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Invasion der Mikroalgen

Umwelt. - An Fassaden, genauer gesagt auf dem Außenputz machen sich neuerdings Algen breit, die nicht nur hässliche "Leopardenmuster" hinterlassen, sondern auch schädlich sind. Schuld an der zerstörerischen Plage, so Fraunhofer Wissenschaftler, habe vor allem die Wärmeisolierung.

Von Michael Engel | 21.07.2008
    Es ist eine grüne Flüssigkeit, die im Erlenmeyerkolben gerührt wird. Hier – im Labor des Fraunhofer Instituts für Holzforschung in Braunschweig - gedeihen Algen. Genauer gesagt: "Aeroterrestrische Mikroalgen" mit exotisch klingenden Namen wie Stichococcus, Szenedesmus oder Nostoc. Draußen – in der Umwelt - sind diese Einzeller allgegenwärtig. Mit der Luft gelangen sie zu den Hausfassaden und erzeugen hässlichen Flecken. Besonders Putz auf wärmeisolierenden Dämmschichten wie Styropor ist der grünen Invasion ausgeliefert:

    "Der Putz ist kälter als wenn der Putz direkt auf das Mauerwerk aufgebracht wird. Dadurch, dass der Putz kälter ist, fällt Kondenswasser in größeren Mengen an. Dadurch steht wieder mehr Wasser für ein Algenwachstum zur Verfügung, und dadurch befallen die Putze, die auf Wärmedämmungen aufgebracht werden, in der Regel wesentlich schneller mit Algen als Putze, die direkt auf einem massiven Mauerwerk aufgebracht werden."

    Er besprühte verschiedene Putze mit Wasser und stellte dabei erhebliche Unterschiede fest. Sogenannte "hydrophile", also Wasser aufnehmende Putze können bis zu 100 Milliliter Wasser pro Quadratmeter aufnehmen. Bei "hydrophoben", also Wasser abweisenden Putzen hingegen, bleibt die Nässe auf der Oberfläche. Doch diese Putze – so Oliver Frank – sind ein Nährboden für die Algen. Ablesbar im Freilandversuch draußen vor dem Institut.

    "Wir haben hier unsere Putzprobe Nr. 1, die sehr stark hydrophil ist. Es ist kein Algenbefall zu erkennen mit dem bloßen Auge. Putzprobe Nummer zwei ist mit Zuschlagstoffen hydrophobiert, und man sieht hier in der Mitte Abläufer und grüne Bereiche. Und Putz Nummer drei hat einen hydrophoben Anstrich, und man kann sehr gut sehen, dass dieser Putz schon nach kurzer Zeit extrem verschmutzt ist und gerade auch in den Rillen und Unebenheiten sich Schmutzpartikel und Mikroorganismen gesammelt haben."

    Dabei sind die Proben erst seit drei Monaten im Freiland. Früher, so der Biologe, tötete der saure Regen die Algen auf dem Putz. Das ist mittlerweile nicht mehr der Fall. Außerdem sind Biozide EU-weit als Zuschläge zum Putz verboten. Wenn das Ganze dann noch "thermisch entkoppelt" auf eine Wärmedämmschicht wie Styropor aufgebracht wird, ist Algenwuchs programmiert, denn dieser Putz ist kälter – circa zehn Grad Celsius: Anhaftendes Wasser verdunstet deshalb nicht so schnell, und das wiederum mögen die Algen. Die Braunschweiger Experten empfehlen deshalb hydrophile Materialien. Sie absorbieren das Wasser und entziehen den Algen damit die Lebensgrundlage:

    "Stark hydrophile Putze können die gesamte Menge an Kondenswasser problemlos aufnehmen, ohne dass die Materialfeuchte des Putzes wesentlich ansteigt. Der Putz hat eine sehr hohe Rohdichte, und da sind 100 Milliliter Wasser pro Quadratmeter im Vergleich zu der Putzmasse sehr gering. Die sind für den Putz vollkommen unproblematisch."

    Nur leider – so die Experten im Fraunhofer Institut für Holzforschung – habe die Industrie ungenügend auf die neuen Herausforderungen reagiert. Das Gros der Hersteller produziert nach wie vor Putze mit wasserabweisenden Eigenschaften. Angaben darüber – ob der Putz hydrophobe oder hydrophile Eigenschaften besitzt – seien ebenfalls eher die Ausnahme. Dabei sind Algen auf dem Putz nicht nur ein ästhetisches Problem: Die Organismen scheiden Säuren aus, die das Material auf Dauer zerfressen und schädigen können.

    "Das ist ein essentielles Problem, das mit gravierendem Wertverlust für neue Gebäude verbunden ist. Da wird ein Umdenken stattfinden."