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"Insgesamt bleibt eigentlich nur der Eindruck von Flickschusterei"

Bei der Energiewende fehle innerhalb der Bundesregierung die Koordinierung, kritisiert der nordrhein-westfälische Wirtschaftminister Garrelt Duin (SPD). Das derzeitige "Klein-Klein" gefährde die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland.

Garrelt Duin im Gespräch mit Gerd Breker | 08.03.2013
    Gerd Breker: Gestern im Bundeskanzleramt das Treffen zur Energiewende, heute nun das traditionelle Treffen der Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Spitzenvertretern der deutschen Wirtschaft am Rande der internationalen Handwerksmesse, ebenfalls ganz im Zeichen der Energiewende und deren Folgen. Es scheint, als habe Angela Merkel die Energiewende zur Chefsache erklärt. Endlich, mag da so manch einer denken, denn in den vergangenen zwei Jahren ist viel geredet worden und wenig geschehen. Einzig, dass mit dem Erneuerbaren Energiegesetz klar geworden ist, wer die Zeche zahlen muss: im Kern eben der normale Stromkunde. Dessen Belastung steigt über die Grenzen des Zumutbaren und Handlungsbedarf entsteht, was nun wiederum die Ausnahmeregelung für die Industrie trifft.
    Am Telefon sind wir nun verbunden mit dem Wirtschaftsminister von Nordrhein-Westfalen, mit Garrelt Duin. Guten Tag, Herr Duin.

    Garrelt Duin: Schönen guten Tag.

    Breker: Bald zwei Jahre nach dem Beschluss zur Energiewende - können Sie heute ein Konzept der Bundesregierung erkennen?

    Duin: Erschreckenderweise leider nicht. Es gibt immer wieder den Versuch, an einzelnen kleinen Baustellen herumzuwerkeln, aber insgesamt bleibt eigentlich nur der Eindruck von Flickschusterei. So etwas wie einen Masterplan, den wir seit zwei Jahren einfordern, sucht man bis heute vergebens.

    Breker: Liegt das daran, Herr Duin, dass Umweltminister Peter Altmaier und Wirtschaftsminister Philipp Rösler zuständig sind?

    Duin: Man hatte ja die Hoffnung, dass mit der Benennung von Herrn Altmaier in Nachfolge von Herrn Röttgen sich die Dinge zum Guten wenden. Herr Altmaier macht auch einen sehr umtriebigen und bemühten Eindruck. Aber solange es keine abgestimmte Position innerhalb der Bundesregierung gibt, ist es für uns auch als Bundesländer schwierig, sich zu einzelnen Dingen zu verhalten.

    Breker: Braucht es einen Zuständigen? Muss die Energiewende zur Chefsache werden?

    Duin: Ich hätte von Anfang an anstelle von Kanzlerin Merkel nicht eine Ethikkommission vor zwei Jahren eingerichtet, sondern eine Ingenieurskommission, um mal wirklich, wie BDI-Präsident Grillo es nennt, ein Projektmanagement aufzusetzen, um deutlich zu machen, wer muss eigentlich jetzt mal was tun. Ich glaube, es geht gar nicht darum, ob hier unterschiedliche Minister zuständig sind, sondern es geht darum, dass da eine Politik aus einem Guss vorbereitet wird. Das könnten notfalls dann auch zwei oder drei Minister tun. Aber es fehlt eben sozusagen die Koordinierung. Stattdessen wird auf Klein-Klein gespielt.

    Breker: Das was die Menschen hierzulande zu spüren bekommen in Sachen Energiewende ist, dass sie als Stromkunden diese Wende bezahlen dürfen. Diese steigenden Strompreise, die sind es eigentlich gewesen, die für Handlungsbedarf gesorgt haben, oder?

