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Irak-Konflikt
"Müssen Kurden mit besseren Waffen ausstatten"

Im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat müsse Deutschland die Kurden auch mit Waffenlieferungen unterstützen, sagte der CDU-Außenpolitiker Karl-Georg Wellmann im DLF. Einen Bundeswehreinsatz schloss er jedoch aus.

Karl-Georg Wellmann im Gespräch mit Dirk Müller | 11.08.2014
    Der CDU-Außenpolitiker Karl-Georg Wellmann
    Der CDU-Außenpolitiker Karl-Georg Wellmann (picture alliance / dpa / Karlheinz Schindler)
    Beim Reden könnten wir es nicht belassen, unterstrich Wellmann. "Wir sind in einer Situation, die für die Deutschland allmählich peinlich wird. Wir liefern ein paar Zelte und legen noch ein paar Millionen drauf. Das geht nicht, das ist zu wenig", sagte er weiter.
    Kurden handeln im westlichen Sinne
    Wenn die Kurden von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) überrannt würden, dann "kommt es zum Inferno". Davor müssten die Menschen bewahrt werden. "Da können wir nicht mit Jagdflinten gegenhalten", unterstrich Wellmann seine Forderung nach Waffenlieferungen an die Kurden. Gerechtfertigt sei diese Maßnahme mit der gemäßigten Haltung der Kurden. Sie dächten im westlichen Sinne und stünden in direkter Nachbarschaft zum NATO-Gebiet. "Da zuzugucken und nur mit frommen Worten zu kommen, das reicht mir nicht", sagte er weiter.
    Iran darf nicht Kurden unterstützen
    Die Alternative sei, dass die IS die Kurden überrenne und einen islamischen. Terrorstaat aufbaue. Das wäre für die ganze Region destabilisierend, als Beispiele nannte Wellmann Jordanien oder auch die Türkei. Ferner warnte er vor problematischen Allianzen: "Das Letzte, was was wir wollen, ist, dass die Kurden sich an den Iran wenden. Daran haben wir kein Interesse."
    Kein Bundeswehreinsatz
    Dennoch betonte Wellmann, dass niemand an einen Bundeswehreinsatz denke. "Das ist absurd, die Fähigkeiten haben wir gar nicht. Die Bundeswehr hat gar nicht die logistische Möglichkeit, dort einzugreifen". Das sei ein Grund mehr, sich an Waffenlieferungen zu beteiligen, ergänzte Wellmann.

    Lesen Sie das Interview mit Karl-Georg Wellmann in vollständiger Länge hier:
    Dirk Müller: Die Amerikaner haben lange gezögert, zu lange, kritisieren vor allem zahlreiche Republikaner im US-Kongress und meinen damit zuallererst den Präsidenten. Doch Barack Obama hatte noch einmal versprochen, die GIs nach Hause zu holen aus dem Irak. Vor drei Jahren ging dieses Versprechen weitestgehend in Erfüllung. Aber jetzt seit dem Vormarsch der Dschihadisten ist alles wieder anders. Zu wirkungsvoll sind offenbar die Bilder der betroffenen Zivilisten, der Alten, der Frauen und der Kinder im Machtbereich der Islamisten.
    Die amerikanische Luftwaffe bombardiert also weiterhin Stellungen der Islamisten im Norden des Irak, bildet eine humanitäre Luftbrücke, an der sich auch die Franzosen beteiligen. Und was macht dabei die deutsche Politik? Der CDU-Außenpolitiker Karl-Georg Wellmann ist bei uns am Telefon, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages. Guten Morgen!
    Karl-Georg Wellmann: Guten Morgen!
    Müller: Herr Wellmann, tun wir das, was wir vielleicht am besten können, wieder nur reden?
    Wellmann: Ja, das scheinen wir zu tun, aber dabei können wir es nicht belassen. Ich berufe mich auf den Bundespräsidenten, der ja in diesem Jahr schon mehrfach gesagt hat, bei schweren Menschenrechtsverletzungen, bei Völkermord, bei Kriegsverbrechen, bei ethnischen Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit können wir nicht zugucken. Wir sind in der Situation, die mir allmählich peinlich wird, den Deutschen peinlich wird, dass die Amerikaner wieder eingreifen, wer hilft ihnen in Europa, die Franzosen, die Engländer. Und wir sagen, wir liefern ein paar Zelte und wir legen noch eine Million drauf und wir nehmen noch ein paar Flüchtlinge auf, die den Mordbränden da unten entkommen sind. Das geht nicht, das ist zu wenig.
