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Inspirationsquelle wider Willen?

In ganz Europa distanzieren sich die Ideologen der Rechtspopulisten von dem mutmaßlichen Attentäter und seinem 1500-Seiten-Manifest. In Österreich bestreitet die FPÖ vehement, dass ihre Politik gegen den Islam den Boden bereiten könnte für Terroranschläge wie in Norwegen.

Von Ralf Borchard | 27.07.2011
    Es war ein deutscher Experte, der die Debatte in Österreich richtig in Gang brachte. Der Berliner Rechtsextremismusforscher Hajo Funke warf der FPÖ unter Heinz-Christian Strache vor, den Boden für Rechtsextremismus zu bereiten und brachte die FPÖ damit indirekt mit dem Terror in Norwegen in Verbindung. Funke im österreichischen Runfunk ORF:

    "Die entschiedenen und eskalierenden Reden gegen Muslime als Muslime in Österreich, die ich persönlich auch erlebt habe, als ich Wahlkampfveranstaltungen besucht habe, sind natürlich voller verbaler Gewalt. Das heißt nicht, dass man annehmen muss, dass aus solchen Kreisen dann solche Gewalttaten kommen, das ist ein eigener Schritt. Aber das Klima, zuzuspitzen, und zu sagen, was wollen die alle hier, und, und, und, also Fremdenfeindlichkeit zu schüren, das ist auch ein Kernelement der Partei Straches."

    Funke bezieht sich damit auf Aussagen Straches und anderer FPÖ-Politiker, die vom "ungebremsten Asylantenzustrom" über "Österreich den Österreichern" bis zum wiederholt geforderten Minarettverbot reichen. Das klingt in Reden Heinz-Christian Straches so:

    "Was ist ein Minarett? Das ist eben für einen Islamisten ein Siegeszeichen über die Ungläubigen. Ein Siegeszeichen gegenüber dem Westen, ein Siegeszeichen gegenüber dem christlichen Abendland, ein Siegeszeichen gegenüber der Demokratie, ein Siegeszeichen gegenüber der Freiheit."

    Strache wirbt für seine Freiheitlichen seit Jahren mit Slogans wie "Pummerin statt Muezzin" – die Pummerin ist eine Glocke des Wiener Stephansdoms. Die FPÖ Steiermark machte mit einem sogenannten Anti-Minarett-Spiel Schlagzeilen, bei dem im Internet statt Moorhühnern Muezzine und Minarette eliminiert werden. Im Wiener Kommunalwahlkampf verteilte die FPÖ vergangenen Herbst ein Comic, in dem die zweite Belagerung Wiens durch die Türken 1683 zum Schauplatz aktueller Auseinandersetzung mit dem Islam gemacht wird. Die Comic-Figur HC, so kürzt Strache seinen Vornamen Heinz-Christian ab, sagt darin zu einem Buben mit einer Steinschleuder sinngemäß: "Wenn Du dem Mustafa eine draufbrennst, kriegst Du eine heiße Wurst spendiert." Der österreichische Staatssekretär für Integration, Sebastian Kurz von der Volkspartei ÖVP sagt, die frühere Haider-Partei FPÖ sei unter Strache "definitiv brutaler" geworden:

    "Ich glaube, dass sich auch die FPÖ überlegen sollte, ob es sinnvoll ist, immer pauschal auf gewisse Gruppen hinzuhauen. Ich glaube, dass Hetze im Bereich der Integration auf jeden Fall falsch ist, unabhängig davon, ob sie in der Moschee oder im Bierzelt stattfindet."

    Die FPÖ wehrt sich vehement gegen jegliche Rolle in der Debatte um Lehren aus dem Terror in Norwegen. Parteichef Strache selbst nannte es in einer Erklärung einen "primitiven und letztklassigen Versuch von ORF, SPÖ und ÖVP, das Massaker in Norwegen mit Österreichs Innenpolitik in Verbindung" bringen zu wollen. Ins ORF-Fernsehstudio schickte er seinen Parteivize Norbert Hofer:

    "Man muss schon sehen, dass es wirklich schäbig ist und falsch ist, zu versuchen, aus einem Attentat in Norwegen eine Verbindung herzustellen zu einer politischen Partei in Österreich."

    Von der besonders umstrittenen FPÖ-Nationalratsabgeordneten Elisabeth Sabaditsch-Wolff, die für Äußerungen, die Muslime pauschal mit Kinderschändern in Verbindung bringen, gerichtlich verurteilt wurde, wollte sich Hofer im gleichen Interview nicht distanzieren.

    Die FPÖ ist mit ihrem in weiten Teilen rechtsradikalen Gedankengut in Österreich alles andere als eine Randerscheinung. Nach der Regierungsbeteiligung unter ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel musste die Partei zwar 2002 einen Absturz auf zehn Prozent verkraften, 2005 dann die von Jörg Haider betriebene Abspaltung des BZÖ. Doch seitdem hat sich die FPÖ unter Heinz-Christian Strache zu vorher nie erreichten Umfragehöhen emporgeschwungen, zuletzt war sie im Mai mit 29 Prozent stärkste Partei.

    Deutlich an Ansehen verloren haben parallel die sozialdemokratische SPÖ und die konservative ÖVP, die heute mit Werner Faymann und Michael Spindelegger Kanzler und Außenminister einer Großen Koalition stellen. SPÖ-Kanzler Faymann vermeidet auch in der aktuellen Rechtsextremismusdebatte direkte Angriffe auf FPÖ-Chef Strache:

    "Natürlich ist es auch in Österreich die Aufgabe, dass man hier immer allen Anfängen wehrt. Dort, wo Rassismus auftaucht, handelt es sich nicht um ein Kavaliersdelikt."

    Und was sagt ÖVP-Chef Spindelegger zum Thema Lehren aus den Norwegen-Anschlägen?

    "Ich glaube, man kann die FPÖ jetzt nicht mit dem Täter in Verbindung bringen. Aber Stimmungsmache trägt dazu bei, den Boden aufzubereiten für Gewalttaten. Darum glaube ich sollte man hier im Interesse aller Abstand davon nehmen, in diese Richtung zu gehen."

    Schließt Spindeleggter deshalb eine Koalition mit Straches FPÖ nach der nächsten Wahl 2013 aus? Nein, sagt er im ORF-Interview, er halte sich diese Option bewusst offen.