Freitag, 19. April 2024

Archiv


Intelligente Sehhilfen

Technologie.- Forscher haben in den letzten Jahren allerhand miniaturisierte Technik in Kontaktlinsen hineingepackt. Auf diese Weise wollen sie Krankheiten überwachen – oder aber Personen den Weg durch den Großstadtdschungel weisen.

Von Jochen Steiner | 16.05.2011
    Normalerweise sind Kontaktlinsen dafür gemacht, eine Sehschwäche auszugleichen. Doch einige Wissenschaftler haben Kontaktlinsen mit miniaturisierter Technik ausgestattet, um den Zuckerspiegel von Diabetes-Patienten einfacher überwachen oder den Grünen Star effektiver behandeln zu können. Etwa zwölf Augenärzte weltweit setzen die besondere Linse bereits ein bei Patienten, die am Grünen Star erkrankt sind. Die Sehstärke nimmt bei dieser Augenkrankheit meist stetig ab, bis hin zur Erblindung. Ein erhöhter Augeninnendruck kann den Grünen Star mit auslösen und ihn weiter verschlimmern. Den Innendruck des Auges zu kennen, ist also sehr wichtig.

    "Wir wollen den Augeninnendruck kontinuierlich überwachen. Dieser sorgt dafür, dass die Augen ihre Form behalten. Wir sind daran interessiert, die Dynamik des Augeninnendrucks über einen Zeitraum von 24 Stunden kontinuierlich zu dokumentieren",

    sagt Jean-Marc Wismer vom Schweizer Unternehmen Sensimed. Die Überwachung des Augeninnendrucks erfolgt mithilfe der neu entwickelten Kontaktlinse, die hauptsächlich aus Silikon besteht. In die Linse eingebettet ist ein Sensor. Er registriert, wenn sich das Auge im Bereich von wenigen Mikrometern ausdehnt, weil der Augeninnendruck angestiegen ist. Diese Information funkt die Kontaktlinse an ein handygroßes Speichergerät, das der Patient bei sich trägt. Die Daten werden über einen Zeitraum von 24 Stunden aufgezeichnet. Die Linse einen Tag und eine Nacht zu tragen genügt in der Regel zunächst. Danach besucht der Patient seinen Augenarzt, der die Daten des Speichergeräts auswertet.

    "Basierend auf diesen Informationen wird der Arzt vielleicht den Zeitpunkt und die Art der Medikamente ändern, in der Regel werden Augentropfen eingesetzt. Einige Monate später wird der Arzt eine Folgeuntersuchung durchführen, um zu sehen, ob die Medikamente angeschlagen haben. Wenn der Mediziner dann mit dem Augeninnendruck im zeitlichen Verlauf zufrieden ist, reicht eine weitere Untersuchung pro Jahr aus."

    Die Kontaktlinse kann also helfen, den besten Zeitpunkt für die Wirksamkeit der Medikamente zu ermitteln. Zwar konnten Ärzte bereits zuvor den Augeninnendruck messen. Die Linse liefert jedoch erstmals Daten über einen längeren Zeitraum, und das recht komfortabel. An einer speziellen Kontaktlinse für Diabetes-Patienten tüftelt Baback Parviz von der Universität Washington in Seattle. Die Linse soll eines Tages den Zuckerspiegel überwachen.

    "Was wir wirklich erreichen wollen ist eine nicht-invasive, sehr komfortable und hoffentlich günstige Möglichkeit, den Gesundheitszustand der Patienten zu bestimmen",

    so Baback Parviz. Das Piksen in den Finger könnte dann für die meisten Diabetes-Patienten der Vergangenheit angehören. Einen Prototyp der Kontaktlinse gibt es zwar noch nicht, allerdings haben die einzelnen Komponenten bereits erste Tests hinter sich. Ein elektrochemischer Sensor in der Kontaktlinse soll die Glukose-Konzentration der Augenflüssigkeit messen. Die Linse funkt die Zuckerwerte dann regelmäßig an das Mobiltelefon, so die Vorstellung des Forschers. Baback Parviz hat jedoch noch anderes mit den Kontaktlinsen vor. Er will winzige LED-Displays in die Linsen integrieren.

    "Noch stehen wir ganz am Anfang. Wir haben einzelne LEDs, also sehr einfache Elemente, auf der Kontaktlinse angebracht. Die LEDs können über Radiowellen angeschaltet werden. Bislang haben wir nur zwei Farben – blau und rot."

    Mehrere winzige Linsen auf der eigentlichen Kontaktlinse sollen das LED-Bild vor unserem Auge sichtbar machen. So könnten wir nicht nur unsere Umgebung scharf sehen, sondern auch das von der Kontaktlinse erzeugte Bild – ein Bild im Bild sozusagen. Ob dies wirklich funktioniert, müssten Tests zeigen, so der Wissenschaftler. Bereits für einfache Abbildungen sieht Baback Parviz Anwendungsmöglichkeiten:

    "Wenn man nur eine Handvoll Pixel hat, könnte man sie zum Beispiel als Pfeile erscheinen lassen bei Computerspielen, zusammen mit den bereits existierenden Systemen. In etwas aufwendigerer Art und Weise könnte man die Abbildungen auch mit Dingen wie Google Maps verknüpfen, um Richtungsangaben und weitere Informationen zu erhalten."

    Wann sich Fußgänger auf diese Art durch die Stadt navigieren lassen können, sei schwer vorauszusagen, so Baback Parviz. Eine grobe Schätzung gibt er aber doch ab: mindestens fünf Jahre werde es noch dauern.

    Weiterführendes:

    Jeder Blick ein Befehl