    Müller: Ist das der oberste Redner der Republik, Frank-Walter Steinmeier, der Außenminister?
    Wellmann: Wer auch immer, es gibt ja viele Stimmen. Ich fühle mich beim Bundespräsidenten gut aufgehoben. Kein Mensch denkt – damit das auch gleich klargestellt wird – an einen Bundeswehreinsatz, aber wir müssen den Kurden, die dort einen verzweifelten Kampf gegen einen neu entstehenden Terrorstaat führen, wir müssen die Kurden unterstützen und ihnen die Dinge liefern, die sie brauchen, um sich durchzusetzen. Die Kurden, Barzani, der Präsident, sind eine Ordnungsmacht, die sind westlich orientiert, die sind nicht islamistisch, die tun sozusagen für uns die Arbeit. Und wenn die überrannt werden von diesen ISIS-Truppen, dann kommt es da zum Inferno tatsächlich. Wenn die nach Arbil kommen oder in die Flüchtlingslager, dann entstehen Dinge, die unvorstellbar sind. Und davor müssen wir die Menschen dort bewahren. Und deshalb müssen wir helfen, ihnen Sachen zu liefern, die sie brauchen, um sich gegen diese Terroristen zu verteidigen.
    Nicht mit Jagdflinten gegenhalten
    Müller: Diese Sachen, das heißt also ganz klar: Waffenlieferungen?
    Wellmann: Das heißt auch, dass die westliche Staatengemeinschaft Waffen liefern muss. Diese ISIS-Truppen haben Waffendepots erobert von der syrischen Armee, von der irakischen Armee, sie sind mit 7000 gepanzerten Fahrzeugen ausgestattet inzwischen, amerikanische Waffen, die die da mal geliefert haben in den Irak. Und da können wir
    nicht mit Jagdflinten dagegenhalten oder können die Kurden nicht dagegenhalten, sondern wir müssen sie mit besseren Waffen ausstatten, ja.
    Müller: Heißt das denn, Herr Wellmann, wenn man Waffen liefert und diese Waffen werden dann von anderen erbeutet, dann muss man wieder Waffen liefern, damit die Waffen, die man geliefert hat, wieder erbeutet werden können?
    Wellmann: Das ist manchmal der Teufelskreis, wenn man an die Falschen liefert. Aber ich sage es noch mal: Die Kurden sind gemäßigt, sie denken westlich, sie denken in unserem Sinne. Und deshalb müssen wir sie unterstützen. Und ich weise darauf hin, das ist nicht irgendwo in weiter Ferne, das ist in direkter Nachbarschaft zur NATO, zur Türkei. Es sind sunnitische Extremisten, auch die Religion in der Türkei ist sunnitisch und die schrecklichste Vorstellung wäre, wenn die anschließend die Türkei anzünden.
    Iran darf nicht Hilfsmacht werden
    Müller: Ich frage da noch einmal nach, die Waffenbelieferung: Wir haben auch syrische Rebellen mit Waffen beliefert, wir haben auch libysche Rebellen mit Waffen beliefert und hinterher hat sich das dann etwas umgedreht. Plötzlich sind das Fundamentalisten, plötzlich sind das auch Dschihadisten, plötzlich sind das Islamisten. Woher soll man sicher sein, dass man den Richtigen Waffen liefert?
    Wellmann: Wir haben an diese Terroristen keine Waffen geliefert, jedenfalls die Deutschen haben es nicht getan. Wir liefern allerdings in die Region Waffen. Ich denke an unsere Lieferungen an Israel oder an die Golfstaaten. Das heißt, das Argument ist falsch zu sagen, dort, wo Schwierigkeiten sind, darf man keine Waffen hin liefern. Wir tun es ja. Und wir sind in der Lage zu differenzieren und zu sagen, wen muss man unterstützen und wen nicht. Die Alternative ist, dass diese islamischen Terroristen auch die Kurden überrennen, dass sie einen islamistischen Terrorstaat schaffen, da sind sie mitten dabei, und das wäre für die ganze Region furchtbar und destabilisierend. Für Jordanien, für Israel und für die Türkei. Vom Irak ganz zu schweigen. Und das Letzte, was wir wollen, ist, dass die Kurden sich in letzter Not an die Iraner wenden und die Iraner dort als Hilfsmacht auftreten. Daran haben wir nicht das geringste Interesse.
