Freitag, 29. März 2024

Archiv

Krückstock für die "Vasa"
Stützen für Schwedens berühmtestes Schlachtschiff

Eigentlich sollte das Schlachtschiff "Vasa" dem schwedischen König Gustav II. Adolf zu Ruhm und Ehre verhelfen. Doch es sank im Jahr 1628 noch während seiner Jungfernfahrt im Stockholmer Hafen. Richtig berühmt wurde "Vasa" erst im 20. Jahrhundert: Das Wrack wurde geborgen, aufwendig konserviert und ausgestellt. Nun ein Schock für das Museum: Das Schiffsholz deformiert sich.

Von Christine Westerhaus | 10.05.2016
    Die Galeone "Vasa" in der Ausstellungshalle in Stockholm. Das Schiff sank 1628 bei seiner Jungfernfahrt.
    Die Galeone "Vasa" in der Ausstellungshalle in Stockholm. Das Schiff sank 1628 bei seiner Jungfernfahrt. (dpa / Anders Wiklund)
    Das Vasamuseum in Stockholm. Wer das Schlachtschiff hier besucht, bemerkt nichts von seinem schleichenden Verfall. Es steht dort seiner einzigartigen Pracht und sieht aus, als könne es jeden Moment in See stechen. Doch Ingela Bjurhagers Forscherblick erkennt, dass Abbauprozesse im Holz schon ihre Spuren hinterlassen haben.
    "Wenn man um das Schiff herum geht, sieht man, dass es an manchen Stellen schon deutlich zusammen gedrückt wurde. Vor allem am Kiel sieht man das. Wir sehen auch, dass sich Vasa kontinuierlich bewegt mit einer konstanten Geschwindigkeit. Vorne sinkt die Vasa in sich zusammen, an den Seiten dreht sie sich. Darüber sind wir beunruhigt, denn in vielen Jahren kann das dazu führen, dass das Schiff zerbricht. Doch es ist schwer abzuschätzen, wie stark es sich deformiert.
    Um genauer zu untersuchen, was in Vasas Holz vor sich geht, hat die Forscherin kleine Klötzchen aus dem Schiffsrumpf herausgeschnitten. Im Labor der Königlich-Technischen Hochschule in Stockholm hat sie gemessen, wie belastbar das Holz ist.
    "Wir untersuchen vor allem zwei Dinge: Zum einen die Zugfestigkeit, die etwas darüber aussagt, wie belastbar das Holz ist. Zum anderen messen wir die Steifheit. Sie sagt etwas darüber aus, wie stark sich Vasa deformiert."
    Um diese mechanischen Eigenschaften messen zu können, spannt die Forscherin millimeterdünne Holz-Scheibchen in ein Spezialgerät. Dieses Vorrichtung zieht so lange an den beiden Enden der Plättchen, bis sie auseinander brechen. Gleichzeitig notiert das Gerät die Belastung, unter der das Holz nachgibt. Auch die Bewegungen, also die Deformation der Plättchen, wird aufgezeichnet.
    "Vasas mechanische Eigenschaften haben sich ziemlich verschlechtert. Die Steifheit des Materials ist um etwa 50% reduziert. Die Zugfestigkeit hat sich an manchen Stellen sogar um bis zu 80 Prozent vermindert. Vasa ist heute also in einem deutlich schlechteren Zustand als damals, als sie noch unter Wasser lag."
    Um es für die Zeit an Land zu rüsten, wurde das Schiff 17 Jahre lang konserviert, nachdem es 1961 geborgen wurde. Doch der Kontakt mit Sauerstoff hat dazu geführt, dass sich die Zellulose im Inneren der Holzzellen abgebaut hat. Die Forscher vermuten, dass daran auch die Eisenbolzen schuld sind, mit denen die Holzplanken der Vasa im 17. Jahrhundert zusammen gehämmert wurden. Sie sind verrostet und das Eisen ist in das Holz eingedrungen.
    "Unsere Theorie ist, dass dieses Eisen die chemischen Abbauprozesse im Holz in Gang gesetzt hat. Wir glauben aber gleichzeitig, dass das Konservierungsmittel, mit dem Vasa nach der Bergung behandelt wurde, den chemischen Verfall im Holz aufhält. In die tieferen Holzschichten ist weniger Konservierungsmittel eingedrungen und dort ist die Zellulose stärker abgebaut. An der Oberfläche finden wir größere Mengen an Konservierungsmittel im Holz und dort ist mehr Zellulose enthalten."
    Um Vasas Holz besser vor dem Verfall zu schützen, müsste das Schiff also neu konserviert werden. Doch das wäre zu aufwändig, zu teuer und es würde bedeuten, dass das Museum für Jahrzehnte geschlossen werden müsste. Ingela Bjurhager und ihre Kollegen planen deshalb gemeinsam mit den Kuratoren des Vasamuseums, eine neue Stützstruktur für die Vasa zu bauen. Dieses System soll das Schiff von seinem hohen Eigengewicht entlasten und verhindern, dass die Vasa in sich zusammensinkt. Derart gestützt wird Schwedens berühmtes Schlachtschiff noch einige Jahrhunderte überdauern, ist sich Magnus Olofsson sicher. Er ist Chefkonservator des Vasamuseums und hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, Schwedens berühmtestes Museumsstück noch für mindestens 1000 Jahre zu erhalten.