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Internetkriminalität
Die Schattenwirtschaft

Über das "Darknet" werden online viele illegale Geschäfte abgewickelt. Georg Ungefuk von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main erläuterte im DLF, was das "Darknet" ist - und warum sich die Strafverfolgung mitunter als schwierig erweist.

Georg Ungefuk im Gespräch mit Silke Hahne | 26.07.2016
    Sie sehen zwei Hände auf einer beleuchteten Tastatur im Dunklen.
    Bezogen auf das Darknet sind die technischen Möglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden eingeschränkt - das liegt vor allem an der Verschlüsselung des Datenverkehrs. (picture-alliance / dpa / Silas Stein)
    Ungefuk arbeitet bei der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität, die der Generalstaatsanwaltschaft zugeordnet ist. Er beschreibt das Darknet als abgeschotteten, verschlüsselten Bereich des Internets, für den in der Regel eine bestimmte Software notwendig ist. Sie dient auch dazu, die Nutzer zu anonymisieren. Sie können also surfen, ohne identifiziert zu werden.
    Darum wird das Darknet auch von Dissidenten und NGOs genutzt - aber in welchem Verhältnis legale und illegale Aktivitäten stehen, vermag Ungefuk nicht zu sagen. "Es gibt keine statistischen Zahlen." Der Grund: dieser Bereich des Internet liege nun einmal im Dunkeln und sei nur schwer auszuwerten.
    Bezahlt wird meist mit Bitcoins
    Bei illegalen Waffengeschäften sei es zum Beispiel so, dass ein Verkäufer das Darknet als zusätzliche Absatzmöglichkeit nutze. Insofern seien die illegalen Geschäfte im Darknet so etwas wie eine Schattenwirtschaft, die dennoch gewissen marktwirtschaftlichen Grundsätzen folge. Auf den einschlägigen Plattformen oder Foren könne man die Ware bestellen. Bezahlt werde meist mit Kryptowährung, also mit digitalem Geld - vor allem mit Bitcoins. Danach werde die Ware dann mit Logistik-Dienstleistern verschickt.
    Ungefuk betonte, auch wenn man keine genauen Zahlen habe, so könne man doch sagen, dass der Bereich insgesamt gewachsen sei, auch weil die Bekanntheit zugenommen habe. Das Problem: Die technischen Möglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden sind eingeschränkt - und das liegt vor allem an der Verschlüsselung des Datenverkehrs. Die Ermittlungen sind darum sehr aufwendig. Ungefuk betonte, bei der Zentralstelle sei man personell gut aufgestellt, aber ohne die Mitwirkung von Polizei und Zoll könne man nicht viel ausrichten.

