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Invasive Arten
Kirschessigfliege gefährdet Obstanbau in Deutschland

Die Kirschessigfliege bereitet den Kirschbaumbesitzern Sorge: Die aus dem fernen Japan eingewanderte Art hat sich wegen des milden Winters 2014 explosionsartig vermehrt und zu massivem Befall bis zum Ernteausfall geführt. Und auch für dieses Jahr ist noch kein Gegenmittel gefunden.

Von Joachim Budde | 04.03.2015
    Eine Frau beißt in eine Kirsche
    Mit Drosophila suzukii ist nicht gut Kirschen essen (picture alliance / dpa / Lars Hendrich)
    Die Kirschessigfliege bereitet den Kirschbaumbesitzern Sorge: Die aus dem fernen Japan eingewanderte Art hat sich wegen des milden Winters 2014 explosionsartig vermehrt und zu massivem Befall bis zum Ernteausfall geführt. Und auch für dieses Jahr ist noch kein Gegenmittel gefunden.
    Vor heimischen Fruchtfliegen sind Beeren und Steinobst durch ihre Haut geschützt. Denn die Schädlinge können ihre Eier nur in beschädigte Früchte hineinlegen. Die Kirschessigfliege Drosophila suzukii aber - eine drei Millimeter lange hellbraune Fliege mit roten Augen - hat eine Säge, sagt Dr. Heidrun Vogt vom "Institut für Pflanzenschutz in Obst- und Weinbau" des Julius-Kühn-Instituts in Dossenheim.
    "Stellen Sie sich eine schöne, pralle Kirsche vor, die Haut ist wunderbar schön, aber wenn man sie ansägen kann, kann man da auch ein Ei hineinlegen, und das Problem ist, dass die Entwicklung sehr, sehr rasch ist, bei 25 Grad kann eine Generation vom Ei bis zur erwachsenen Fliege in zehn bis zwölf Tagen durchlaufen werden."
    Jedes Weibchen legt zwischen 200 und 400 Eier ab. Die Kirschessigfliege vermehrt sich im Laufe des Jahres rasant.
    "Man rechnet in Deutschland, je nachdem wie früh es startet im Frühjahr, wie sie über den Winter gekommen sind, mit fünf bis acht Generationen, die möglich sein können."
    Winterlager unbekannt
    Wie die Insekten genau überwintern, das wissen die Forscher noch gar nicht. Es könnte sein, dass die Fliegen von den Obstplantagen in Wälder ausweichen oder dass sie im Boden Zuflucht finden.
    Das Klima hierzulande bereiten Drosophila suzukii aber kaum Schwierigkeiten. Sie stammt aus einer Gegend in Südostasien mit ähnlichen Bedingungen. 2008 tauchte die Fliege in Kalifornien, Spanien und Italien auf, und von dort kam sie 2011 über die Alpen.
    "Eigentlich hat sie sich dann von Jahr zu Jahr weiter in andere Bundesländer auch nach Norden verbreitet, und seit letztem Jahr kann man eigentlich sagen: Sie ist deutschlandweit zu finden."
    Millionenschäden durch Essigfliege
    Obstbauern bereitet die Kirschessigfliege besondere Sorgen, weil sie Früchte befällt, die schon fast reif sind. 2014 beliefen sich die Schäden allein im Badischen auf mehrere Millionen Euro. Statt praller roter Kirschen hängt nach einem Fliegenbefall fauliger Schleim an den Zweigen. Mit Insektenschutzmitteln können die Bauern den Schädlingen kaum zu Leibe rücken. Denn sie müssten kurz vor der Ernte sprühen, gleichzeitig aber sicher sein, dass das Gift wirklich vollständig verschwunden ist, wenn sie die Früchte ernten.
    "Es gibt schon Präparate, aber die Anwendung unter diesen Konstellationen ist sehr schwierig, das ist die eine Seite, und die nächste Seite ist, durch diese vielen Generationen und die Populationsdichte reicht Ihnen eine Insektizidspritzung nie aus. Also müssen Sie wiederholen. Und wenn wir da unvorsichtig sind, dann können wir das Problem ja noch vergrößern, wenn die Tiere Resistenzen entwickeln."
    Darum suchen Forscher vom Institut für biologischen Pflanzenschutz des Julius-Kühn-Instituts in Darmstadt nach natürlichen Gegenspielern für die Kirschessigfliege. Schlupfwespen, die heimische Drosophila-Arten befallen, legen zwar auch in Larven der Kirschessigfliege Eier ab. Doch ohne Erfolg, sagt Dr. Annette Herz:
    "Denn Drosophila suzukii vermag sich zu wehren, die kapseln die Eier der Schlupfwespe ab, und dadurch kann sich die Schlupfwespe nicht entwickeln, und Drosophila überlebt."
    Bakterien und Viren wiederum, die dem Eindringling in seiner japanischen Heimat zusetzen, müssen erst intensiv untersucht und getestet werden, denn sie könnten ja auch heimische Arten befallen.
    "Es ist ein sehr, sehr langer Weg, den wir noch zu gehen haben, um hier eine innovative biologische Methode anbieten zu können. Aber wir haben noch sehr viele Ideen. Wir sind ja erst am Anfang."
    Kleingärtner können ihre Bäume schützen
    Im Garten kann man dennoch etwas gegen das Insekt unternehmen: Wer einen Obstbaum oder -strauch hat, kann Fliegenfallen aufstellen, um die Kirschessigfliege zu entdecken, sagt Heidrun Vogt:
    "Das kann ein Trinkbecher sein, ein Plastikbecher, in den man kleine Löcher rein bohrt, und in den Becher kann man Apfelessig mit Wasser eins zu eins gemischt reingeben, ein bisschen Spülmittel, damit sie einsinken. Für den Laien ist es dann am einfachsten, nach den Männchen zu schauen, die haben nämlich was ganz Charakteristisches: Einen schwarzen Punkt auf den Hinterflügeln, und diesen Punkt, den hat niemand der heimischen Arten."
    Wer solche Fliegen in der Falle findet, sollte Obststräucher oder besonders üppig tragende Äste mit einem feinen Netz schützen, solange die Früchte noch grün sind - also bevor die Fruchtfliege mit der Säge anrückt.