Freitag, 19. April 2024

Archiv


Intelligenz in die Produktion

Charakteristikum der sogenannten Industrie 4.0 ist es, dass Maschinen und unfertige Produkte miteinander kommunizieren. "Färbe mich bitte rot", teilt da die Autokarosserie der Lackierstraße zum Beispiel mit. Doch wie viel Mitdenken beherrscht die künstliche (Fertigungs-)Intelligenz bereits? Und was kostet sie?

Von Peter Welchering | 13.04.2013
    Der gute alte Leitstand hat in der Fabrik der Zukunft ausgedient. Eine zentrale Steuerung, von der aus die gesamte Produktion überwacht wurde, jede Fertigungsstraße ihre Daten bekam und an den jede Fertigungsstraße den aktuellen Produktionsstatus zurückmeldete – sie soll überflüssig werden.

    Stattdessen kommunizieren Roboter, Fertigungsmaschinen und Produkte direkt miteinander. Das fast fertige Auto sagt dem Transportroboter: "Fahr mich noch einmal in die Polierstraße". Der Transportroboter fordert per Datenfunk einen freien Slot in der Polierstraße an und macht sich mit seinem Auto auf den Weg. So soll das in der Industrie 4.0 funktionieren. Dafür müssen Produktionsdaten geteilt, Maschinen und Produktionsanlagen mit hochkomplexer Software für die Produktionsplanung und –steuerung vernetzt werden. Rolf Wutzke, Produktionsexperte der Fraunhofer-Gesellschaft, erläutert, worum es dabei geht.

    "Es geht in erster Linie darum, einen gemeinsamen Weg zu finden, besser zusammenzuarbeiten, das heißt, auch wieder hier Dinge, die bislang nicht möglich waren, nämlich Prozesse zwischen verschiedenen Standorten im Unternehmen leicht zu verknüpfen, aber auch über Unternehmensgrenzen hinweg Prozesse und Abläufe zu verknüpfen. Das ist eigentlich der Kollaborationsgedanke, der sich auch in der Industrie 4.0 verbirgt und der eben auch erst mit einer zunehmenden Vernetzung der Infrastruktur möglich wird."

    Damit Produkte den Maschinen sagen können, welcher Produktionsschritt der nächste sein soll, müssen sie vernetzt sein. Und wenn Maschinen sich autonom untereinander absprechen sollen, wer die nächsten Fertigungsschritte an diesem Produkt übernimmt, dann müssen auch viele Daten fließen - ständig, ohne Unterbrechung. Diese Daten sollen in der Cloud, auf verteilten Servern im Internet, in verschiedenen Rechenzentren vorgehalten werden. Am besten an verschiedenen Standorten, möglichst redundant, damit bei Hochwasser oder Feuer an einem Serverstandort die Produktion dennoch weitergeht. Damit die Daten fließen, die die Maschinen brauchen, um sich untereinander zu verständigen.

    Philipp Holtewert vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung hat auf der Hannovermesse eine solche Cloud-Lösung gezeigt und erläutert das Konzept so.

    "Maschinen und Anlagen werden grundsätzlich mit Daten versorgt. Diese Daten werden aber wiederum in der Cloud bereitgestellt und diese werden wiederum auch genutzt. Demnach muss genau dieser Weg von Software über die Plattform in die Cloud auf dem Server bis zum Endkunden komplett abgesichert sein mit verschiedenen Schnittstellen, mit verschiedenen technischen Möglichkeiten, wie derzeitig VPN-Klienten, die dann aber in verschiedene Standards umgesetzt werden müssen."

    In diesen Prozess müssen vor allem kleine und mittelständische Unternehmen einbezogen werden. Denn Industrie-4.0-Anwendungen aus der Cloud sind für diese produzierenden Unternehmen entscheidend für die internationale Wettbewerbsfähigkeit.

    Bisher wurden viele kleinere produzierende Unternehmen von den recht hohen Investitionen abgeschreckt. Sie waren bislang nötig, um verteilte Intelligenz an ihre Werkzeugmaschinen in die Produktionshallen zu bringen. Doch durch die Nutzung hochkomplexer Planungs- und Steuerungssoftware mit verteiltem Ansatz aus der Cloud wird das nun erschwinglich. Hier fallen nur die Kosten für die unmittelbare Nutzung der Cloud-Services an. Der Mittelständler muss nicht in eigene IT-Infrastrukturen investieren. Er braucht lediglich das Produktionsnetzwerk vor Ort in seinem Unternehmen. Alles andere kommt aus der Cloud. In Sachen Vernetzung mahnt Philipp Holtewert von der Fraunhofer-Gesellschaft allerdings zur Vorsicht.

    "Es kann nicht sein, in Zukunft, dass wir alles miteinander vernetzen. Dann kommen wir nämlich ganz schnell in das Thema Big Data, und da müssen wir uns Gedanken machen, an welchen Stellen welche Software angeschlossen werden sollte beziehungsweise welche Maschinen und Anlagen angeschlossen werden sollten, welche Software integriert werden sollte innerhalb der Produktion, um die Prozesse dann an den richtigen Stellen wirklich zu optimieren."