Dienstag, 23. April 2024

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Internet und Telekommunikation in der Dritten Welt

Zugang zu den Kommunikationsnetzen und Teilhabe an den Informationstechnologien ist eine Forderung von Vertretern der so genannten Dritte-Welt-Länder. Die derzeitige Situation beim Internet hat die International Telecommunication Union (ITU) in einem Report ermittelt. Im Interview mit Manfred Kloiber erläutert Tim Kelly von der ITU die Unterschiede zwischen Arm und Reich im World Wide Web.

Manfred Kloiber, Tim Kelly | 16.10.1999
    Tim Kelly: Heute gibt es auf der ganzen Welt etwa 190 oder 200 Millionen Internetbenutzer. Doch der weitaus größte Teil davon lebt in den entwickelten Ländern. Wenn wir aber auf die Länder mit den geringsten Einkommen sehen, die immerhin zwei Drittel der Weltbevölkerung ausmachen, dann kommen die zusammen auf nur zwei Prozent der Internetnutzer in der Welt. Also: Die Situation ist sehr ungleich. Bei anderen Telekommunikationsformen wie dem normalen Telefondienst oder der Mobilkommunikation ist der Abstand nicht ganz so groß. Aber gerade in Sachen Internet sind wir noch weit entfernt von einer gerechten Verteilung.

    Manfred Kloiber: Reden wir über die wirklich armen Länder unter den Entwicklungsländern. Wie sieht deren Perspektive aus, ihre Telekommunikations-Infrastruktur zu entwickeln?

    Tim Kelly: Das ist vor allem eine Frage der Prioritäten. In den meisten Entwicklungsländern steht ja die Wasserversorgung, die medizinische Versorgung und die Schulausbildung ganz oben auf der Prioritätenliste. Und oft wird angenommen, Telekommunikation oder das Internet seien Luxus. Aber das ist wirklich eine falsche Darstellung der Tatsachen. Denn ohne moderne Telekommunikation ist es in der von Informationen dominierten Welt kaum noch möglich, Schulausbildung oder medizinische Dienst vorzuhalten, also alles das, was für diese Länder wichtig ist. Es geht also nicht um entweder Telekommunikation oder all die anderen wichtigen Dinge. Es geht um beides.

    Manfred Kloiber: Worin bestehen die Schwierigkeiten, eine gute Infrastruktur in den Entwicklungsländern zu schaffen?

    Tim Kelly: Das größte Problem, das Internet in den Entwicklungsländern aufzubauen ist, dass sie wirklich ein gutes, fest verdrahtetes Netzwerk benötigen. Ein digitales Netzwerk, das sich über das ganze Land erstreck. Ohne diese Grundlage können sie kaum ein vernünftiges Internet aufbauen. Es gibt auch Länder, in denen es auch ohne geht. Uganda ist da ein Beispiel. Dort wird Funk benutzt, um das Land zu versorgen. In anderen Ländern, die kein Festnetz haben, verwendet man Satellitensysteme um die Dörfer zu versorgen. Das sind aber alles sehr teuere Lösung. optimale wäre ein Festnetz, und darauf aufgesetzt ein Mobilfunknetz für das ganze Land.

    Manfred Kloiber: Eine gute Infrastruktur ist die eine Seite, eine andere Seite ist die Nutzung. Können sich die Menschen in den Entwicklungsländern das Internet überhaupt leisten?

    Tim Kelly: Der Preis ist nicht das gravierendste Problem, sondern die Fähigkeit der Menschen, lesen und schreiben zu können. Der Analphabetismus ist das größte Hindernis zur Einführung von Internet-Diensten, besonders wenn es um E-Mail geht. Wenn Sie diese Hürde aber genommen haben und die Menschen auch mit Computern umgehen können, dann bleibt das Problem der Armut. Was den Preis angeht, haben wir festgestellt, dass Telefonieren und auch Internet oftmals in den Entwicklungsländern sehr viel teurer ist als in den Industriestaaten. Das liegt zum Teil daran, dass die Netze ineffektiv betrieben werden. Zum Teil aber auch daran, dass in den Ländern nicht nach ökonomischen Aspekten gehandelt wird. Aber in Zukunft muss das Internet dort sehr viel billiger werden. Dann kann es sich auch sehr viel schneller entwickeln.