    Kein Bundeswehreinsatz möglich
    Müller: Sie sagen: Waffenlieferungen, also Unterstützung aus dem Westen für die Kurden, ja, aber keine militärische Beteiligung an den amerikanischen Aktionen. Drecksarbeit machen die Amerikaner?
    Wellmann: Nein, die Bundeswehr hat ja gar nicht die logistischen Möglichkeiten, dort einzugreifen, wir haben dort keine Basis, wir haben keine Flugzeugträger. Aber wir haben Waffen, die wir, die westliche Staatengemeinschaft, die NATO unter Einschluss Deutschlands zur Verfügung stellen können, damit dieses schreckliche Morden aufhört. 1.500 Rekruten dahingeschlachtet, 18-, 19-jährige Männer, Hunderte von Jesiden hingeschlachtet, christliche Dörfer ausgemordet und vertrieben. Also, da zuzugucken und nur mit frommen Worten zu kommen und zu sagen, die, die übrig bleiben, nehmen wir auf, das reicht mir nicht.
    Müller: Aber der Bundespräsident, Sie haben ihn ja zitiert, Joachim Gauck hat ja gesagt: Mehr Verantwortung übernehmen, und das heißt in der Konsequenz, wenn alles andere nicht mehr hilft, sich auch selbst zu beteiligen, aktiv zu beteiligen. Und nicht nur dementsprechend irgendwelche Holzpakete mit Inhalten zu liefern.
    Wellmann: Ja, das hat der Bundespräsident gesagt, weil wir irgendwann auch mal in die Lage kommen, dass andere uns helfen müssen, dass wir in Schwierigkeiten sind. Und deshalb haben wir jetzt auch Verantwortung. Keiner denkt daran, dass da deutsche Soldaten hin sollen. Das ist absurd, das geht nicht, die Fähigkeiten haben wir gar nicht. Aber unterschwelliger das zu tun, was wir dann erst recht tun können, eben die Mittel den Kurden zur Verfügung zu stellen, die sie benötigen, um nicht selbst überrannt zu werden und um letztlich unsere Interessen dort wahrzunehmen in der Region.
    Müller: Jetzt haben Sie ja damit ein Problem mit dem Koalitionspartner, wenn wir das richtig verstanden haben an diesem Wochenende: Die SPD sagt klipp und klar, da machen wir nicht mit, bei Waffenlieferungen! Was machen Sie jetzt?
    Wellmann: Herr Müller, Sie haben mich um meine persönliche Meinung als Außenpolitiker in der CDU befragt. Wir haben ja Sommerpause, wir haben gar keine Gelegenheit gehabt, das im Parlament oder in der Fraktion zu diskutieren. Ich sage Ihnen meine Meinung und die ist so, wie sie ist.
    Müller: Ja, habe ich auch nicht bestritten. Ich frage Sie nur, inwieweit das realistisch ist, dass das, was Sie fordern, auch umgesetzt werden kann.
    Wellmann: Ich habe den Eindruck, dass die Grünen dem zustimmen. Aber noch mal: Meine Forderung ist, wir müssen helfen und wir müssen das auch mit den sozialdemokratischen Kollegen diskutieren, ob wir wirklich zusehen wollen, wie dort vor unseren Augen in der Nachbarschaft der NATO ein Völkermord stattfindet.
    Müller: Sehen Sie beim deutschen Außenminister da Bewegung?
    Wellmann: Ja, der deutsche Außenminister muss in der Öffentlichkeit immer seine Worte wählen und muss vorsichtig sein. Ich habe den Eindruck, dass auch im Auswärtigen Amt sehr, sehr ernsthaft und verantwortungsbewusst über diese Frage diskutiert wird, da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.
    Müller: Und in Ihrer eigenen Fraktion, in der Union ist die Sache mehrheitsfähig?
    Wellmann: Das kann ich Ihnen heute nicht sagen. Ich habe eine ganze Reihe von zustimmenden Anrufen von Kollegen bekommen. Die Fraktion ist in der Sommerpause und ich spreche nur für mich und kann Ihnen nicht sagen, wie die Diskussion ausgeht.
    Müller: Immerhin haben wir gelesen, Norbert Röttgen unterstützt Sie auch in dieser Frage, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses. Das war bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk der CDU-Außenpolitiker Karl-Georg Wellmann. Danke ganz herzlich für das Gespräch, auf Wiederhören!
    Wellmann: Danke Ihnen, auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.