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Internationale Presseschau
Skepsis vor Treffen in Minsk

Die Kommentatoren befassen sich mit dem Gipfeltreffen in der weißrussischen Hauptstadt Minsk, wo die Staats- und Regierungschefs von Deutschland, Frankreich, Russland sowie der Ukraine einen Ausweg aus der Ukraine-Krise suchen wollen.

11.02.2015
    Tageszeitungen stecken an einem Zeitungsstand in Drehständern.
    Der Ukraine-Konflikt bleibt das beherrschende Thema der Kommentare (picture alliance / dpa / Frank Rumpenhorst)
    Die Kommentatoren befassen sich mit dem Gipfeltreffen in der weißrussischen Hauptstadt Minsk, wo die Staats- und Regierungschefs von Deutschland, Frankreich, Russland sowie der Ukraine einen Ausweg aus der Ukraine-Krise suchen wollen.
    Die dänische Zeitung POLITIKEN ist skeptisch:
    "Das Abkommen von Minsk, das heute von Putin, Merkel, Hollande und Poroschenko neu verhandelt wird, kann im besten Falle eine Waffenruhe schaffen. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa dürfte dann wieder eine wichtige Rolle spielen. Die OSZE könnte es womöglich schaffen, die drohende Eskalation abzuwenden und einen Ausweg zu finden",
    notiert POLITIKEN aus Kopenhagen.
    "Wie weit ist die Ukraine vom Frieden entfernt?",
    fragt die chinesische Zeitung ZHONGGUO QINGNIAN BAO.
    "Moralisch steht die transatlantische Allianz, stehen die USA und Europa, vereint an der Seite der Ukraine. Sicherheitspolitisch verfolgt aber jede Partei ihre eigenen Interessen. Es wäre naiv zu glauben, dass ein Friedensabkommen auf dem Papier gleichbedeutend mit einer sofortigen Lösung des Konflikts wäre. Es bleiben zu viele Fragen offen. Das Schicksal der Ukraine wird traurigerweise nicht von dem Land selbst bestimmt",
    resümiert ZHONGGUO QINGNIAN BAO aus Peking.
    Die ukrainische Zeitung NOWOJE WREMJA beobachtet:
    "Im Kampf gegen die russische Aggression sind für Präsident Poroschenko die USA der wichtigste Verbündete. Diese Festlegung ist richtig und für die ukrainische Diplomatie von strategischer Bedeutung. US-Außenminister Kerry hat jüngst mit seinem Besuch in der Ukraine der Führung in Kiew den Rücken gestärkt und auf Gespräche in Moskau absichtlich verzichtet. Seine europäischen Amtskollegen können dem Tyrannen im Kreml die amerikanische Position erläutern. Und die ist ganz einfach: Entweder stellt Russland seine Kriegshandlungen in Donezk ein, oder die Ukraine bekommt Waffen und die Unterstützung der Nato",
    glaubt NOWOJE WREMJA aus Kiew
    Die russische GAZETA bemerkt:
    "Russland zeigt sich enttäuscht darüber, dass die Separatisten-Führer von den Verhandlungen in Minsk ausgeschlossen werden. Damit dürfte eine grundsätzliche Einigung über die Zukunft des Donbass schwierig werden. Der Kreml muss nun dafür sorgen, dass die Gespräche in einem angemessenen Rahmen statfinden können. Russland wird die Städte Donezk und Lugansk nicht preisgegeben",
    meint die GAZETA aus Moskau.
    Die slowakische Zeitung PRAVDA sieht nur wenig Spielraum für eine diplomatische Lösung:
    "Nur schwer kann man sich am Verhandlungstisch mit einem Land einigen, dessen Außenminister ernsthaft behauptet, die Annexion der Krim sei ein Beispiel für die Einhaltung internationaler Rechtsnormen. Nur schwer kann man zu einer Einigung kommen mit jemanden, der so tut, als wenn im Donbass ein Streit zwischen 'dem Westen' und 'den Rebellen' tobt, Russland mit dem Konflikt aber nichts zu tun habe. Nur schwer kann man eine gemeinsame Sprache mit jemanden finden, der eine völlig andere Weltsicht hat. Dennoch muss man sie suchen. Frieden genießt die höchste Priorität",
    unterstreicht die PRAVDA aus Bratislava.
    Die französische Zeitung LE FIGARO konstatiert:
    "Die diplomatische Initiative von Frankreich und Deutschland zeigt bereits vor den Gesprächen erste Konsequenzen. Die Maskerade des russischen Präsidenten Putin wurde beendet. Der Kreml-Chef führt einen 'asymmetrischen Krieg'. Während er vom Frieden spricht, ordnet er militärische Manöver an. Doch die Zeit des doppelten Spiels ist vorbei. Wenn diese Friedensverhandlungen scheitern, werden die USA - und auch einige europäische Länder - Waffen an die Ukraine liefern. Dies würde das Land in einen langen Konflikt stürzen, mit kaum Aussicht auf Erfolg. Russland dürfte wiederum in eine schwere Rezession geraten und letztendlich im Autoritarismus versinken",
    befürchtet LE FIGARO aus Paris.
    Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG kommentiert:
    "Am meisten zu verlieren hat Poroschenko, der sich in einer politischen Zwickmühle sieht: Einerseits inszeniert er sich als Garant der territorialen Integrität der Ukraine und gibt vor, den Donbass wie die Krim zurückzuholen. Andererseits steht ihm auf dem internationalen Parkett kein Akteur so zur Seite, dass er der russischen Aggression wirklich etwas entgegensetzen könnte. Es mehren sich die Vermutungen, wonach auf dem Gipfel, sofern er überhaupt stattfindet, kein neuer Friedensplan, sondern höchstens eine gemeinsame Erklärung zu erwarten sei".
    Das war die NZZ aus der Schweiz.
    Die US-Regierung sieht Waffenlieferungen an die Ukraine als eine Option. Darauf geht die türkische Zeitung YENI SAFAK ein:
    "Europa hat Vorbehalte gegenüber der Ukraine-Politik der Amerikaner. Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Staatschef Hollande reichten dem russischen Präsidenten Putin die Hand, die USA standen abseits, blieben allein. Und dennoch: Hollande und Merkel kämpfen im Grunde auf der gleichen Seite wie Obama. Das heißt: Wenn Amerikas Interessen nicht gefährdet werden, gibt es auch keinen Krieg. Den will Europa unter keinen Umständen. Dieser Logik folgt auch US-Präsident Obama. Allerdings sollte er die Kriegstreiber im US-Kongress im Blick behalten",
    empfiehlt YENI SAFAK aus Istanbul.
    Die schwedische Zeitung DAGENS NYHETER vertritt eine klare Position:
    "Solange der russische Präsident nicht eine Kehrtwende vollzieht, ist kein Frieden zu erwarten. Putin ist nicht an einem Kompromiss interessiert, hält seine Versprechen nicht ein und lügt ungeniert. Der Westen kann die Ukraine nicht einfach ihrem Schicksal überlassen, und gerade im Baltikum ist man besorgt, was der Kreml als Nächstes vorhat. Man sollte von Minsk daher nicht allzu viel erwarten, aber man kann den Preis für Putin in die Höhe treiben",
    ist in der DAGENS NYHETER aus Stockholm zu lesen.
    Die norwegische Zeitung AFTENPOSTEN geht von einer anderen Entwicklung aus:
    "Die Wahrscheinlichkeit einer Spaltung der Ukraine ist groß. Die russische Propaganda und ukrainische Raketenangriffe mit zivilen Opfern haben bei vielen Bewohnern in den von den Separatisten kontrollierten Regionen den Hass auf Kiew wachsen lassen. Das nützt Putin. Die Donbass-Region wäre nach einer Abspaltung wohl nicht Teil von Russland, sondern ein Gebiet wie Transnistrien, Abchasien oder Südossetien - international nicht anerkannte Staaten unter russischer Dominanz. Auch wenn es offiziell noch ein Tabu ist: Wir sollten uns allmählich darauf vorbereiten, dass die Ukraine in ihrer bisherigen Gestalt Geschichte ist",
    sorgt sich AFTENPOSTEN aus Oslo.
    Die lettische Zeitung NEATKARIGA RITA AVIZE argumentiert ähnlich, sieht aber eine größere Dimension:
    "Russland und der Westen haben längst begriffen, dass der Ukraine-Konflikt zu einer militärischen Auseinandersetzung zwischen Russland und der NATO werden kann. Um einen umfassenden Krieg mit unabsehbaren Folgen abzuwenden, laufen intensive Gespräche. Der Ukraine droht eine Entwicklung wie Moldawien mit seiner abtrünnigen Republik Transnistrien. Aber auch dann wird Russland nicht aufhören, nach Schwachpunkten im westlichen Bollwerk zu suchen, und zuschlagen. Eine solche Achillesferse ist Lettland",
    warnt NEATKARIGA RITA AVIZE aus Riga.
    Nach Ansicht der tschechischen Zeitung HOSPODARSKE NOVINY ist der Ukraine-Konflikt ein Test für den Westen:
    "Er kann seine Glaubwürdigkeit als Verbündeter und nicht zuletzt den Respekt derjenigen Großmächte, die ihm nicht gewogen sind, verlieren. Früher oder später wird es zu einer diplomatischen Lösung kommen. Die Frage ist, ob der Westen die Putin-Logik übernimmt, in der es nicht um eine Einigung geht, sondern um die Macht",
    analysiert HOSPODARSKE NOVINY aus Prag.
    Abschließend noch eine russische Stimme. Die Zeitung NOWYJJE IZWESTIJJA erwartet in Minsk Zugeständnisse, die sich aus dem Verlauf der jüngsten Kämpfe in der Ost-Ukraine ableiten lassen:
    "Wenn in der weißrussischen Hauptstadt diesmal eine Vereinbarung über ein Waffenstillstand erreicht werden sollte, dann kann man nicht auf dem Status Quo der bisherigen Vereinbarung beharren. Denn die Situation in der Kriegsregion ist nun eine andere und die Zahl der Opfer ist gestiegen. Das bedeutet, dass man neue Bedingungen braucht und vor allem neue Garantien dafür, dass die Kriegshandlungen nicht wieder aufgenommen werden. Ohne solche Garantien wäre ein neues Abkommen nur Makulatur".