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Iran
Ein Jahr Präsident Rohani

2013 wurde Hassan Rohani zum neuen iranischen Präsidenten gewählt. Er ist kein radikaler Reformer und kein Konterrevolutionär. Bei der Wahl war er der größte gemeinsame Nenner zwischen dem Bevölkerungswunsch nach Veränderung und dem Festhalten der herrschenden Klasse an den geltenden Machtverhältnissen. Viele Versprechen hat er nicht umgesetzt.

Von Reinhard Baumgarten | 02.08.2014
    Der iranische Präsident Hassan Rouhani bei einem Treffen mit einem südafrikanischen Minister im Juni 2014.
    Vieles, was der Präsident versprochen hatte, konnte Rohani in seinem ersten Amtsjahr nur bedingt umsetzen. (AFP - ATTA KENARE)
    Seine Wahl war eine echte Überraschung - knapp 51 Prozent im ersten Wahlgang. 19 Stunden brauchten die Verantwortlichen, um seinen Sieg zu verkünden. Hassan Rohani bedankte sich bei seinen Wählern.
    "Alle Verantwortlichen im Land sollen es fühlen, dass das Volk der einzige Herrscher in diesem Land ist."
    Mutige Worte in einem Land, in dem der Präsident nicht die Nummer eins ist und in vielem nicht das letzte Sagen hat. Von Beginn an hat Hassan Rohani eine andere Politik als sein Amtsvorgänger Ahmadinedschad gemacht.
    Mit Rohani auf der internationalen Bühne zurück
    "Wir werden uns mit der Welt versöhnen. Die Politik unserer Regierung wird konstruktive Zusammenarbeit mit der Welt sein. Wenn wir Veränderung in der Welt wünschen, müssen wir in der Welt aktiv präsent sein. Abseits stehen und Parolen schreien, bringt keine Veränderung."
    Der Iran ist mit Präsident Rohani auf die internationale Bühne zurückgekehrt. Oberstes Ziel des neuen Präsidenten war von Anfang an, die Aufhebung der gegen sein Land verhängten Wirtschaftssanktionen und eine Wiederbelebung der iranischen Wirtschaft. Genau das, was das Volk von ihm erwarte, so der fliegende Händler Hossein vor dem großen Bazar von Teheran.
    "Das Erste, was alle Iraner von ihm erwarten, ist die Verbesserung der Wirtschaftslage. Frühere Präsidenten haben ihre Versprechen kaum eingehalten. Aber Herr Rohani ist anders und wir freuen uns darüber."
    Der iranischen Wirtschaft geht es nach wie vor nicht gut. Die Inflation ist hoch, die Sorgen der Menschen sind kaum geringer geworden, beklagt der Maschinenbaustudent Aydin:
    "In manchen Bereichen wie Abschwächung der Sanktionen hat er was erreicht. Aber das auch nur, weil die Herrschenden davon profitieren. Aber die Lage der Bevölkerung hat sich nicht besonders verbessert."
    Kein radikaler Reformer
    Hassan Rohani war immer ein Mann des Systems. Er ist kein radikaler Reformer und kein Konterrevolutionär. Jahrelang hat er dem Nationalen Sicherheitsrat angehört. Er weiß sehr genau, wer im Iran die Räder der Macht bewegt. Bei seiner Wahl zum Prä-sidenten war Hassan Rohani der größte gemeinsame Nenner zwischen dem Mehrheitswunsch der iranischen Bevölkerung nach Veränderung und dem Festhalten der herrschenden Klasse an den geltenden Machtverhältnissen. Für viele ist der Geistliche Rohani zum Hoffnungsträger geworden. Nicht zuletzt deshalb, weil er Missstände innerhalb des Systems anspricht. Die Sanktionen, das betont Präsident Rohani in jüngster Zeit immer öfter, sind nicht allein schuld an der misslichen wirtschaftlichen Lage Irans. Jahrelange Misswirtschaft, Korruption, Vetternwirtschaft und Machtmissbrauch wiegen ebenfalls schwer.
    "Kein Land und keine Regierung kann stolz darauf sein, Weizen und Brot fürs eigene Volk auf fremden Märkten besorgen zu müssen. Vor allem dann nicht, wenn wie in diesem Land einige (Nutznießer) die Taschen der Bevölkerung leeren und sie unter dem Vorwand berauben, man müsse gegen die großen Mächte kämpfen."
    Er konnte nicht alle Versprechen halten
    Noch gibt es keine offene Opposition konservativer Hardliner gegen Rohani. Aber es gibt zahlreiche Versuche, ihn und seine Politik madig zu machen. Vieles, was der Präsident versprochen hat, konnte er nur bedingt umsetzen: Freilassung politischer Gefangener; mehr bürgerliche Freiheiten; weniger Zensur im Internet und in den Medien; mehr kulturelle Freiheiten.
    "Kultur wird von den Bürgern getragen. Die Bürger müssen sich um ihre Kultur kümmern. Soll man jemandem Kultur verschreiben, damit sie wie eine Pille in der Apotheke abgeholt werden kann? Ich glaube, manche leben und denken noch wie in der Steinzeit."
    Hassan Rohani genießt die Rückendeckung von Revolutionsführer Ali Khamenei. Rohanis Wohl und Weh steht und fällt mit dem Ausgang der Atomverhandlungen, meint der Politikwissenschaftler Sadegh Zibakalam von der Uni Teheran.
    "Wenn Rohani bei den Atomgesprächen nichts erreicht, dann zweifle ich daran, ob er eine zweite Amtszeit haben wird. Rohani weiß, es ist ein alles oder nichts für ihn, deshalb lässt er das nicht scheitern."
    Punktet er mit einem für den Iran günstigen Abkommen, kann er die wirtschaftliche Lage in absehbarer Zeit verbessern, dann wächst auch die Aussicht, dass er seine anderen Wahlversprechen einlösen kann.