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Interessensvertretungen
Die Betriebsräte für die Azubis

In Deutschland wird mehr als jede vierte berufliche Ausbildung abgebrochen. Mit einer Jugend- und Auszubildendenvertretung in den Betrieben könnten manche der Probleme, die während der Ausbildungszeit entstehen, anders angegriffen werden.

Von Bastian Brandau | 21.04.2018
    Die beiden stehen auf beiden Seiten einer geöffneten Motorhaube in einer Werkstatt und scheinen miteinander zu sprechen. Der Lehrling im Blaumann hält eine Lampe in den Motorraum.
    Viele Azubis trauen sich nicht, Probleme im Betrieb anzusprechen. Mit einer Jugend- und Auszubildendenvertretung wäre das wahrscheinlich anders (Patrick Pleul / dpa)
    "Können Sie einmal da reingucken, was immer es ist?"
    Alles ist eng getaktet beim Besuch des Bundespräsidenten im BMW-Werk Leipzig. Im Ausbildungszentrum entstehen an verschiedenen Stationen Bilder mit Auszubildenden in blauen Werksklamotten. Dann steht eine Diskussionsrunde auf dem Programm, mit denjenigen, die die Auszubildenden vertreten. Den Jugend- und Auszubildendenvertretungen, kurz JAV.
    Moderator: "Die Betriebsräte für die Auszubildenden, so kann man das vielleicht runterbrechen. Wir haben hier zwölf Kolleginnen und Kollegen aus zwölf verschiedenen Betrieben."
    Die sitzen nun in einer Runde mit Gewerkschaftssekretären und dem Bundespräsidenten. Sie arbeiten bei BMW und anderen in Leipzig ansässigen Autobauern. Aber auch bei kleineren Betrieben aus der Metallbranche.
    Frank-Walter Steinmeier: "Nun sind Sie nicht irgendwer in Ihren Betrieben, sondern Sie haben ja Verantwortung übernommen für sich selbst und als Auszubildendenvertreter auch noch für andere. Deshalb würde ich natürlich ganz gerne hören, werden Sie ernst genommen in den Betrieben, findet das Gehör, was Sie vorschlagen? Oder gehen Sie abends eher deprimiert nach Hause und fragen sich, warum habe ich den Job, warum habe ich die Verantwortung überhaupt angenommen?"
    Ein Ansprechpartner bei Problemen
    Das ist in den einzelnen Unternehmen unterschiedlich, wird in der Diskussion deutlich. Über die Situation bei BMW berichtet Alexander Humplott.
    Der 25-Jährige ist dort Vorsitzender der JAV und hat sichtbar Freude an seiner Aufgabe. Angesichts der Größe des Unternehmens mit seinen gut 150 Auszubildenden hat Humplott dafür eine Freistellung, erklärt er nach der Diskussion.
    "Ernsthaftigkeit muss man sich auch ein stückweit erarbeiten, die kriegt man nicht geschenkt. Und in vielen vielen Verhandlungen und Terminen gemeinsam mit dem Unternehmen kann man sich das glaube ich erarbeiten. Und das ist in den letzten Jahren bei uns in Leipzig der Fall gewesen."
    Humplott verweist auf das erste gemeinsame Lehrjahr für alle Fachrichtungen bei BMW, das Eingehen auf individuelle Neigungen der Azubis: Ergebnis gemeinsamer Arbeit des Unternehmens und der JAV. Die beteilige sich auch an der Orientierungszeit direkt zu Ausbildungsbeginn und sei natürlich bei Problemen ein Ansprechpartner.
    "Mit einer guten Jugendvertretung können viele Probleme ganz anders angegriffen werden. Wir sind der Kanal für die Azubis, wo sie sich auch eher mal trauen, den Mund aufzumachen und im Vertrauen sprechen und sagen, Mensch, ich habe wirklich ein Problem mit der Ausbildung, traue mich aber vielleicht nicht direkt zum Meister zu gehen, weil ich dann Angst habe, dass ich in eine Schublade gesteckt werde."
    Abbruch als Konsequenz
    Wie es ist, Azubi in einem Betrieb ohne JAV zu sein, davon kann Conrad Mönch erzählen. Auch der Fertigungsmechaniker war bei der Diskussionsrunde dabei, ist stellvertretender JAV bei einem Kugellagerhersteller in Leipzig.
    "Ich habe nach meinem ersten Lehrjahr gewechselt in die Firma, in der ich jetzt bin. Davor war ich in einer Firma ohne Betriebsrat. Da wurde man teilweise wirklich nur ausgenutzt als Auszubildender und nur das Nötigste gegeben. Und da wird man irgendwann gefrustet auf Dauer. Beziehungsweise wenn man Probleme hatte, hat man die weitergereicht aber es kam irgendwie nie an."
    Als Konsequenz der Abbruch und der Wechsel zu seinem jetzigen Unternehmen. Für Azubis mache die Existenz eines Betriebsrats und einer Vertretung der Jugendlichen einen großen Unterschied, sagt Mönch. Eine solche Anlaufstelle hätte er gern früher gehabt.
    "Also in dem alten Betrieb wäre ich direkt zur JAV oder gleich zum Betriebsrat, es war ja ein relativ kleiner Betrieb, der erste, und hätte da erstmal gefragt. Und ich bin mir sicher, dass da dann auch eine Lösung gefunden worden wäre."