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Internationaler Telemann-Wettbewerb in Magdeburg
Sprungbrett für Barocksänger

"Singen ist das Fundament zur Musik in allen Dingen": Dieser Spruch des Komponisten Georg Philipp Telemann passte zum 9. Internationalen Telemann-Wettbewerb in Magdeburg. Dort wetteiferten 49 junge Sängerinnen und Sänger aus elf Nationen erstmals in der Kategorie Gesang um die Preise.

Von Claus Fischer | 20.03.2017
    Junge Menschen musizieren im Rahmen des Telemann-Wettbewerbs in Magdeburg
    Bei jungen Interpreten geschätzt: der Telemann-Wettbewerb in Magdeburg (picture alliance / dpa)
    Musik: Telemann, Arie mit Johanna Knauth
    "Ich bin Johanna Knauth, bin 29 und studiere im Moment noch "Master Oper" in Leipzig. Ich komme von der Querflöte, ich hab als Jugendliche Querflöte gespielt und viel mit einer Freundin Telemann-Duette gespielt, da gibt es nämlich superschöne Sachen und ich kannte ihn vor allen Dingen von der Instrumentalmusik..."
    Musik: Telemann
    "Also ich hab Telemann schon vorher gesungen, aber wenig. Und von den Stücken, die ich jetzt hier im Wettbewerb gesungen habe, kannte ich kein einziges vorher!"
    Geneviève Tschumi ist als Kind Schweizer Eltern in Kiel aufgewachsen. Im vergangenen Jahr gewann sie beim renommierten Leipziger Bachwettbewerb den dritten Preis.
    "Beim Bachwettbewerb, da waren wir mir fast alle Stücke vorher ja schon geläufig. Und hier hat man jetzt Sachen gesungen, die man hier zum ersten Mal aufgeführt hat."
    Musik: Telemann, Arie mit Geneviève Tschumi
    Traditionsgemäß stand beim Telemann-Wettbewerb in Magdeburg ausschließlich Musik des Namenspatrons auf dem Programm. Als Zuhörer während der drei Runden geriet man schnell ins Erstaunen, wie phantasievoll und abwechslungsreich Telemanns Arien sind. Viele wurden erst in den letzten Jahren überhaupt im Druck herausgegeben. Deshalb, so betont der Leiter des Magdeburger Zentrums für Telemannpflege und -Forschung Carsten Lange, hatten die Teilnehmer auch kaum CD-Aufnahmen zur Verfügung, um sich auf ihren Auftritt vor der Jury vorbereiten.
    "Also in den ersten beiden Runden konnte man sich nicht orientieren an anderen Interpreten, sondern man musste seinen ganz persönlichen Umgang mit Musik- und Textdeklamationen zeigen…"
    "Man darf nicht Telemann singen wie Bach.."
    …betont der Vorsitzende der Jury, der amerikanische Dirigent und Originalklangexperte David Stern...
    "Bach hatte einfach dieses direkte Verhältnis zu Gott, er konnte direkt mit Gott reden. Telemann musste irgendwie eine andere E-Mail-Adresse haben, um mit Gott zu sprechen. Und deswegen braucht er mehr Ideen, mehr Phantasie, mehr Farben!"
    "Daher steht dann bei Telemann auch die Verzierung immer sehr im Vordergrund…"
    ...sagt Tenor und Jurymitglied Jan Kobow...
    "Bachs Musik, zumindest die geistliche, eignet sich nicht so gut dafür!"
    Für die Altistin Britta Schwarz, ebenfalls Mitglied der Jury, zählt aber noch ein anderer Aspekt.
    "Mir ist es wichtig, dass der Sänger oder die Sängerin das findet, was ihrer Person adäquat ist. Tue ich das wirklich so, dass ich sage: Das ist meine Entscheidung gewesen. Ich nehme die Verzierungen anders. Oder ich nehme sie gar nicht. Oder ich trillere so oder so, weil ich dafür Gründe habe. Und wenn ich das merke - das überzeugt mich!"
    Musik: Telemann, Arie mit Marian Dijkhuizen
    Bewertet wurden die Teilnehmer nach einem traditionellen Punktesystem. Bei der Entscheidung, wer in die Endrunde kommen sollte, votierten die Juroren dann aber nur noch entweder mit "Ja" oder "Nein". Erstaunlicherweise, erzählt Britta Schwarz, schieden sämtliche Männer aus, es gab sechs Finalistinnen.
    "Wir haben ja schöne Sachen rausgesucht für alle Stimmlagen und hätten uns sehr gefreut, das alles zum Klingen bringen zu können, aber es war in der Tat so, dass die sechs Kandidatinnen, die wir jetzt ins Finale genommen haben, in sich ein so hohes Niveau haben, dass es dann einen Sprung gab. Und diesen Sprung, haben wir uns entschieden, wollen wir nicht vorzeigen."
    "Also es gab zwei Männer, die hätten durchaus ins Finale kommen können, bei einem war ich auch sehr dafür."
    Doch Jan Kobow wurde von seinen Jurykollegen überstimmt. Insgesamt, so Britta Schwarz, hatte der Wettbewerb ein sehr hohes Niveau.
    "Das breite Feld war weiter unten, aber da waren so erfreuliche, so wunderbare Leistungen dabei, dass ich das doch als Maßstab nehmen würde."
    Der dritte Preis ging an Johanna Knauth aus Deutschland. Ihre Sopranstimme hat eine enorme Kraft, die in manchen Passagen dem barocken Gestus von Telemanns Musik nicht ganz gerecht wurde. Auf den zweiten Platz kam Mezzosopranistin Marian Dijkhuizen aus den Niederlanden, bei der die Balance zwischen "dramatisch" und "lyrisch" um Einiges ausgeglichener war. Erste Preisträgerin wurde - völlig zu recht - Geneviève Tschumi aus der Schweiz, ebenfalls Mezzosopranistin. Ihr Auftritt im Finale ließ keine Wünsche offen, sie verstand es äußerst geschickt, die Register ihrer warmen und vollen Stimme einzusetzen und das bei großartiger Textverständlichkeit! Neben dem Preis, über den sie sich natürlich enorm freut, nimmt sie auch spannendes neues Repertoire mit nach Hause.
    "Ich verwerte tatsächlich schon einige Stücke gleich, mit dem Hamburger Barockwerk, also es geht mit Telemann auf jeden Fall erstmal noch weiter."
    Musik: Telemann, Arie