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Internationale Strafgerichte
Austausch über Verfahren im Namen des Völkerrechts

Internationale Strafgerichte, die Gewaltverbrechen wie Völkermord ahnden, haben sich zunehmend etabliert. Auf einem Symposium in Nürnberg trafen sich Ankläger, Verteidiger und Rechtsexperten, um sich über Verfahren im Namen des Völkerrechts und die damit verbundenen Schwierigkeiten zu diskutieren.

Von Tobias Krone | 27.05.2018
    Eingang zum Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag mit Schild davor.
    Großmächte wie China oder Russland stellen den unabhängigen Internationalen Gerichtshof infrage (dpa / Juan Vrijdag)
    Giftgasattacken, beschossene Schulen und Krankenhäuser. Viele, die der Gewalt im Nahen Osten machtlos zusehen, haben vor allem eine Sehnsucht: Die Verantwortlichen von Kriegsverbrechen anzuklagen – und sie nach internationalem Völkerrecht zu bestrafen. Und die gute Nachricht: Grundsätzlich ist so etwas möglich. Jüngst bewiesen hat es das Jugoslawien-Tribunal, das die Kriegsverbrechen der 90er-Jahre auf dem Balkan aufgearbeitet hat.
    Auf einem Symposium in Nürnberg trafen sich nun internationale Ankläger, Verteidiger und Rechtsexperten, um sich auszutauschen über Verfahren im Namen des Völkerrechts weltweit. Und auch, um die Schwierigkeiten internationaler Prozesse zu diskutieren. Etwa dass die Urteile des Jugoslawien-Prozesses gegen serbische Politiker in Serbien stark angezweifelt werden.
    "Das Jugoslawientribunal ist nicht gerade beliebt in Serbien, weil viele Serben es als ein politisches Gericht betrachten – und als ein Gericht gegen Serben. Mit dem einzigen Ziel, Serben zu verfolgen. Dieses Narrativ ist wirklich gefährlich, weil viele Urteile wichtige Schritte gegen die Kultur der Straflosigkeit in Serbien sind."
    Urteile werden infrage gestellt
    Die junge serbische Anwältin Ivana Žanić klagt mit einer kleinen serbischen NGO gegen weniger prominente Kriegsverbrecher im Land, doch die Regierung blockiert die Arbeit des nationalen Kriegsverbrecher-Gerichts. Vor allem das Urteil in Den Haag gegen Serbenführer Radovan Karadzic, der für die Ermordung von 8.000 Einwohnern im bosnischen Srebrenica verantwortlich gemacht wird, polarisierte. Er bekam 40 Jahre wegen Völkermords. Dagegen legt er nun Berufung ein – mit teils großer Unterstützung aus der Heimat. Der Versuch, internationale Gerechtigkeit herzustellen hat unfreiwillig auch neue nationalistische Strömungen hervorgebracht.
    Doch auch die Großmächte stellen den unabhängigen Internationalen Gerichtshof infrage. Russland, China, die USA und Israel etwa haben die nötigen Verträge für das Gericht gar nie unterzeichnet. Hier könnten bald Konflikte entstehen, denn auch diese Länder geraten teilweise ins Visier der Ermittler, sagt der Professor für Völkerstrafrecht an der Universität Leiden Carsten Stahn:
    "Die Situation in der Ukraine betrifft also auch Russland. Wir haben eine Situation, die den Irak betrifft. Und da ist auch dann Streitkräfte von Großbritannien betroffen. Gleichzeitig haben wir die Afghanistan-Situation, die auch die USA betreffen. Das heißt, wir haben eine neue Tendenz, dass Strafverfahren oder Ermittlungen vor dem Gerichtshof tatsächlich Wirkung entfalten."
    Dämpfer durch Trump-Regierung
    Um nun aber etwa mutmaßliche Straftäter im Dienst der CIA vor Gericht zu bringen, müssten die USA sie ausliefern, und das wird immer unwahrscheinlicher.
    "Die USA haben bisher mit der Obama-Regierung einen konstruktiven Ansatz gegenüber dem Gerichtshof verfolgt. Die USA haben bezüglich mehrerer Situationen auch geholfen, dass tatsächlich in Uganda zum Beispiel Verdächtige an den Gerichtshof überstellt werden. Und jetzt, unter der Trump-Regierung wird man natürlich auf diese Unterstützung nicht mehr rechnen können."
    Ein unabhängiger Prozess gegen die Verbrechen der Bürgerkriegsparteien in Syrien – auch das wäre ein fälliges Projekt. Doch Russland und China blockieren alle Versuche, die syrische Regierung wegen ihrer mutmaßlichen Giftgaseinsätze zu verfolgen. Deshalb versuchen Juristen andere Wege; etwa Wolfgang Kaleck, der als deutscher Anwalt Edward Snowdens bekannt wurde. Er will den Umweg über deutsche Gerichte nehmen.
    "Das in Berlin ansässige European Center for Constitutional Human Rights hat jetzt in den letzten anderthalb Jahren fünf große Strafanzeigen eingereicht im Falle Syriens. Eine davon gemeinsam mit einer französischen Organisation gegen eine französische Zementfabrik, die wir beschuldigen, mit ISIS zusammengearbeitet zu haben. Und vier der Strafanzeigen richten sich gegen diverse Geheimdienstchefs, weil die Geheimdienste dort diejenigen sind, die über ein großes Netz von Gefangenenlagern von Gefängnissen verfügen und dort alle in eigener Regie massiv und systematisch Leute foltern."
    Erfolg der Prozesse unklar
    Noch ist unklar, ob die Prozesse Erfolg haben. Doch gerade die deutsche Rechtssprechung gilt als sehr völkerrechtsfreundlich. Möglicherweise könnten in einiger Zeit syrische Regierungsmitglieder international gesucht werden – und vor einem deutschen Gericht landen.