    Duin: Das ist einer der Punkte, die uns Sorge machen: steigende Strompreise für Bürgerinnen und Bürger, aber natürlich auch für Unternehmen. Und das Zweite große Thema ist die Versorgungssicherheit: Wie können wir eigentlich sicherstellen, dass dann, wenn Sonne und Wind nicht zur Verfügung stehen, auch rund um die Uhr Strom zur Verfügung steht, insbesondere da für die Wirtschaft, und das ist eben noch überhaupt nicht sichergestellt. Im Gegenteil: Wir hören von denjenigen, die Kraftwerke betreiben, dass sie die vom Netz nehmen wollen, weil sie mit denen nicht mal mehr Geld verdienen aufgrund des unkontrollierten Anstiegs des Ausbaus der erneuerbaren Energien.

    Breker: Alle brauchen Planungssicherheit. Aber um Planungssicherheit herzustellen, braucht es einen Plan!

    Duin: Genau den muss diese Bundesregierung endlich vorlegen. Wir wollen ja auch als Bundesländer nicht 16 verschiedene Energiewenden machen, sondern wir wollen ja gemeinsam an einer für Deutschland arbeiten. Das ist eine der größten Aufgaben der letzten Jahrzehnte, mindestens die größte Aufgabe nach der Wiedervereinigung, und deswegen ist eben es so tragisch und wirklich eine Gefährdung für den Industriestandort Deutschland, wenn dort nicht endlich mal vorgelegt wird, wie wir eigentlich uns die nächsten Jahrzehnte vorstellen.
    Ich nenne nur mal ein Beispiel. In ein Kraftwerk investiert man nicht, um danach nach drei Jahren sein Geld wieder reinzukriegen, sondern da braucht man 30, 35 Jahre Planungssicherheit, und deswegen passiert eben im Moment auch nichts.

    Breker: Wenn ein Plan des Bundes fehlt, Herr Duin, was kann denn so ein Land wie Nordrhein-Westfalen für die Energiewende tun? Kein Bundesland ist ja nun wirklich autark. Aber was haben Sie getan?

    Duin: Wir haben ganz konkrete Vorschläge gemacht, um insbesondere ein nordrhein-westfälisches Interesse auch mit in die Debatte reinzubringen. Wir haben hier die meisten konventionellen Kraftwerke und wir sehen eben mit Sorge, dass im Norden der Republik der Wind ausgebaut wird, also die Windenergieanlagen, im Süden die Fotovoltaik, und dass die konventionellen Kraftwerke ins Hintertreffen geraten. Die sind aber entscheidend für die Versorgungssicherheit. In dem Moment, wo Wind und Sonne nicht zur Verfügung stehen – und wir haben ja noch nicht die ausreichenden Speicher -, müssen ja diese Kraftwerke dann den Strom bringen.

    Wenn die aber nach und nach – die sind auch häufig schon sehr alt – vom Netz genommen werden, ob aus Altersgründen oder weil es sich für die Unternehmen nicht mehr rechnet, dann wirklich im drastischen Sinne gehen in Deutschland Lichter aus und das, finde ich, kann man nicht verantworten. Dafür haben wir konkrete Vorschläge gemacht, damit das nicht passiert. Die sind vom Bund bisher nicht aufgenommen worden und spielen auch in den aktuellen Diskussionen von Herrn Altmaier und Herrn Rösler überhaupt keine Rolle. Stattdessen agiert man mit so Schlagworten wie Strompreisbremse, die aber das Problem nicht lösen.

    Breker: Wird denn das die Forderung sein, mit der die Länder, die ja auch bald ins Kanzleramt eingeladen werden in Sachen Energiewende, mit der Nordrhein-Westfalen dort auftreten wird?

