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Intrigenspiel

In der Linkspartei gärt es gewaltig. Es geht nicht zuletzt um Führungsfragen. Das Ergebnis einer knapp vierstündigen Krisensitzung in Berlin lautet, dass die Debatte über das Führungspersonal der Partei sofort einzustellen sei.

Von Blanka Weber | 21.04.2011
    Lothar Adler ist Redakteur der Monatszeitung "Klarsicht". Pünktlich zum 1. Mai soll die neue Ausgabe in den Briefkästen liegen. Seine ehrenamtlichen Helfer werden die Parteizeitung im Kreis Gotha austragen. Immerhin: Es gibt 2.300 Leser bei 300 Parteimitgliedern. Er hat viel zu schreiben über Energie, Hartz IV und gerechte Löhne, sagt Adler. Themen gibt es viele -, unabhängig von den Querelen der Berliner Parteispitze.

    "Unsere Arbeit müssen wir machen, die machen wir auch gerne, egal wir hart oder dramatisch sich der Streit in Berlin anfühlt."

    Das uncharmante Wort "ankotzen" fiel. Der Parteivorsitzende Klaus Ernst benutzte es als Reaktion auf das Grummeln an der Basis, wo von Fehlern und Führungsschwäche der Parteispitze die Rede ist.

    "Also, Ankotzen ist der völlig falsche Eindruck oder völlig falsche Ausdruck. Natürlich ist es so, dass wir uns nicht jeden Tag darüber freuen, wenn die Linke in den Medien erscheint mit Streit ihrer Führungskräfte. Und möglicherweise hat manch einer unserer Spitzenleute noch nicht begriffen, welch‘ große Verantwortung er sich aufgeladen hat mit diesem Amt und kann das vielleicht noch nicht so richtig ausfüllen."

    Bernd Fundheller, Kreisvorsitzender der Linken, ist selbstständiger Handwerker. Er leitet auch Stadtratsfraktion in Gotha und schüttelt den Kopf - angesprochen auf die Personaldebatte an der Spitze seiner Partei:

    "Also ich persönlich möchte, dass das beendet wird. Wir haben Wichtigeres zu tun. Wir werden zur Zeit von allen anderen Parteien überholt, sage ich `mal zumindest in den Meinungen, und da tragen leider auch Medien dazu bei. Wenn wir `was vorschlagen, das wird gar nicht benannt."

    Dabei seien die Themen da, auch in Gotha, wo 1875 die Sozialistische Arbeiterpartei gegründet wurde, wo bereits damals mit einem Gothaer Programm soziale und politische Ungleichheiten an den Pranger gestellt worden waren. Und heute? Soziale Ungerechtigkeiten existieren noch immer, sagt Bernd Fundheller:

    "Wir haben die Frage: Rente mit 67, die wir ablehnen wollen, wir wollen Hartz IV abschaffen, da müssen wir Alternativen suchen, wir haben die Diskussion des Bürgergeldes, Bürgerarbeit, die inzwischen eingeführt wurde. Und da haben wir genug zu tun, an der Stelle `was zu ändern."

    Lothar Adler nickt. Zu tun gebe es genug. Für die Politik wie für den Redakteur. Er muss die neuen Zeitungen abpacken, Regale einräumen und die Kundgebungen am 1. Mai vorbereiten. Adler ärgert die Schlammschlacht oben an der Spitze. Wir an der Basis geben uns Mühe, schimpft er, und die da oben machen unsere Arbeit mit negativen Schlagzeilen zunichte.

    "Streng genommen verschleudern wir Ressourcen, dann haben wir Veranstaltungen umsonst gemacht, Flugblätter, Infostände umsonst betrieben, wenn dann also die Leute hören müssen, dass vielleicht doch nicht hü sondern hott gesagt wird, also das muss unseren Verantwortungsinhabern klar sein, dass sie die Arbeiten vieler ehrenamtlichen Mitarbeiter und Sympathisanten der Partei immer `mal wieder torpedieren."

    Bodo Ramelow - Fraktionsvorsitzender im Thüringer Landtag - kann den Ärger an der Basis verstehen. Er macht keinen Hehl daraus: das Bild, das die Parteispitze derzeit abgibt, ist alles andere als glücklich.

    "Es ist natürlich für Medienvertreter auch interessanter diese spektakulären Untertöne auch mitzunehmen. Wir befeuern sie ja selber. Also, insoweit ist das, was wir als Performance nach außen darstellen eine falsche, eigene Darstellung. Also, wir selber leisten uns eine Debatte zur Unzeit."

    Mehr als Ost - West sei die Partei, sagt Bodo Ramelow. Obwohl genau hier der Riss klafft. Nun heißt es, Kräfte bündeln, Landesverbände beruhigen - für den Blick auf die Themen und das Personal:

    "Wir haben einen klaren Fahrplan. Der heißt: Im Oktober ist der Programm-Parteitag hier in Erfurt. Und danach muss über Strukturen unserer Parteiführung geredet werden und selbstverständlich auch über Personal."

    Programm, Inhalt und Personen - all‘ das soll in einem Jahr geklärt sein. Bis dahin gilt es, meint Ramelow, erkennbar neue Strukturen zu bauen:

    "Wir haben extra eine Konferenz gehabt mit den Rheinland Pfälzern und den Hessen zusammen, die hat in Eisenach stattgefunden. Und wir sind im Moment dabei, Verabredungen mit anderen Bundesländern im Westen zu treffen, wie wir uns auf den Erfurter Parteitag einbringen werden."

    Seine Basis in Gotha setzt auf ihn. Bodo Ramelow könnte sich künftig noch mehr einbringen in Berlin, heißt es.

    "Chancen hätte er ja, wenn er denn kandidieren würde, weil Bodo - genießt großes Ansehen. Er hat viel geleistet, bei der Parteifusion, auch beim Aufbau der West-Landesverbände."

    Bis dahin wird Lothar Adler noch viele Seiten seiner Zeitung "Klarsicht" füllen und das neue Büro eingerichtet. Ramelow - einst Bundeswahlkampfleiter der Linken - hält sich unterdessen zurück:

    "Ich werde bis Ostern keinerlei negativen oder sonstigen Formulierungen über unsere Parteiführung formulieren. Das ist mein Beitrag zum Fasten. Und ganz klar - meine Botschaft - ich werde mich an der Personaldebatte derzeit überhaupt nicht beteiligen."

    Doch immerhin: Als Kandidat für das Ministerpräsidentenamt in Thüringen will er seinen Hut in den Ring werfen, kündigte er kürzlich an. Gewählt wird in drei Jahren."

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