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Invasive Arten
Viel Ballast für die Schifffahrt

Das Ballastwasser-Übereinkommen soll verhindern, dass sich invasive Arten von Lebewesen im Ballastwasser von Schiffen weltweit ausbreiten und wirtschaftliche oder ökologische Schäden anrichten. Vor zwölf Jahren wurde das Abkommen verabschiedet, doch erst jetzt könnte es in Kraft treten - wenn nicht wieder etwas dazwischen kommt.

Von Tomma Schröder | 06.04.2016
    Ein Containerschiff auf dem Sueskanal in Ägypten
    Containerschiffe transportieren unabsichtlich Lebewesen im Ballastwasser (imago/Xinhua)
    "Vorsichtig! Die Absicherung ist noch nicht ganz so, wie wir sie haben wollen."
    Direkt vor den Füßen von Michael Thiemke geht es gut zwei Meter nach unten. Durch das große Loch im Hallenboden blickt man auf ein weit verzweigtes Röhrensystem, in das unentwegt Wasser aus der Flensburger Förde gepumpt wird. Es simuliert hier im Forschungslabor der FH Flensburg das Ballastwasser, das von potenziell schädlichen, invasiven Arten gereinigt werden soll, wie Thiemke, Experte für Schiffstechnik, erklärt:
    "Das ist die Filterversuchsstrecke. Da hinten kommt das Wasser rein und geht eben parallel durch den ersten und zweiten Abzweig. Und jetzt kann man vergleichen, die Abscheideraten in dem einen Filter und dem anderen, vor allem aber auch die Häufigkeit, in der rückgespült wird."
    Denn das ist die Herausforderung für die Hersteller von Filteranlagen: Wenn Tausende Liter an Ballastwasser gefiltert werden sollen, muss eben auch gewährleistet sein, dass die Filter nicht verstopfen. Schon das scheint keine leichte Aufgabe zu sein. Und das ist nur die erste Stufe der Reinigung. Noch anspruchsvoller wird es in der zweiten Stufe, erklärt Sabine Reuland vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie in Hamburg:
    "Dann gibt es in der Regel eine Hauptstufe, das kann zum Beispiel ein UV-System sein, es gibt Ultraschall, es gibt tatsächlich auch ein System das mit Hitze arbeitet, Es gibt aber eben auch viele chemische Systeme: zum Beispiel Peressigsäure oder Vitamin K, Chlorelektrolyse, mit Ozon wird auch gearbeitet. Wenn man eine aktive Substanz benutzt, dann braucht man auch noch eine Neutralisationsstufe hinterher, damit die Umwelt keinen Schaden nimmt."
    Schäden in Milliardenhöhe
    So unterschiedlich die Ansätze sind, im Ergebnis soll immer das Gleiche herauskommen: Bakterien, Algen oder Lebewesen, selbst wenn sie nicht einmal die Größe eines Sandkorns haben, dürfen nur noch in ganz geringer Zahl im behandelten Wasser übrig bleiben. Denn die Schäden, die die blinden Passagiere im Ballastwasser allein in EU-Gewässern anrichten, werden auf jährlich gut zwei Milliarden Euro geschätzt. Momentan aber gelangen alle Organismen, ganz gleich welcher Größe, wieder zurück ins Meer. Denn das Ballastwasser-Übereinkommen, das 2004 beschlossen wurde, ist noch immer nicht in Kraft. Die Mindestanzahl von Staaten, die das Übereinkommen ratifizieren müssen, ist mit 49 Ländern zwar schon lange erreicht, allerdings fahren unter den Flaggen dieser Länder nicht genügend Schiffe. Sie decken nicht die geforderten 35 Prozent der Welthandelstonnage ab.
    "In den ersten Jahren, nachdem das Ballastwasser-Übereinkommen verabschiedet war, war es eben so, dass die Staaten noch nicht gleich angefangen haben zu ratifizieren, weil eben noch viele Probleme ungelöst waren. Am Anfang musste erst ein großer Schwung an Guidelines entwickelt werden, damit man überhaupt weiß, wie man das mit Praxis füllt das Übereinkommen. Es gab auch gar nicht so viele Teststandorte, wo man diese Ballastwasserbehandlungssysteme hätte testen können. Insofern hat das eben auch ein bisschen Zeit in Anspruch genommen."
    Doch nun dürfte es nicht mehr lange dauern. Die Unterzeichner-Staaten bringen 34,82 Prozent der Welthandelstonnage mit - es fehlen also nicht einmal 0,2 Prozent. Und auch die technischen Herausforderungen sind nach Angaben der Weltschifffahrtsorganisation IMO gelöst.
    "Die IMO sagt, dass ausreichend Systeme am Markt sind, sie haben selber 57 Stück verzeichnet, steigende Tendenz, und viele befinden sich auch noch im Zulassungsverfahren."
    Doch darüber, ob tatsächlich alle größeren Probleme zwölf Jahre nach der Verabschiedung des Übereinkommens beseitigt sind, gibt es unterschiedliche Ansichten. Denn die Anlagen müssen später in allen Gewässern, bei jedem Seegang und jeder Witterung funktionieren.
    Rund 60 Prozent der IMO-konformen Anlagen würden aber nicht in allen Wasserqualitäten und -temperaturen die IMO-Grenzwerte erreichen, sagt etwa der Verband deutscher Reeder. Viele Ballastwasserexperten halten diese Fehlerrate für übertrieben.
    Reedereien scheuen Investitionen ohne Rechtssicherheit
    Doch auch die US Coast Guard, die für die amerikanische Wirtschaftszone im Meer zuständig ist, meldete Kritik an der IMO-Zertifizierung an und fordert strengere Zulassungsverfahren. Viele Schiffe seien wegen dieser Unsicherheiten auch noch nicht mit einer Behandlungsanlage ausgestattet, meint Michael Thiemke. Schließlich kostet eine Anlage je nach Größe schätzungsweise 250.000 Euro bis zwei Millionen Euro. Thiemke meint dazu:
    "Es wird mit großer Wahrscheinlichkeit ein Run auf diese Ballastwasserbehandlungsanlagen losgehen. Da freuen sich bestimmte Hersteller und sicherlich auch die Werften, weil das einen kurzzeitigen Auftragsboom mit sich bringen dürfte, der kaum zu bewältigen ist. Ich vermute mal, dass sich das auch auf die Preise auswirkt. Also von der Hersteller-Seite wird das wahrscheinlich sehr begrüßt und herbeigesehnt, auf der Seite der Reeder, kann ich gut verstehen, dass die das mit gemischten Gefühlen sehen."
    Doch viele der offenen Fragen werden sich wohl mit letzter Sicherheit erst beantworten lassen,wenn das Übereinkommen in Kraft tritt.
    Sabine Reuland hofft, dass es jetzt ganz bald der Fall ist, dass das letzte Stück bis 35 Prozent erreicht wird. Und dass es dann endlich los gehen kann.
    Denn dass die Einschleppung invasiver Arten durch das Ballastwasser endlich gestoppt werden muss, da herrscht bei fast allen Beteiligten Konsens.