    Duin: Wir werden uns um diese konventionellen Kraftwerke bemühen und wir werden dafür Sorge tragen, dass auch der Industriestandort in diesen ganzen Fragen nicht ins Hintertreffen gerät. Wir haben hier eine Diskussion über die Entlastung der energieintensiven Industrien und diese Landesregierung hier in Nordrhein-Westfalen steht dafür, dass daran auch nicht herumgebastelt wird. Wir können nicht die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Unternehmen aufs Spiel setzen, bei allen Notwendigkeiten, die sicherlich da sind, um Strompreise bezahlbar zu belassen, aber um den Preis – allein in Nordrhein-Westfalen sind das 220.000 Arbeitsplätze zum Beispiel im Bereich von Stahl-, Aluminiumhütten, Zement -, diese aufs Spiel zu setzen, darf man da nicht zu Lösungen kommen und das wird von uns, von der Ministerpräsidentin, mit aller Vehemenz vertreten.

    Breker: Herr Duin, Sie haben es angedeutet: Die Industrie fordert bezahlbare Energiepreise. Aber die Verbraucher auch!

    Duin: Ja, genau. Und deswegen darf man eben beide nicht gegeneinander ausspielen. Wenn wir alle Ausnahmetatbestände für die energieintensive Industrie streichen würden, hätten wir A viele Arbeitsplätze gefährdet und B eine Entlastung bei der EEG-Umlage von nicht mal einem Cent erreicht. Daran sieht man: Die Interessen, die die energieintensive Industrie zurecht vertritt, sind nicht das Kernproblem, sondern das Kernproblem ist, dass wir eine Reform des Erneuerbaren Energiegesetzes brauchen, um zu neuen Systemen zu kommen, wie wir eigentlich unsere Strompreise bilden. Zurzeit ist es so, dass immer mehr Erneuerbare auf den Markt kommen und gleichwohl der Preis steigt, obwohl an der Strombörse die günstigen Kraftwerke den Preis bilden. Das ist kompliziert, aber es ist so, dass wir zurzeit ein System haben, von dem niemand, außer den Erbauern von erneuerbaren Windenergie-Kraftanlagen, profitiert, und das, finde ich, müssen wir beenden.

    Breker: Herr Duin, nun droht der Freistellung der Industrie von anderer Seite Gefahr. Die EU-Kommission, die sieht darin eine nicht legitime Subventionierung und das Oberlandesgericht Düsseldorf hat diese Freistellung auch infrage gestellt.

    Duin: Das OLG Düsseldorf hat eine juristische Frage aufgeworfen, nämlich <li_ 2032383="">ob die Verordnung eigentlich einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage entspricht</li_>. Das wird man klären können. Inhaltlich, finde ich, muss die EU-Kommission sich insbesondere um die Strompreise in anderen europäischen Ländern kümmern, die zum Teil staatlich subventioniert werden, was wir in Deutschland so nicht haben, wo es Industriestrompreise gibt. Klar ist doch: In Deutschland sind die Industriestrompreise so hoch wie in keinem anderen europäischen Land. Das ist ein Wettbewerbsnachteil. Und wir können nicht so tun, als ob es uns egal wäre, ob diese Unternehmen weiterhin in Deutschland produzieren und Investitionen in Deutschland tätigen. Bei manchen Diskussionsbeiträgen habe ich aber den Eindruck, als ob das gar keine Rolle spielen würde, inklusive der Europäischen Kommission.

    Breker: Das heißt, die Freistellung der Industrie, dafür werden Sie kämpfen?

    Duin: Auf jeden Fall. Ich habe an anderer Stelle mal gesagt, dafür würde ich mich auch verhauen lassen – nicht, weil ich selber der Lobbyist bin, sondern weil ich im Interesse der hier angesiedelten Arbeitsplätze agieren muss. Das ist der Auftrag eines Wirtschaftsministers eines Industrielandes wie Nordrhein-Westfalen, und dem möchte ich gerne gerecht werden. Da geht es nicht darum, irgendjemandem hinter vorgehaltener Hand etwas zuzuschustern, sondern es geht darum, die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Industrie zu erhalten, und die ist deutlich gefährdet.

    Breker: Der Wirtschaftsminister von Nordrhein-Westfalen, Garrelt Duin, im Deutschlandfunk.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.