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Intelligente Ortsnetztrafos
Erster Schritt zu einem dezentralen Stromnetz

Das Stromnetz wird dezentral - davon sind alle Befürworter einer erneuerbaren Stromerzeugung überzeugt. Dafür müssen die Netze in den Städten jedoch ganz andere Dinge können als heute: Sie müssen die Spannung kontrollieren, die Frequenz ausbalancieren und automatisch auf Fehler reagieren. Möglich sein soll das mit sogenannten Ortsnetztrafos.

Von Sönke Gäthke | 17.02.2015
    Das Stromnetz ähnelt in mancherlei Hinsicht dem Straßennetz: Es gibt Autobahnen, Landstraßen und Feldwege, im Stromnetz Höchst-, Mittel- und Niederspannungsleitungen. Bei den Straßen sind intelligente Verkehrssteuersysteme vor allem auf Autobahnen installiert, im Stromnetz in der Höchstspannungsebene; Feldwege oder das 230 Volt Verteil-Netz dagegen sind weitgehend intelligenzfrei. Beim Stromnetz ändert sich das jedoch: Denn die vielen kleinen Photovoltaikanlagen lassen ihren Strom in die Strom-Feldwege fließen - was deren Charakter vollkommen ändert.
    "Durch diese Lastfluss-Umkehr, dass ich jetzt einspeise, habe ich ja eigentlich kein Verteilnetz mehr, sondern eher ein Sammelnetz," so Bruno Optisch, bei Siemens zuständig für die Automatisierung dieser Verteilnetze. Das Problem ist: Der zusätzliche Strom führt zu zäh fließendem Verkehr in den Leitungen, es ist so, als ob sich auf den Feldwegen LKW aneinander vorbei drängeln wollten. In den Kabeln passiert dann das gleiche wie bei den Fahrern: Die Spannung steigt. Im Netz gibt es dafür aber Grenzen, die Betreiber garantieren eine Spannung von 230 Volt Wechsel- beziehungsweise 400 Volt Drehstrom.
    "Und es gibt eine Normvorgabe, an die sich alle technischen Geräte halten müssen, dass heißt, ein Spannungsband muss eingehalten werden von plus/minus zehn Prozent zu diesen beiden Nominalspannungen."
    Das bedeutet, auf der letzten Meile zu den Häusern darf die Spannung höchstens auf 253 oder 440 Volt klettern. Das müssen Netzbetreiber nun einhalten - und dafür haben sie zwei Möglichkeiten: Sie können ihre Feldwege einfach verbreitern, sprich: neue, größere Kabel legen.
    "Was aber heißt, ich muss die Straße aufgraben, ich muss Kupferkabel in den Boden reinlegen - das ist alles Geld, über das wir gerade reden, und noch dazu kommt dann, wenn man das mal volkswirtschaftlich betrachtet, dass eigentlich die Solaranlagen eigentlich nur an wenigen Tagen im Jahr wirklich so die Spitzenerzeugung bringen können."
    Kuppelstellen zwischen den Stromfeldwegen und den Landstraßen
    Da lohnt es sich für die Netzbetreiber eher, ihre Feldwege mit intelligenten Techniken aufzurüsten. Dafür können sie die Solaranlagen selbst nutzen: Alle sind über eine Elektronik mit dem Stromnetz verbunden. Und diese Elektronik kann auf die Spannung einwirken und sie senken. Das dürfen Netzbetreiber aber nicht allein entscheiden, dafür müssen sie mit jedem PV-Anlagen Besitzer einen Vertrag abschließen.
    Sie können aber auch die Netztechnik selbst aufrüsten und sogenannte intelligente Ortsnetztrafos installieren.
    "Der intelligente Ortsnetzstrafo, wie der Name schon sagt, hat eine Art von Intelligenz, sprich: intelligente Algorithmen, elektronisches Equipment, was eben in normalen Transformatoren bisher nicht vorhanden war, und die Aufgabe ist, bei Integration von erneuerbaren Energien den Spannungspegel so zu halten, das keine Schäden im Netz entstehen."
    Ortsnetztrafos sind die Kuppelstellen zwischen den Stromfeldwegen und den Landstraßen. Sie wandeln Hochspannung in die 230 oder 400 Volt um, die auf der letzten Meile zum Verbraucher fließt. Bis jetzt waren sie dabei auf eine Spannung fest eingestellt. Die neue Generation verfügt jedoch zum einen über Geräte, die die Spannung auf der letzten Meile erfassen und melden, zum anderen können sie sich auf diese Messdaten einstellen, und zum Beispiel eine niedrigere Spannung abgeben.
    "Durch die Möglichkeit, über das Stromnetz mit diesen Power Line Carriern eben die Daten direkt in den Ortsnetztrafo zu holen, bin ich in der Lage, den vollkommen autark zu betreiben, und der kann an und für sich alleine vor sich hin arbeiten."
    Die Ingenieure von Siemens, ABB, oder Schneider haben dabei unterschiedliche Vorstellungen, wie so eine intelligente Ortsnetzstation genau funktionieren soll. Aber gemeinsam ist ihnen, dass diese ein erster Schritt zu einem kleinstmöglichen dezentralen Stromnetz sind, dass sich einmal autonom steuern kann - wenn der Netzbetreiber es will.