    Das Interview in voller Länge:
    Silke Hahne: Der Amoklauf in München hat in den vergangenen Tagen einen Teil des Internet-Handels ins Licht gerückt, der sonst gerne im Verborgenen bleibt, und das auch mit der vollen Absicht seiner Nutzer: Das sogenannte Darknet, dunkles Netz also. Über diesen abgeschirmten Teil des Internets hat sich der Täter in München seine Waffe besorgt. Wie das Darknet funktioniert, darüber spreche ich jetzt mit Georg Ungefuk. Er ist bei der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität, kurz ZIT, eine Außenstelle der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt. Die ZIT bearbeitet unter anderem Fälle von Internetkriminalität für das Bundeskriminalamt. Guten Tag, Herr Ungefuk.
    Georg Ungefuk: Guten Abend! - Hallo!
    Hahne: Klären wir erst mal die Grundlagen. Wie verschafft man sich, egal mit welcher Absicht, nun Zugang zum Darknet? Wie funktioniert das?
    Ungefuk: Das was wir heute unter dem Begriff Darknet verstehen, sind abgeschottete verschlüsselte Bereiche des Internets, die nur mit einer bestimmten Software zugänglich sind. Um da Zugang zu erhalten, um mich in diesen Bereichen bewegen zu können, muss ich eine bestimmte Software auf meinen PC, auf meinen Computer runterladen, diese Software installieren und kann anschließend dann in diesen Bereichen auch aktiv sein.
    Hahne: Und meine Spuren im Netz werden dann komplett verschleiert?
    Ungefuk: Richtig, genau. Es ist eine Software, die primär zunächst mal der Anonymisierung des Datenverkehrs dient. Das heißt, man kann dadurch anonym surfen, sich anonym auf bestimmten Seiten bewegen, ohne dass man selbst identifiziert werden kann, oder ohne, dass man in irgendeiner Weise da in Erscheinung tritt oder Spuren hinterlässt.
    Hahne: So was nutzen ja nicht nur Kriminelle, sondern zum Beispiel auch Bürgerrechtler oder Aktivisten. Die nutzen diese Anonymität des Darknet. Weiß man über das Verhältnis von legalen und illegalen Tätigkeiten in diesem Bereich des Netzes?
    Ungefuk: Wir haben dazu keine statistischen Zahlen. Wir reden hier von einem Bereich, der natürlich im Dunkeln bleibt, der sich auch nur sehr schwer auswerten lässt, so dass es sehr spekulativ wäre, wenn ich jetzt sagen würde, dass ein bestimmter Anteil in einer bestimmten Prozenthöhe legale Aktivitäten betrifft und der andere Anteil illegal. Das lässt sich einfach aufgrund des Charakters des Darknets schlicht und einfach nicht belegen.
    Hahne: Wenn wir jetzt mal auf die illegalen Aktivitäten gucken, was ja meistens Handel ist, zum Beispiel Waffenhandel. Wer verkauft so was? Wer sind da die Verkäufer? Wie wird dann bezahlt und wie gelangen solche illegalen Waren dann zum Käufer?
    Ungefuk: Das ist teilweise unterschiedlich. Bei den Verkäufern sind es im Regelfall, so erleben wir das, Menschen, die schon eine gewisse Affinität zu Waffen haben, die über Waffen verfügen und die dann für sich diesen zusätzlichen weiteren Absatzkanal, diese weitere Absatzmöglichkeiten entdecken, um übers Darknet dann Waffen oder auch Munition zum Verkauf anzubieten.
    Hahne: Also ganz wirtschaftlich quasi?
    Ungefuk: Man kann das Darknet oder man kann die Handelsaktivitäten von Personen, sei es jetzt in Bezug auf Waffen, aber auch insbesondere auf Betäubungsmittel, als eine Schattenwirtschaft bezeichnen, die aber in gewisser Weise marktwirtschaftlichen Grundsätzen auch folgt.
    Hahne: Und wie wird dann der Warenverkehr organisiert?
    Ungefuk: Das Ganze läuft so ab, dass man natürlich übers Internet unter Nutzung von einer bestimmten Software letztlich auf einer illegalen Plattform oder auch einem illegalen Forum im Darknet eine Bestellung tätigt und diese Bestellung anschließend dann bezahlt. Bezahlt wird im Regelfall im Darknet mit Kryptowährung. Insbesondere die Kryptowährung Bitcoin ist hier ein sogenannter Marktführer. Damit werden die meisten Geschäfte abgewickelt. Anschließend, wenn die Bestellung bezahlt wurde und die Bestellung soweit durchgeführt wurde, wird die Ware dann im Regelfall mit Logistikdienstleistern an den Kunden versandt.
    Hahne: Sie sind ja als Ermittler dran an den Fällen. Lässt sich denn seriös schätzen, wie viel Geld mit solchen illegalen Geschäften in Deutschland gemacht wird übers Darknet?
    Ungefuk: Auch das ist sehr schwer zu bewerten, weil wie gesagt wir über einen Bereich reden, der schlicht und einfach normalen statistischen Auswertungen auch nicht zugänglich ist. Wir haben statistisch gesehen keine Zahlen dazu und keine statistische Bewertung. Das was wir aus unserer Einschätzung und aus Ermittlungsverfahren sagen können, dass dieser Bereich in den letzten Jahren doch gewachsen ist, was möglicherweise auch mit der zunehmenden Bekanntheit dieser Möglichkeit, im Darknet sich zu bewegen, zusammenhängt.
    Hahne: Nun scheint es ja kein Hexenwerk zu sein, sich dort als Nichthacker oder Crack Zugang zu verschaffen, und es ist ja auch erst mal an sich nicht illegal. Ohne jetzt suggerieren zu wollen, dass es so etwas wie hundertprozentige Sicherheit geben kann, was erschwert denn die Aufklärung von Straftaten im Darknet? Ist das eine Frage der Personalkapazität?
    Ungefuk: Der Ausgangspunkt in dem Fall ist natürlich, dass aufgrund dieser Verschlüsselung, die man durch ein Anonymisierungsnetzwerk letztlich dann auch durchsetzen kann, die technischen Möglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden deutlich eingeschränkt sind. Das heißt, in technischer Hinsicht haben Strafverfolgungsbehörden nicht viele Möglichkeiten, um im Darknet oder anders gesagt im Tornetzwerk erfolgreiche Ermittlungen zu tätigen. Das bedeutet, dass Ermittlungen im Darknet regelmäßig sehr, sehr aufwendig sind, mit viel Aufwand auch in personeller Hinsicht betrieben werden müssen ...
    Hahne: Weil man sich zum Beispiel als Käufer ausgeben muss?
    Ungefuk: Weil man ganz, ganz viele - jeder Fall ist unterschiedlich in diesem Bereich - Ermittlungsansätze in Betracht ziehen kann und möglicherweise nur eines von ganz vielen dann funktioniert, weil einfach die konventionelle klassische Überwachungsmöglichkeit aufgrund dieser Verschlüsselung nicht gegeben ist.
    Hahne: Würden Sie denn sagen, dass Ihre Stelle beispielsweise trotzdem auch genug Personal hat, um Straftaten zu verhindern? Wie viele Fälle sind das im Jahr, die Sie so behandeln und vielleicht auch lösen?
    Ungefuk: Wir sind insgesamt gut aufgestellt, sind als Dienststelle - wir sind eine Zentralstelle der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main - auch in den letzten Jahren personell verstärkt worden und sind aktuell auch gut aufgestellt. Natürlich muss man in dem Zusammenhang auch immer sagen, dass die Staatsanwaltschaft ohne die Mitwirkung der Polizei, ohne Mitwirkung der Polizeibehörden, der Zollbehörden auch erst mal nicht viel ausrichten kann, sondern sie ist angewiesen, funktionierende, leistungsstarke Polizeikräfte, Polizeieinheiten zu haben, um Ermittlungen erfolgreich betreiben zu können, und im Bereich der Darknet-Ermittlungen ist es zwingend erforderlich, dass man auch eine gewisse personelle Stärke dann hat, um erfolgreich ermitteln zu können.
    Hahne: Einordnungen von Georg Ungefuk von der Zentralstelle zur Bekämpfung von Internetkriminalität. Herr Ungefuk, danke für Ihre Zeit.
    Ungefuk: Sehr gerne. Ich danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.