Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Installationen von Dominique Gonzalez-Foerster
Die Welt im Jahr 2066?

Die französische Künstlerin Dominique Gonzalez-Foerster ist eine der wenigen Protagonisten aus Frankreich, die in den letzten 20 Jahren dauerhaft von sich reden gemacht haben. Die Düsseldorfer Kunstsammlung zeigt nun eine Retrospektive - mit Skulpturen, Filmen und Performances. Ein Parcours, der so realistisch wie spekulativ erfahren werden will.

Von Georg Imdahl | 26.04.2016
    Eine Besucherin sitzt in einem Ausstellungsraum auf einem Sofa, an den Wänden hängen Kleidungsstücke.
    Ausstellung "1887-2058" von Dominique Gonzalez-Foerster (dpa/picture alliance/Monika Skolimowska)
    Wer dieser Tage die Düsseldorfer Kunstsammlung betritt, kann sich des Eindrucks nicht erwehren: Die riesige Ausstellungshalle hat sich in ein Flüchtlingscamp verwandelt. Die Gestelle Dutzender Etagenbetten sind auf engstem Raum versammelt, dazwischengequetscht einige Skulpturen aus dem öffentlichen Raum von Henry Moore, Alexander Calder oder Claes Oldenburg. Sie sind allerdings deutlich größer als bekannt. Geradezu monströs.
    Das beflügelt die Fantasie, über das Verhältnis zwischen der westlichen Moderne und den Kulturen der Flüchtlinge nachzudenken. Dann aber sieht man Bücher auf den Betten ausliegen, deren Titel auf Naturkatastrophen anspielen, und wir erfahren, dass die Installation namens "2066" von Dominique Gonzalez-Foerster gar nicht vom Drama der Flüchtlinge handeln soll. Vielmehr werden die Folgen des Klimawandels ausgemalt, der uns dereinst Schutz suchen und zusammenrücken lassen wird. Dauerregen hat demzufolge die Skulpturen wachsen lassen. Die Arbeit "2066" wurde bereits 2008 in ähnlicher Form in der Tate Modern in London gezeigt.
    Jede Arbeit nimmt einen eigenen Raum ein
    Es gebe in ihrer Kunst, erklärt Dominique Gonzalez-Foerster, nicht die eine, starke Erzählung, sondern viele solcher Erzählungen nebeneinander. Und viele Überraschungen in einer Art Dramaturgie mit Multiple-Choice-Charakter - die Ausstellung selbst stelle bei ihr das eigentliche Medium dar:
    "There is not one strong narrative, there are many. And also there are many surprises. There is a kind of dramaturgy but I would say with a multiple choice. And there you realize that exhibition is really the medium."
    Die 1965 in Straßburg geborene Künstlerin zählt zu den eher wenigen Protagonisten aus Frankreich, die in den letzten 20 Jahren dauerhaft von sich reden gemacht haben - wie auch Pierre Huyghe, mit seiner von Tieren bevölkerten Landschaft in den Karlsauen eine der meistdiskutierten Figuren der letzten documenta.
    In Gonzalez-Foersters Düsseldorfer Retrospektive nimmt jede Arbeit einen eigenen Raum ein. Sie umfasst Filme, Performances, Skulpturen und Interieurs. Ihr Werk ist durch und durch von Literatur und Kino inspiriert, es will Assoziationsräume eröffnen, wie allein schon durch den Ausstellungstitel mit den Jahreszahlen "1887–2058", wodurch ein beträchtliches imaginäres Zeitfenster geöffnet wird.
    Endzeitstimmung pur
    Durchgehend changiert es zwischen individuellen und kollektiven Erfahrungen und Erinnerungen. So bespiegelt die in Paris und Rio de Janeiro lebende Künstlerin die Rolle von Mode und persönlichem Outfit anhand ihrer eigenen Kleiderkammer; diese öffnet sich wie ein autobiografisches Modell. Gonzalez-Foerster ahmt Celebrities nach wie Bob Dylan oder Marilyn Monroe. Mit anderen Räumen erinnert sie an Rainer Werner Fassbinder und dessen Schlafzimmer, wie es in einer Biografie des Filmemachers beschrieben wird. Dann wiederum widmet sie sich der architektonischen Moderne der Stadt Brasilia: Zu sehen sind in einem winzigen Monitor Eindrücke der einst als ideal geltenden Urbanität, die in den melancholischen Bildern nun entvölkert und sich selbst überlassen erscheint.
    Endzeitstimmung pur herrscht dagegen in dem Super-8-Film "Atomic Park" von 2004, den Gonzalez-Foerster in der Wüste White Sands in New Mexiko drehte, eben dort, wo im Juli 1945 erstmals die Atombombe getestet worden war. Im gleißenden Sonnenlicht machen Autofahrer Rast und lassen die Kinder im Sand spielen; die Apokalypse ist noch ganz gegenwärtig in dem gespenstischen Acht-Minuten-Film.
    So fügen sich die Arbeiten der aufwendigen Düsseldorfer Ausstellung zu einem Parcours, der so realistisch wie spekulativ erfahren werden will. Das ist offenbar ein Merkmal französischer zeitgenössischer Kunst.