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Insekten
Der Duft der Ameisen

Ob jemand Freund oder Feind ist, dass entscheiden Ameisen anhand des Geruchs. Pheromone auf ihren Panzern dienen als Erkennungsmerkmal untereinander. US-Forscher haben jetzt herausgefunden, dass der Geruchssinn der Ameisen dabei weitaus feiner arbeitet, als bisher gedacht.

Von Lucian Haas | 14.08.2015
    Blattschneiderameisen im Zoo von Frankfurt am Main
    Blattschneiderameisen am 14.02.2014 im Zoo von Frankfurt am Main (Hessen). (picture alliance / dpa / Frank Rumpenhorst)
    Ameisen erkennen einander am Geruch. Allerdings nutzen sie keine leicht flüchtigen Duftstoffe. Auf ihrer harten Körperdecke, der Kutikula, sind lange Kohlenwasserstoffketten verankert, die als Pheromone wirken.
    "Wenn Tausende Ameisen einer Kolonie eng beieinander sind, würden sich flüchtige Duftstoffe im ganzen Bau verteilen und es käme zu einer Reizüberflutung der Geruchssensoren. Um sich als Arbeiterin oder Königin zu erkennen zu geben, brauchen die Ameisen also einen Duft, der nur auf eine sehr kurze Distanz wirkt."
    Anand Ray ist Neurowissenschaftler an der University of California in Riverside. Er erforscht, wie die Ameisen den Duft ihrer Artgenossen wahrnehmen. Schon länger weiß man, dass die Ameisen Geruchssensoren in ihren Antennen besitzen, mit denen sie sich gegenseitig abtasten. Wie differenziert die Tiere dabei die Pheromone erkennen können, war aber nicht bekannt. Anand Ray machte sich gemeinsam mit Kollegen auf neurologische Spurensuche.
    "Wir haben eine sehr empfindliche Methode entwickelt, mit der wir die elektrische Aktivität in den Geruchssensoren der Antennen messen können. Dafür stecken wir feinste Glaselektroden unter einem starken Mikroskop in ein einzelnes Haar, das aus der Antenne herausragt. Anschließend bringen wir es in Kontakt mit den verschiedensten Kohlenwasserstoffen, die auf der Ameisenkutikula zu finden sind. Mithilfe der Glaselektrode können wir dabei die Aktivität der Neuronen in der Antenne messen."
    Ameisen tasten sich mit Geruchssensoren in ihren Antennen ab
    Die Forscher fanden heraus, dass Ameisen einen extrem feinen Geruchssinn haben. Tatsächlich nahmen die Duftsensoren alle dargebotenen kutikulären Geruchsmoleküle wahr. Dabei registrierten sie sogar kleinste Unterschiede. Versuche zeigten, dass Ameisen sogar zwischen Enantiomeren einzelner Kohlenwasserstoffe unterscheiden können. Enantiomere sind nahezu identische, aber spiegelbildlich aufgebaute Moleküle. Nach Ansicht der Forscher können die Ameisen so nicht nur das Vorhandensein oder Fehlen einzelner Geruchsmoleküle auf der Kutikula eines anderen Tieres erfassen. Sie bestimmen auch, in welchem Mischungsverhältnis die Moleküle vorkommen.
    "Eine Ameise erzeugt jeweils ein Gemisch verschiedener Kohlenwasserstoffe als Erkennungsmerkmal. Die Ameise einer benachbarten Kolonie könnte mit sehr ähnlichen Kohlenwasserstoffen ausgestattet sein. Aber die Mischung der einzelnen Duftmoleküle ist eine andere. Wenn jetzt eine Ameise an einer anderen Ameise riecht, kann sie feststellen, wie stark deren Duft der eigenen Pheromonmischung ähnelt. So kann sie entscheiden, ob es sich um ein Mitglied der eigenen Kolonie oder um einen Eindringling handelt."
    Für Anand Ray sind solche Erkenntnisse wichtig, um in Zukunft das Verhalten sozialer, staatenbildender Insekten wie den Ameisen genauer studieren und analysieren zu können. Denn der Geruchssinn spielt dafür seiner Ansicht nach eine entscheidende Rolle
    Geruch als Organisationsmerkmal
    "Gerüche stellen eine besonders ausgefeilte Form dar, die Kolonien zu organisieren. Vielleicht ist das auch der Grund dafür, warum im Erbgut von Ameisen, Bienen und anderen sozialen Insekten eine so große Anzahl von Geruchsrezeptorgenen vorhanden ist. Die Ameisenart, mit der wir gearbeitet haben, Camponotus floridanus, gehörte zu den ersten Ameisen, deren DNA sequenziert worden ist. Und sie besitzen in ihrem Erbgut mehr Gene für Geruchsrezeptoren als wir Menschen."
    Als nächstes will Anand Ray herausfinden, mit welchem speziellen Geruchsbouquet sich die Königin eines Ameisenstaates umgibt, um Kontrolle über ihre Kolonie auszuüben.