Koloraturen heraus, Bates und seine Musiker gestalten dazu lebendige, abwechslungsreiche Zwischenspiele. Das Wetter ist bei solch einer Veranstaltung naturgemäß auch ein Faktor, es machte mit und ermöglichte die kleine Zusatzpointe, dass nun die Theologen den abtrünnigen Komponisten wieder in ihre barmherzigen Arme schließen konnten.